Prok­to­lo­gie: Die fünf Leitsymptome

10.06.2021 | Medizin

Obwohl die Erkran­kun­gen der Anal­re­gion viel­fäl­tig und häu­fig sind, herr­schen fünf Leit­sym­ptome vor, die den Pati­en­ten dazu ver­an­las­sen, einen Arzt auf­zu­su­chen: Schmer­zen, Blu­tun­gen, Juck­reiz, Sekre­tion oder Näs­sen und Fremdkörpergefühl.
Irene Mle­kusch

Prok­to­lo­gi­sche Pati­en­ten kla­gen über Schmer­zen, Blu­tun­gen, Juck­reiz, Sekre­tion oder Näs­sen und Fremd­kör­per­ge­fühl. Dabei kön­nen meh­rere Sym­ptome gleich­zei­tig auf­tre­ten oder sich über­ lap­pen. Mit einer Inzi­denz von bis zu 50 Pro­zent stel­len Hämor­ rhoi­dal­lei­den die häu­figste Erkran­kung im End­darm­be­reich dar. Trotz­dem bedarf es einer sorg­fäl­ti­gen Ana­mnese und Untersu­ chung, um die tat­säch­li­che Ursa­che der Beschwer­den zu erhe­ ben. Univ. Prof. Johann Pfei­fer von der Kli­ni­schen Abtei­lung für All­ge­mein­chir­ur­gie an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Chir­ur­gie in Graz ist der Mei­nung, dass schon die Ana­mnese zu 90 Pro­zent zur Dia­ gnose führt: „Die Kli­nik ist wich­tig. Dabei sollte die Blut­menge ge­ nauso hin­ter­fragt wer­den wie Stuhl­fre­quenz und Stuhl­kon­sis­tenz und die aktu­el­len Medi­ka­mente.” Univ. Prof. Fried­rich Herbst von der Abtei­lung für Chir­ur­gie am Kran­ken­haus der Barm­her­zi­gen Brü­der in Wien ergänzt: „Bei Beschwer­den im Anal­be­reich kann und muss jeder Arzt eine Basis­dia­gnos­tik bestehend aus Anam­ nese, Inspek­tion, Pal­pa­tion und digi­tal rek­ta­ler Unter­su­chung durch­füh­ren. Ja nach Aus­bil­dung und Erfah­rung kann dann mit der ent­spre­chen­den Behand­lung begon­nen werden.”

Inspek­tion in drei Lagerungen

Die prok­to­lo­gi­sche Unter­su­chung kann in drei ver­schie­de­nen Lage­run­gen durch­ge­führt wer­den: der Stein­schnitt­lage, Knie-Ellen­bo­gen­­Lage und Links­sei­ten­lage. Die Links­sei­ten­lage mit leicht ange­zo­ge­nen Bei­nen sollte für alle Pati­en­ten leicht umsetz­bar sein und ermög­licht eine aus­rei­chende Inspek­tion der Anal­re­gion. „Hin­schauen ist wich­tig. Form und Fäl­te­lung des Anus sind ebenso zu beach­ten wie Haut­fal­ten, Throm­bo­sen, Tumore oder Anal­fis­su­ren, die allein durch Sprei­zen der Poba­cken dia­gnos­ti­ziert wer­den kön­nen“, führt Pfei­fer aus. Die digi­tal­rek­tale Unter­su­chung ermög­licht eine funk­tio­nelle Über­prü­fung des Schließ­mus­kels. Etwa 20 bis 30 Pro­zent der Kolon­kar­zi­nome ent­wi­ckeln sich in einem dem pal­pie­ren­den Fin­ger zugäng­li­chen Bereich. Nach der rek­ta­len Unter­su­chung geben Stuhl, Blut, Schleim oder Eiter am Hand­schuh wei­tere Hin­weise auf die Ursa­che der Beschwer­den. Falls mög­lich sollte im Anschluss eine Prok­to­sko­pie durch­ge­führt wer­den. Herbst sieht in der Spie­ge­lung des Anal­ka­nals und unte­ren Rek­tums bezie­hungs­weise des gesam­ten Rek­tums – je nach Fra­ge­stel­lung – einen inte­gra­len Bestand­teil der prok­to­lo­gi­schen Unter­su­chung: „Die Spie­ge­lung erlaubt die Dia­gnose von Ver­än­de­run­gen, die nicht tast­bar sind, wie Aus­maß und Mobi­li­tät von Hämor­rhoi­den, Prok­ti­tis, Feig­war­zen, Ade­nome oder Kar­zi­nome. Außer­dem kön­nen Biop­sien ent­nom­men wer­den und kleine The­ra­pien wie bei­spiels­weise Gum­mi­band­li­ga­tu­ren erfolgen.”

Anale Blu­tun­gen zäh­len zu den häu­fi­gen anorek­ta­len Beschwer­den und wer­den, je nach­dem ob sie mehr oder weni­ger als sechs Wochen lang anhal­ten, in akut und chro­nisch unter­teilt. Herbst emp­fiehlt, jeden Pati­en­ten mit rek­ta­ler Blu­tung zeit­nah an einen Chir­ur­gen zu über­wei­sen – vor allem wenn zusätz­lich Alarm­sym­ptome wie Ände­run­gen der Stuhl­ge­wohn­hei­ten oder Blut­ und Schleim­ab­gänge auf­tre­ten. Ohne Kolo­sko­pie kann eine mali­gne Ursa­che nicht mit Sicher­heit aus­ge­schlos­sen werden.

Akute hell­rote Blu­tun­gen nach Defä­ka­tion fin­den sich häu­fig bei Hämor­rhoi­den. Die Blu­tung ist hell­rot, schmerz­los und häu­fig von Fremd­kör­per­ge­fühl, Näs­sen und Juck­reiz, sowie Schleim­ab­son­de­run­gen beglei­tet. „Maris­ken soll­ten nicht mit Hämor­rhoi­den ver­wech­selt wer­den, kön­nen aber gemein­sam mit Hämor­rhoi­den und einem Ano­derm­pro­laps auf­tre­ten,” warnt Pfei­fer. Meis­tens fin­den sich die Hämor­rhoi­den in Stein­schnitt­lage bei drei, sie­ben und elf Uhr. „Hämor­rhoi­dal­lei­den sind sehr häu­fig und zeich­nen sich durch epi­so­di­sches Auf­tre­ten der Beschwer­den aus. Eine Beschwerde- und Sta­dien-adap­tierte The­ra­pie ist wich­tig, bei aku­ten Hämor­rhoi­den mit inkar­zerier­tem Pro­laps oder star­ker Blu­tung ist eine rasche chir­ur­gi­sche Vor­stel­lung not­wen­dig”, so Herbst. Stuhl­re­gu­lie­rung und topi­sche The­ra­pie stel­len die Basis­be­hand­lung aller Sta­dien dar, je nach Lei­dens­druck und Kli­nik ste­hen zusätz­lich Ver­fah­ren wie Skle­ro­sie­rungs­the­ra­pie, Gum­mi­band­li­ga­tur und ver­schie­dene ope­ra­tive Ver­fah­ren zur Ver­fü­gung. Akute Blu­tun­gen kön­nen aber auch durch sexu­ell ver­ur­sachte Prok­ti­t­i­den auf­tre­ten. Wei­tere mög­li­che Blu­tungs­quel­len sind Anal­fis­su­ren, Poly­pen, Diver­ti­ku­li­tis, Inflamm­a­tory Bowel Dise­ase oder ein Kolon­kar­zi­nom. Schlei­mig-blu­tige Durch­fälle spre­chen in Kom­bi­na­tion mit Tenes­men häu­fig für eine Koli­tis, bei chro­ni­scher Blu­tung wird der Aus­schluss eines Mali­gnoms emp­foh­len. Für den Nach­weis von okkul­tem Blut im Stuhl rät Pfei­fer den Hämoc­cult durch den, eben­falls ein­mal jähr­lich durch­ge­führ­ten, immu­no­lo­gi­schen Stuhl­test (iFOBT) zu erset­zen, da die­ser sen­si­ti­ver ist. Bei einem posi­ti­ven Ergeb­nis sollte eine Kolo­sko­pie durch­ge­führt wer­den. Pfei­fer wei­ter: „Gleich­zei­tig muss man den Pati­en­ten aber dar­auf auf­merk­sam machen, dass diese Tests oft falsch posi­tiv sind. Außer­dem ersetzt der immu­no­lo­gi­sche Stuhl­test die Kolo­sko­pie und deren Kon­trolle alle sie­ben bis zehn Jahre bei über 50-jäh­ri­gen Pati­en­ten nicht.”


Pru­ri­tus

Ana­ler Pru­ri­tus tritt bei ein bis fünf Pro­zent der Bevöl­ke­rung auf, wobei Män­ner fünf­mal so häu­fig betrof­fen sind wie Frauen. Viele Pati­en­ten ver­su­chen lange Zeit, sich selbst zu behan­deln, bevor sie einen Arzt auf­su­chen. „Ana­ler Juck­reiz kann sekun­där als Sym­ptom einer benig­nen oder mali­gnen anorek­ta­len oder sys­te­mi­schen Erkran­kung auf­tre­ten oder als pri­mä­rer idio­pa­thi­scher ana­ler Juck­reiz ent­ste­hen,” erklärt Herbst. Besteht das Sym­ptom län­ger als sechs Wochen, wird es als chro­nisch ein­ge­stuft. Unab­hän­gig von der Ursa­che ent­steht oft ein Teu­fels­kreis durch das Krat­zen der Pati­en­ten, das wie­derum die Ent­zün­dung und den Juck­reiz ver­stärkt. Vor allem im aku­ten Sta­dium besteht unter Umstän­den eine Dis­kre­panz zwi­schen den beschrie­be­nen Sym­pto­men und dem kli­ni­schen Bild, das nahezu nor­mal erschei­nen kann. Im chro­ni­schen Sta­dium zeigt sich eine Liche­ni­fi­ka­tion, Krus­ten­bil­dung, Hypo- oder Hyper­pig­men­tie­rung und Ver­nar­bun­gen. „Ist der Pru­ri­tus ani das ein­zige Sym­ptom, ist die Ursa­che in 25 Pro­zent der Fälle idio­pa­thisch. Bei 52 Pro­zent lie­gen asso­zi­ierte benigne anorek­tale Erkran­kun­gen wie zum Bei­spiel Hämor­rhoi­den, eine Anal­fis­sur oder Prok­ti­tis zu Grunde und in 23 Pro­zent äußert sich eine asso­zi­ierte mali­gne oder prä­ma­li­gne Neo­pla­sie als Pru­ri­tus ani“, fasst Herbst zusam­men. Die Ana­mnese sollte vor allem Stuhl- und Hygie­nege­wohn­hei­ten erfas­sen, ins­be­son­dere die Anwen­dung von Pfle­ge­pro­duk­ten und feuch­tem Toi­let­ten­pa­pier. „Feucht­tü­cher haben eine rela­tiv hohe All­er­gie­sie­rungs­rate und nur das Weg­las­sen der stän­di­gen Irri­ta­tio­nen führt zu einer Bes­se­rung”, weiß Pfei­fer. Und er ergänzt: „Bei einem Peri­anal­ek­zem mit roten Tup­fen han­delt es sich um Wasch­lä­sio­nen.” Dem­entspre­chend häu­fig fin­den sich irri­ta­tiv-toxi­sche Kon­takt­ek­zeme, die zu Juck­reiz und Ery­them füh­ren. Hier spie­len auch peri­anale Stuhl­ver­un­rei­ni­gun­gen als irri­ta­ti­ver Reiz eine ent­schei­dende Rolle. Herbst merkt an, dass dar­über hin­aus diverse inflamm­a­to­ri­sche, irri­ta­tive und infek­tiöse Haut­er­kran­kun­gen der Anal­re­gion mit einem Pru­ri­tus als Leit­sym­ptom einhergehen.


Unter­schei­dung: gene­ra­li­sier­ter & loka­ler Schmerz

Beim Leit­sym­ptom Schmerz führt die Beur­tei­lung der Schmerz­qua­li­tät wei­ter; auch kann mit­un­ter zwi­schen einem gene­ra­li­sier­ten und einem loka­len Schmerz dif­fe­ren­ziert wer­den. Gene­ra­li­sier­ter Schmerz und Miss­emp­fin­dun­gen fin­den sich häu­fig im Zusam­men­hang mit Pru­ri­tus ani. „Schmer­zen und Bren­nen nach dem Stuhl­gang haben ihren Ursprung meis­tens in einer Anal­fis­sur, einer Peri­anal­ve­nen­throm­bose oder einem Abs­zess,” erklärt Pfei­fer. Anal­fis­su­ren sind häu­fig und fin­den sich zu 90 Pro­zent an der hin­te­ren Kom­mis­sur bei sechs Uhr in Stein­schnitt­lage und zu zehn Pro­zent ante­rior. „An allen ande­ren Stel­len sind sie als suspekt zu wer­ten und müs­sen unbe­dingt über­wie­sen wer­den,” warnt Pfei­fer. Als Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnose kom­men Tuber­ku­lose, Mor­bus Crohn, Leuk­ämie und andere bak­te­ri­elle, virale, ent­zünd­li­che oder immu­no­lo­gi­sche Erkran­kun­gen in Betracht.

Typisch für eine Anal­fis­sur ist ein bren­nen­der Schmerz wäh­rend der Defä­ka­tion, der bedingt durch einen Spas­mus im Sphink­ter stun­den­lang anhal­ten kann. Eine Prok­to­sko­pie ist oft zu schmerz­haft; die Pati­en­ten beschrei­ben außer­dem manch­mal Blut am Stuhl oder Toi­let­ten­pa­pier. Die Anal­fis­sur stellt ein Ulcus im dista­len Anal­ka­nal dar. Die akute Anal­fis­sur wird kon­ser­va­tiv behan­delt mit dem Ziel der Sphink­ter­re­la­xa­tion durch Stuhl­re­gu­lie­rung, lau­warme Sitz­bä­der und topi­sche The­ra­pie mit zum Bei­spiel Dil­tia­zem­salbe. „Ist die Basis­the­ra­pie über vier Wochen nicht erfolg­reich oder die Anal­fis­sur sehr schmerz­haft, ist eine rasche Vor­stel­lung beim Spe­zia­lis­ten ange­ra­ten,” fügt Herbst hinzu. Chro­ni­sche Fis­su­ren kön­nen Abs­zess- und Fis­tel­bil­dun­gen begüns­ti­gen und infolge nar­bi­ger Ver­än­de­run­gen zu Anal-Steno­sen füh­ren. Chro­ni­sche Fis­teln soll­ten daher chir­ur­gisch oder mit­tels intra­mus­ku­lä­ren Botu­li­num-Injek­tio­nen ver­sorgt werden.

Schlag­ar­tig auf­tre­tende Schmer­zen, die zusam­men mit loka­len Schwel­lun­gen oder Kno­ten peri­anal auf­tre­ten, spre­chen für eine Anal­ve­nen-Throm­bose. Pfei­fer dazu: „Eine Throm­bose lässt sich leicht in Sei­ten­lage durch Sprei­zen der Gesäß­ba­cken erken­nen und eine Beur­tei­lung der Haut ist so eben­falls gut mög­lich.” Män­ner sind häu­fi­ger betrof­fen als Frauen. Spon­tan­per­fo­ra­tio­nen sind mög­lich. Aller­dings soll­ten akute peri­anale Throm­bo­sen vor allem bei star­ken Schmer­zen inner­halb von 72 Stun­den chir­ur­gisch ver­sorgt wer­den. „Eine Peri­anal­ve­nen-Throm­bose oder peri­anale Throm­bose sollte ober­fläch­lich abge­tra­gen, nicht nur inzi­diert wer­den“, so Pfei­fer. Sub­akute Throm­bo­sen soll­ten mit Sitz­bä­dern ver­sorgt wer­den, die die Mus­ku­la­tur ent­span­nen und oft zu einer deut­li­chen Erleich­te­rung der Sym­ptome füh­ren. Maris­ken kön­nen als Rest­zu­stand nach einer Throm­bose oder Anal­fis­sur ent­ste­hen. Sie erschwe­ren die Anal­hy­giene und füh­ren so unter Umstän­den zu einem Anal­ek­zem oder sekun­dä­ren Infek­tio­nen. „Maris­ken kön­nen sich auch irri­tiert prä­sen­tie­ren bei­spiels­weise bei Durch­fall­erkran­kun­gen,” gibt Pfei­fer zu bedenken.

Peri­anal­abs­zesse wei­sen den typi­schen Ent­zün­dungs­cha­rak­ter auf mit Fie­ber, Schmer­zen, Schwel­lung und Rötung. Der Schmerz ist pochend und von einem Druck- oder Fremd­kör­per­ge­fühl beglei­tet. Herbst beschreibt den Anal­abs­zess als Not­fall, der einer drin­gen­den chir­ur­gi­schen Sanie­rung bedarf. „Im War­te­raum fal­len Pati­en­ten mit Anal­abs­zes­sen dadurch auf, dass sie unbe­dingt ste­hen wol­len,” weiß Pfei­fer. Liegt eine Anal­fis­tel vor, sind die Schmer­zen meis­tens gerin­ger, im Vor­der­grund steht hier die eit­rig-blu­tige Sekre­tion. Somit stellt die Anal­fis­tel die chro­ni­sche Ver­laufs­form des Anal­abs­zes­ses dar. Män­ner lei­den dop­pelt so häu­fig an Anal­fis­teln wie Frauen. Fin­den sich ent­zünd­li­che Pro­zesse im Anal­be­reich, sollte bei wei­te­ren Hin­wei­sen an einen Mor­bus Crohn gedacht wer­den und eine Acne inversa ist als Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnose abzu­gren­zen. Eine kon­ser­va­tive The­ra­pie lin­dert nur die Ent­zün­dungs­zei­chen; Hei­lung ist dage­gen nur durch eine Ope­ra­tion zu erreichen.

Der Sinus pilo­ni­da­lis oder Sakral­der­moid zeigt sich als chro­nisch ent­zünd­li­che Erkran­kung der Rima ani an typi­scher Stelle über der Regio sacra­lis. Oft fin­det sich eine gene­ti­sche Dis­po­si­tion und Fak­to­ren wie starke Schweiß­se­kre­tion, starke Behaa­rung, Adi­po­si­tas oder man­gelnde Hygiene kom­men als prä­dis­po­nie­rende Fak­to­ren hinzu. Vor allem im aku­ten Sta­dium sind Schmer­zen, Schwel­lung und Rötung im Bereich des Steiß­beins häu­fig; mit zuneh­men­der Chro­ni­fi­zie­rung neh­men die Beschwer­den ab. Eine Per­fo­ra­tion des Sinus ist bei loka­lem Druck mög­lich und kann zur Ent­lee­rung von Eiter und blu­ti­ger Flüs­sig­keit füh­ren. Die The­ra­pie erfolgt chir­ur­gisch mit Ent­fer­nung des gesam­ten Befun­des und gege­be­nen­falls plas­ti­scher Rekonstruktion.

Ste­hen Näs­sen und Feuch­tig­keits­ge­fühl im Vor­der­grund, fin­den sich über­wie­gend höher­gra­dige Hämor­rhoi­den oder Prok­ti­t­i­den im Rah­men von sexu­ell über­trag­ba­ren Erkran­kun­gen der Anal­re­gion wie Syphi­lis, Gonor­rhoe, Infek­tio­nen mit Chla­my­dien oder Her­pes geni­ta­lis. Con­dy­lo­mata acu­mi­nata tre­ten bei 60 Pro­zent der erwach­se­nen Bevöl­ke­rung auf und sind durch Feuch­tig­keits­ge­fühl und Juck­reiz cha­rak­te­ri­siert. Außer­dem sind auch gering­fü­gige Blu­tun­gen und ein übel­rie­chen­des Sekret mög­lich. Die durch das Human papil­lom-Virus indu­zier­ten Papil­lome gel­ten als Prä­kan­ze­rose. Spon­tan­re­mis­sio­nen sind mög­lich; prin­zi­pi­ell ist die The­ra­pie ent­we­der kon­ser­va­tiv durch Bepin­se­lung mit Pod­o­phyl­lin oder chirurgisch.

Berich­ten Pati­en­ten von einem Fremd­kör­per­ge­fühl, kom­men Hämor­rhoi­den ab dem drit­ten Grad in Frage, aber auch Maris­ken, Con­dy­lo­mata acu­mi­nata oder ein Anal­kar­zi­nom. Obwohl Anal­kar­zi­nome ins­ge­samt sel­ten sind, hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren die Inzi­denz welt­weit zuge­nom­men. Etwa zwei bis vier Pro­zent aller kolo- und anorek­ta­len Kar­zi­nome sind Anal­kar­zi­nome; Frauen sind etwas häu­fi­ger betrof­fen. Wei­tere Risi­ko­fak­to­ren sind geni­tale Infek­tio­nen, häu­fi­ger Wech­sel der Geschlechts­part­ner vor allem bei unge­schütz­tem Ver­kehr, HIV sowie Radio- und Che­mo­the­ra­pie. Bei Anal­kar­zi­no­men fin­den sich vor­wie­gend die HPV-Stämme 6, 11, 16 oder 18. „Beim Anal­kar­zi­nom sind zwei Alters­gip­fel bekannt. Einer­seits 30- bis 35-Jäh­rige, vor allem Homo­se­xu­elle und Män­ner, die mit Män­nern Sex haben, ande­rer­seits Frauen im 55. bis 60. Lebens­jahr,“ so Pfei­fer. Da das Anal­kar­zi­nom in bis zu 95 Pro­zent der Fälle auf Basis einer HPV-Infek­tion ent­steht, sollte man bei Pati­en­ten mit Con­dy­lo­mata acu­mi­nata früh­zei­tig eine Probe neh­men und HPV bestim­men. Der Part­ner sollte unbe­dingt mit­be­han­delt wer­den um einen Ping-Pong-Effekt zu vermeiden.

Wei­tere Risi­ko­fak­to­ren für die Ent­ste­hung eines Anal­kar­zi­noms sind Rau­chen, Immun­sup­pres­sion – zum Bei­spiel nach Nie­ren­trans­plan­ta­tion – häu­fi­ger Part­ner­wech­sel oder Anal­sex. Jede Ver­än­de­rung der Haut am After, die län­ger als sechs bis acht Wochen besteht, muss biop­siert wer­den. Lymph­kno­ten­schwel­lun­gen in den Leis­ten gel­ten als Spät­zei­chen. „Das Anal­kar­zi­nom äußert sich unspe­zi­fisch und die Beschwer­den soll­ten nicht ohne Unter­su­chung als Hämor­rhoi­den abge­tan wer­den“, warnt Pfei­fer. Auf­grund der guten Erfolge der Radio­chemo­the­ra­pie sind chir­ur­gi­sche Ein­griffe eher sel­ten gewor­den. Pfei­fer emp­fiehlt eine früh­zei­tige HPV-Imp­fung für beide Geschlech­ter. Der Anal­ka­nal kann ein gro­ßes Spek­trum an Tumor­ty­pen auf­wei­sen: Mehr als zwei Drit­tel sind Plat­ten­epi­thel­kar­zi­nome, gefolgt von Ade­no­kar­zi­no­men, klein­zel­li­gen Kar­zi­no­men, mali­gnen Mela­nomen und ande­ren mali­gnen Tumo­ren. Anal­kar­zi­nome fin­den sich immer wie­der als Zufalls­be­funde im Rah­men von Unter­su­chun­gen wie zum Bei­spiel einer Kolo­sko­pie, da das Früh­sta­dium mit zwar tast­ba­ren, aber nicht schmerz­haf­ten Haut­ver­än­de­run­gen ver­läuft. Im wei­te­ren Ver­lauf stellt die anale Blu­tung das Haupt­sym­ptom dar. Zusätz­lich kön­nen Schmer­zen bei der Defä­ka­tion, Fremd­kör­per­ge­fühl, Pru­ri­tus, Schleim­ab­gang, Tenes­men, Inkon­ti­nenz oder Lymph­kno­ten­ver­grö­ße­rung auf­tre­ten. Bei der Inspek­tion fin­den sich meis­tens derbe, aber auch glatte ver­ru­köse im Anal­ka­nal oder am Anal­rand gele­gene Kno­ten. Nach ent­spre­chen­dem Sta­ging ist die kom­bi­nierte Radio­chemo­the­ra­pie die The­ra­pie der Wahl.


Kolo­sko­pie als wei­ter­füh­rende Diagnostik

„Ob eine Kolo­sko­pie durch­ge­führt wer­den sollte oder nicht, hängt unter ande­rem vom Alter des Pati­en­ten ab,” sagt Pfei­fer und macht dar­auf auf­merk­sam, dass das Kolon­kar­zi­nom bei über 50-Jäh­ri­gen unter ande­rem auch bei plötz­lich auf­tre­ten­den und anhal­ten­den Stuhl­ver­än­de­run­gen eine mög­li­che Ursa­che sein kann. Zusätz­lich rät Pfei­fer, die Unter­su­chung auch bei Per­so­nen die­ser Alters­gruppe durch­zu­füh­ren, die Bauch­schmer­zen haben und in den letz­ten fünf Jah­ren keine Kolo­sko­pie hat­ten. In den Gui­de­lines des Ame­ri­can Col­lege of Gas­tro­en­te­ro­logy wird die Kolo­sko­pie als Vor­sor­ge­un­ter­su­chung mitt­ler­weile schon ab 45 Jah­ren emp­foh­len, da sich die Inzi­denz­ra­ten für 20- bis 49-Jäh­rige ver­dop­pelt haben. Bei jun­gen Pati­en­ten mit fami­liä­rer Belas­tung, das heißt bei einem oder zwei Ver­wand­ten ers­ten Gra­des mit einem Kolon­kar­zi­nom, sollte die Vor­sorge bereits zehn Jahre vor der Erkran­kung des jüngs­ten Index­pa­ti­en­ten, spä­tes­tens aber mit 40 Jah­ren erfol­gen. „Bei jün­ge­ren Pati­en­ten ohne Fami­li­en­ana­mnese mit rezi­di­vie­ren­den schlei­mig blu­ti­gen Durch­fäl­len dient die Kolo­sko­pie zum Nach­weis oder Aus­schluss einer ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kung”, so Pfei­fer. Weg­wei­send sind dabei die his­to­lo­gi­sche Unter­su­chung der Biop­sien und die Bestim­mung des Cal­pro­tec­tin­wer­tes im Stuhl. Stu­fen­bi­op­sien soll­ten auch bei Ver­dacht auf Reiz­darm mit Blä­hun­gen, Durch­fall und Schmer­zen über mehr als drei Monate durch­ge­führt wer­den. Auch sel­tene Erkran­kun­gen wie eine kol­la­gene oder eosi­no­phile Koli­tis kön­nen der­ar­tige Beschwer­den ver­ur­sa­chen. Pfei­fer ver­weist auf die sel­tene fami­liäre ade­no­ma­töse Poly­pose, die zu 100 Pro­zent zum Krebs führt. Daher soll­ten bei den Betrof­fe­nen früh­zei­tig eng­ma­schig Kolo­sko­pien erfol­gen und gege­be­nen­falls eine Ope­ra­tion folgen.


Ekzem

Anal­ek­zeme kön­nen in drei Typen unter­teilt wer­den: irri­ta­tiv­to­xisch, ato­pisch und kon­takt­all­er­gisch. Das irri­ta­tiv-toxi­sche Ekzem basiert auf einer gestör­ten Fein­in­kon­ti­nenz, die wie­derum in einer prok­to­lo­gi­schen Erkran­kung wie Hämor­rhoi­dal­lei­den, Anal­fis­teln oder anorek­ta­len Pro­laps­for­men ihren Ursprung hat. Das ato­pi­sche Anal­ek­zem führt auf­grund der vor­han­de­nen epi­der­ma­len Bar­rie­restö­rung häu­fig zu sekun­dä­ren myko­ti­schen oder bak­te­ri­el­len Über­la­ge­run­gen. Beim all­er­gi­schen Kon­takt­ek­zem kann die Iden­ti­fi­zie­rung des Aus­lö­sers vor allem bei län­ge­rer Erkran­kungs­dauer schwie­rig sein. Duft­stoffe, Kon­ser­vie­rungs­mit­tel oder Sal­ben­grund­la­gen haben sich als Haupt­all­er­gene erwie­sen. Aku­ter Juck­reiz mit einem Ery­them im Anal­be­reich fin­det sich außer­dem bei peri­ana­ler Strep­to­kok­ken­der­ma­ti­tis, Can­di­do­sen, Tinea durch klas­si­sche Der­ma­to­phy­ten und bei peri­ana­lem Her­pes sim­plex. Tritt der Pru­ri­tus plötz­lich ohne kli­ni­sche Läsio­nen auf, sollte an eine Oxy­uria­sis gedacht wer­den. Bei chro­ni­schem Juck­reiz und Bren­nen kom­men neben dem ato­pi­schen und irri­ta­tiv-toxi­schen Anal­ek­zem dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­tisch peri­anale Pso­ria­sis, peri­ana­ler Lichen pla­nus oder Lichen scle­ro­sus, extra­mam­mä­rer Mor­bus Paget oder eine durch HPV indu­zierte anale Dys­pla­sie in Frage. Herbst rät zur Biop­sie bei ver­blei­ben­der dia­gnos­ti­scher Unsi­cher­heit, um Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen zu sichern oder aus­zu­schlie­ßen sowie bei über vier bis sechs Wochen the­ra­pie­re­frak­tä­ren oder rezi­di­vie­ren­den Haut­ver­än­de­run­gen trotz adäqua­ter The­ra­pie. The­ra­peu­tisch steht die Behand­lung oder Ent­fer­nung der zugrun­de­lie­gen­den Ursa­che im Vor­der­grund. Eine ergän­zende sym­pto­ma­ti­sche, juck­reiz­lin­dernde The­ra­pie ist ebenso wich­tig wie das Durch­bre­chen des Teu­fels­krei­ses und das Tro­cken­hal­ten der Analregion.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2021