Originalarbeit: Pelvic Congestion Syndrome

15.07.2021 | Medizin

Schätzungen zufolge könnten bis zu 40 Prozent der chronischen Beckenschmerzen bei Frauen auf das Pelvic Congestion Syndrome zurückzuführen sein. Dabei dürfte es sich um ein multifaktorielles Geschehen handeln, dem in erster Linie eine Insuffizienz der tiefen Beckenvenen zugrunde liegt.
Christian Dadak et al.*

Das Pelvic Congestion Syndrome (PCS) wird definiert als Varikositas im Bereich des Uterus und der Ovarien, das über mehr als sechs Monate chronische Schmerzen im Unterleib verursacht. Schmerzen treten typischerweise nach längerer stehender Tätigkeit sowie nach dem Geschlechtsverkehr auf; auch Harnblasen­Symptomatiken werden mit dem Pelvic Congestion Syndrome assoziiert. Oft wird auch eine Varikositas im Bereich der Vulva gesehen. Da vorwiegend prämenopausale Frauen betroffen sind, wurde ein Zusammenhang mit Östrogen vermutet.Die Erstbeschreibung erfolgte durch H. C. Taylor jun. im Jahr 1949. Doch auch rund 70 Jahre später besteht noch immer kein Evidenz­basierter Konsensus hinsichtlich eines optimalen Therapie­Algorithmus. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 40 Prozent der chronischen Beckenschmerzen bei Frauen dadurch verursacht werden. Es dürfte sich hierbei um ein multifaktorielles Geschehen handeln, dem in erster Linie eine Insuffizienz tiefer Beckenvenen zu Grunde liegt. Dysfunktionelle Venenklappen, ein vasodilatatorischer Effekt von Östrogen und Folgezustände nach Schwangerschaften durch intrapartalen Druck auf die Gefäße werden als Ursache diskutiert. Diese Prozesse begünstigen lokale Schmerzen durch mechanische Kompression von lokalen Nerven sowie die Ausschüttung von entzündungsfördernden Faktoren wie Bradykinin oder Substanz P.

Die Diagnose kann anhand der typischen Schmerzanamnese und dem Nachweis von pathologisch dilatierten Beckenvenen im Farbdoppler­Ultraschall gestellt werden. Ergänzend können auch CT­ oder MRT­Angiographien durchgeführt werden. Die Laparoskopie birgt keinen diagnostischen Mehrwert, da durch den erhöhten intraabdominellen Druck das Blut aus den Venen gepresst wird und daher eine Varikositas nicht dargestellt werden kann. Erst beim Verringern des intraabdominellen Drucks kann die Situation beurteilt werden ­ jedoch unter deutlicher Beeinträchtigung der Sicht. Am besten wird die Diagnose in aufrechter Haltung gestellt, die der Alltagssituation am ehesten entspricht.

Laborchemische Teste sind wenig aussagekräftig; können jedoch für Differentialdiagnosen (Endometriose, Adnexitis und Folgezustände) wichtig sein.

Klinisch bedeutsam zeigt sich, dass sich eine Varikositas und damit einhergehende Schmerzsymptome häufiger linksseitig ausbilden. Dies wird durch eine Variation der linken Nierenvene, in die die Vena ovarica mündet, begünstigt, welche wiederrum von der Arterie mesenterica superior eingeklemmt werden kann (Nussknacker­ oder May­Thurner­Syndrom).

Der durchschnittliche Querdurchmesser der Vena ovarica beträgt etwa 3,8 Millimeter im Fall kompetenter im Gegensatz zu 7,5 Millimeter bei inkompetenten Venenklappen, weswegen ein Querdurchmesser von mehr als fünf Millimeter als diagnostisches Kriterium für das Pelvic Congestion Syndrome vorgeschlagen wurde. Die betroffenen Frauen weisen außerdem linksseitig tendentiell weniger Venenklappen auf. Zusätzliche Risikofaktoren sind ein verlangsamter Blutfluss, Infektionen mit nachfolgenden Adhäsionen und stattgehabte Beckenvenenthrombosen dar.

Die Arbeitsgruppe der Autoren hat kürzlich zum ersten Mal den Fall einer postmenopausalen Patientin mit Pelvic Congestion Syndrome systematisch beschrieben. Anhand dieser Beobachtung muss davon ausgegangen werden, dass das Pelvic Congestion Syndrome nicht allein auf die Prämenopause und den Einfluss des Östrogens beschränkt sein dürfte. Derzeit existiert keine solide Evidenz zu therapeutischen Ansätzen. Die Arbeitsgruppe konnte jedoch – wie im Folgenden beschrieben – mit der Embolisierung von insuffizienten Venen bislang gute Erfolge erzielten.

Fallbeschreibung

Eine 69­-jährige Patientin nach drei vaginalen Geburten stellte sich aufgrund chronischer Beckenschmerzen ohne pathologisches Korrelat vor. Anamnestisch waren die Schmerzen in den letzten Jahren deutlich zunehmend; die Lebensqualität der Patientin stark beeinträchtigt. Die gynäkologische Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten, Labortests zeigten keine Entzündungszeichen. Ein diagnostisches Multiphasenkontrast-CT zeigte die linke Vena ovarica auf elf Millimeter, rechts auf sieben Millimeter distendiert; sonst war das CT unauffällig. Da die Patientin konservative Therapieversuche ablehnte, wurde eine Embolisation beider Venae ovaricae geplant und durch einen Facharzt für interventionelle Radiologie ambulant durchgeführt. Eine intraoperative Angiographie bestätigte die Dilatation sowie den suspizierten reverse flow; die Embolisation wurde bilateral mit Penumbra Ruby Coils (Alameda, CA, US) komplikationslos durchgeführt (Abb. 1 und Abb. 2). Die Patientin verließ die Klinik nach zwei Stunden. Nachuntersuchungen nach drei Wochen und 18 Monaten ergaben eine Vollremission der Beschwerdenk ohne weiteren Hinweis auf weitere Schmerzen im Beckenbereich.

Technik

Der Eingriff erfolgt in lokaler Betäubung über einen venösen femoralen oder jugulären Zugang. Anschließend wird die linke Nierenvene mit einem 5 French Sidewinder I oder II Katheter sondiert und eine diagnostische Phlebographie durchgeführt. Bei Vorliegen einer Insuffizienz der V. ovarica füllt sich diese prompt retrograd, in den meisten Fällen bis in das kleine Becken. Mit einem 0.021‘‘ Mikrokatheter und ­draht wird die V.ovarica bis in das kleine Becken sondiert und die Embolisation/ Sklerosierung der periuterinen Venen und der gesamten V. ovarica bis in den Einmündungsbereich in die linke Nierenvene abwechselnd mit Microcoils und Äthoxysklerolschaum („Sandwichtechnik“) 2 beziehungsweise 3% durchgeführt (Abb. 3 und 4). Anschließend Sondierung und Phlebographie der rechten V. ovarica, welche in der Regel in die Vena cava inferior mündet, wenn diese ebenso insuffizient und erweitert ist wird hier ebenso eine Embolisation/Sklerosierung durchgeführt. Nach Anlegen eines Druckverbandes und zwei Stunden Bettruhe kann die Patientin in der Regel nach zwei Stunden nach Hause gehen.

Diskussion

Bisher publizierte konservative Therapieversuche mit Medroxyprogesteronacetat, Diosamine plus Flavinoide, GnRH­Analoga zeigten ebenso wenig überzeugende Ergebnisse wie Adnex­Exstirpationen und sogar Totaloperationen (Uterus und Adnexen). Ein Systematic Review auf Basis der Auswertung von 473 Patientinnen mit Pelvic Congestion Syndrome nach Embolisierung zeigte eine klinische Befundbesserung in 82,1 bis 100 Prozent der Fälle. Komplikationen waren selten und zumeist auf lokale Hämatome im Einstichbereich beschränkt. Eine retrospektive Analyse des Langzeit­Outcomes fünf Jahre nach der venösen Embolisierung ergab eine klinische Beschwerdebesserung bei 93,9 Prozent und eine Vollremission bei 33,5 Prozent der Betroffenen. Auf Basis der vorliegenden Daten zeigt sich die Embolisierung tiefer Beckenvenen als sichere und effektive Behandlungsstrategie sowohl bei prä­ als auch bei postmenopausalen Patientinnen mit Pelvic Congestion Syndrome.

Literatur bei den Verfassern

*) Univ. Prof. Dr. Christian Dadak, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien; Univ. Prof. Dr. Florian Wolf, Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Medizinische Universität Wien, Dr. Thomas Bartl, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien. Korrespondenzadresse: Christian.Dadak@dadak.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2021