Kurz und infor­ma­tiv: Medi­zi­ni­sche Kurzmeldungen

10.03.2021 | Medizin

Neu­ro­de­ge­nera­tive Erkran­kun­gen: Schutz­fak­tor Importproteine 

Bei gene­ti­scher Ver­an­la­gung für Amyo­tro­phe Late­ral­skle­rose (ALS) oder Fron­to­tem­po­rale Demenz (FTD) ent­ste­hen DPR-Pro­te­ine (Dipep­tid-Wie­der­ho­lungs­pro­te­ine) durch die Tran­skrip­tion von Hex­a­nu­kleo­tid-Wie­der­ho­lun­gen im C9or­f72-Gen. Tobias Madl vom Gott­fried Schatz-For­schungs­zen­trum dazu: „Unser gemein­sa­mes Ziel war es, her­aus­zu­fin­den, ob diese aggre­ga­ti­ons­freu­di­gen DPR-Pro­te­ine durch kör­per­ei­gene Pro­te­ine vor einer Ver­klum­pung geschützt wer­den kön­nen und ob die­ser Pro­zess in ALS und FTD gestört ist.“ Das Team unter Lei­tung von Doro­thee Dor­mann von der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen konnte die Bin­dung von DPR und Import-Pro­te­inen mit­hilfe von bio­phy­si­ka­li­schen und struk­tur­bio­lo­gi­schen Metho­den wie Rönt­gen­klein­win­kel­streu­ung (SAXS) und Fluo­res­zen­zan­iso­tro­pie direkt nach­wei­sen. The­ra­peu­tika mit Ähn­lich­kei­ten zu Import-Pro­te­inen könn­ten viel­ver­spre­chend bei der Behand­lung von ALS und FTD sein, so die For­scher. APA/​Cell

Vir­tu­el­les Modell des Her­zens entwickelt

An einem völ­lig iden­ten vir­tu­el­len Modell des mensch­li­chen Her­zens wol­len For­scher der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät und der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz ver­schie­dene the­ra­peu­ti­sche Sze­na­rien erpro­ben. So ist bei rund 30 Pro­zent der Pati­en­ten die Schritt­ma­cher­the­ra­pie nicht erfolg­reich. „Um einen Herz­schlag im Com­pu­ter zu simu­lie­ren, muss man Mil­lio­nen von Varia­blen berech­nen. Das erfor­dert kom­plexe mathe­ma­ti­sche Ver­fah­ren, spe­zi­elle Algo­rith­men und spe­zi­elle Hard­ware, die Mil­li­ar­den von Rechen­ak­tio­nen pro Sekunde aus­füh­ren kön­nen“, sagt Univ. Prof. Tho­mas Pock vom Insti­tut für Maschi­nel­les Sehen und Dar­stel­len der TU Graz. Für die Berech­nung eines Pati­en­ten­spe­zi­fi­schen Modells nut­zen die Wis­sen­schaf­ter u.a. Daten von MRTs und EKGs. Die Methode kommt bereits rou­ti­ne­mä­ßig an der Uni Graz zum Ein­satz. Ange­strebt wird eine voll­au­to­ma­ti­sche Anpas­sung aller funk­tio­nel­len Aspekte an den Herz­schlag. Kli­nisch ein­setz­bare Pro­to­ty­pen sol­len schon 2022 getes­tet wer­den kön­nen. APA

20 Pro­zent

weni­ger Fett­masse bewirkt die The­ra­pie mit dem mono­klon­a­len Anti­kör­per Bimag­ru­mab, der das Mus­kel­wachs­tum durch eine Blo­ckade von Akti­vin-Typ-2-Rezep­to­ren sti­mu­liert. Zu die­sem Resul­tat kommt eine Phase II-Stu­die der Loui­siana State Uni­ver­sity bei Adi­pö­sen mit Typ 2‑Diabetes, die Bimag­ru­mab ein­mal wöchent­lich sub­ku­tan erhiel­ten. APA/​JAMA

Injek­tio­nen sen­ken LDL-Spiegel 

Nur zwei Injek­tio­nen Incli­si­ran alle sechs Monate kön­nen das LDL-Cho­le­ste­rin um die Hälfte redu­zie­ren. Zusam­men mit der Stan­dard­the­ra­pie ist sogar eine Reduk­tion um mehr als 80 Pro­zent mög­lich. Dabei kommt der 2006 mit dem Nobel­preis aus­ge­zeich­nete RNA-Inter­fe­rence-Mecha­nis­mus zum Tra­gen. Dabei wird die Bil­dung von PCSK9 bereits in der Leber­zelle gehemmt. Durch die nur zwei­mal jähr­lich not­wen­dige Ver­ab­rei­chung erwar­tet man eine hohe Com­pli­ance. Die Sub­stanz habe das Poten­tial, das Lipid­ma­nage­ment lang­fris­tig zu revo­lu­tio­nie­ren, sagt Univ. Prof. Chris­tian Hengs­ten­berg von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin II am AKH Wien, wo Incli­si­ran welt­weit erst­mals ange­wen­det wurde. Die Zulas­sung durch die Euro­pean Medi­ci­nes Agency (EMA) erfolgte im Dezem­ber 2020. APA

Knopf­bat­te­rien: Gefahr für Kinder

Fälle, in denen Klein­kin­der zwi­schen sechs Mona­ten und fünf Jah­ren – oft­mals unbe­merkt – Knopf­bat­te­rien oder Neo­dym-Magnete ver­schlu­cken, wer­den häu­fi­ger, berich­tet Uwe Kling­kow­ski von der Inns­bru­cker Kin­der­kli­nik. Bei den Knopf­bat­te­rien handle es sich um fla­che Drei Volt Bat­te­rien vom Typ CR 2032 mit einem Durch­mes­ser von zwei Zen­ti­me­tern, die im Öso­pha­gus ste­cken blei­ben. Der Strom­fluss der Bat­te­rie schä­digt die Schleim­haut bereits nach 15 Minu­ten. Kling­kow­ski dazu: „Die Schä­di­gung ist umso stär­ker, je bes­ser der Ladungs­zu­stand der Bat­te­rie ist. Aber auch schein­bar leere Bat­te­rien geben noch Strom ab.“ Immer häu­fi­ger käme es außer­dem zu Unfäl­len mit soge­nann­ten Super­ma­gne­ten (Neo­dym-Magnete). Durch die starke Kraft der Magnete kommt es zu Durch­blu­tungs­stö­run­gen im Darm bis hin zur schwe­ren Darm­per­fo­ra­tion. APA

Alko­hol erhöht Risiko für Vorhofflimmern 

Schon zwölf Gramm Etha­nol (ein Ach­tel Wein, ein klei­nes Bier oder vier Zen­ti­li­ter Spi­ri­tuo­sen) – täg­lich erhö­hen das Risiko für Vor­hof­flim­mern im Ver­gleich zu Alko­hol-Abs­ti­nenz um 16 Pro­zent. Das ist das Ergeb­nis einer Meta-Ana­lyse des For­scher­teams um Renate Schna­bel von der Uni­ver­si­tät Ham­burg-Eppen­dorf mit Daten von 107.845 Per­so­nen aus fünf Stu­dien und fünf Län­dern. 100.092 der Teil­neh­mer waren zu Stu­di­en­be­ginn herz­ge­sund und im Schnitt 48 Jahre alt; bei 5.854 mani­fes­tierte sich Vor­hof­flim­mern inner­halb der 14-jäh­ri­gen Nach­be­ob­ach­tung: Wäh­rend bei vier Pro­zent der Alko­hol-Abs­ti­nen­ten Vor­hof­flim­mern auf­trat, waren es bei etwas mehr als einem alko­ho­li­schen Getränk pro Woche fünf Pro­zent und bei bis zu einem Getränk pro Tag sogar 75 Pro­zent, bei denen es zu Vor­hof­flim­mern kam. APA/​European Heart Journal

Soziale Unter­stüt­zung bes­sert emo­tio­nale Kon­trolle – auch virtuell

Soziale Nähe wirkt posi­tiv auf die Fähig­keit, Emo­tio­nen zu kon­trol­lie­ren – selbst auf vir­tu­el­lem Weg. Bei Stress­be­wäl­ti­gung „über­nimmt der late­rale prä­fron­tale Kor­tex eine zen­trale Rolle und unter­drückt Ant­wor­ten in Regio­nen, die mit der Emo­ti­ons­ent­ste­hung zu tun haben, wie der Amyg­dala. (…) Diese emo­tio­nale Kon­trolle kann durch soziale Unter­stüt­zung ver­bes­sert wer­den“, sagt Car­men Mora­wetz vom Insti­tut für Psy­cho­lo­gie der Uni­ver­si­tät Inns­bruck. Zusam­men mit deut­schen und aus­tra­li­schen Kol­le­gen kon­fron­tier­ten sie Pro­ban­den im fMRT mit nega­ti­ven Bil­dern. Diese soll­ten unan­ge­nehme Gefühle dazu abschwä­chen – ohne Hilfe, mit Hilfe des bes­ten Freun­des oder einer frem­den Per­son durch einen auf­bau­en­den Satz sowie ein Foto der Per­son. In der Kon­troll­be­din­gung soll­ten sie ihren Gefüh­len freien Lauf las­sen. Ergeb­nis: Ein­zig die Amyg­dala dif­fe­ren­zierte zwi­schen den Fotos von Freun­den und Frem­den. „Sie ist bei der Hilfe durch Unbe­kannte stär­ker akti­viert“, so Mora­wetz. APA/​NeuroImage

Neue Mala­ria-Art bedroht Afrika

Anophe­les ste­phensi, eine in Indien behei­ma­tete Mücke, brei­tet sich seit eini­gen Jah­ren in Städ­ten am Horn von Afrika sowie u.a. in Dschi­buti und Sri Lanka aus. Auf­grund sei­ner Anpas­sungs­fä­hig­keit und der Brut­vor­liebe in sau­be­rem Was­ser könnte sie zu einem Anstieg von Mala­ria in städ­ti­schen Gebie­ten Afri­kas füh­ren, wie ein äthio­pi­sche und nie­der­län­di­sche Stu­die zeigt. „Die­ser Mos­kito scheint ein extrem effi­zi­en­ter Ver­brei­ter der zwei Haupt­spe­zies von Mala­ria zu sein“, so Co-Autor Teun Bou­sema von der Uni­ver­si­täts­kli­nik Nij­me­gen. In etwa 75 Pro­zent der unter­such­ten Was­ser­quel­len in Awash Sebat Kilo (Äthio­pien) konn­ten die For­scher Anophe­les ste­phensi nach­wei­sen. Das Ziel, Mala­ria bis 2030 in Afrika aus­zu­rot­ten sehen die Wis­sen­schaf­ter durch die neue Art bedroht. APA/​Emerging Infec­tious Diseases

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2021