Röteln: Impflücken schließen

10.02.2021 | Medizin


Bis auf einige Ausbrüche in den letzten Jahren gilt Österreich laut WHO grundsätzlich als Röteln-frei. Auch wenn es Corona-bedingt durch die seit März des Vorjahres gültigen Schutzmaßnahmen keine Infektionen gegeben hat, müssen in Österreich noch immer Impflücken geschlossen werden.
Laura Scherber

Gemäß der World Health Organization (WHO) nimmt die Zahl der Länder, die in ihrem nationalen Programm Rötelnimpfstoffe verwenden, stetig zu. Bis Dezember 2018 hatten 168 von 194 Ländern Rötelnimpfstoffe eingeführt, was in einer geschätzten weltweiten Abdeckung von 69 Prozent resultierte. Im Zeitraum von 2000 bis 2018 sind die gemeldeten Rötelnfälle um 97 Prozent zurückgegangen: von 670.894 Fällen in 102 Ländern im Jahr 2000 auf 14.621 Fälle in 151 Ländern im Jahr 2018. Mit einem R0-Wert von 5 bis 7 gilt das Einzelstrang-RNA-Virus aus der Familie der Togaviridae als hochinfektiös. Die durch Tröpfchen übertragene Virusinfektion nimmt in der Regel  einen milden Verlauf mit feinfleckigem Exanthem und Lymphknotenschwellung, jedoch kann es bei Primärinfektionen bis zur 17. Schwangerschaftswoche zu schweren kindlichen Missbildungen (Rötelnembryopathien mit Taubheit, Katarakt, Herzfehlern und anderen Organdefekten) kommen. Im Gegensatz zu den Masern verlaufen Röteln in 20 bis 50 Prozent der Infektionen asymptomatisch. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 18 (zwölf bis 21) Tage, wobei bereits eine Woche vor bis zu einer Woche nach Exanthembeginn Kontagiosität besteht. Die Röteln sind in Österreich eine meldepflichtige Erkrankung.

Aufgrund der Tatsache, dass die Zahl der Röteln-Fälle in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist und eine sehr gut funktionierende Surveillance etabliert wurde, hat die WHO Österreich als Röteln-frei eingestuft. „Dennoch müssen wir immer noch Lücken schließen – gerade bei den Adoleszenten und jungen Erwachsenen, um eine neuerliche Einschleppung von Rötelnviren und natürlich auch der wesentlich ansteckenderen Masernviren zu verhindern“, berichtet Univ. Prof. Heidemarie Holzmann vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität in Wien. So habe das vorige Jahr nicht gerade zu einer Verbesserung der MMR-Durchimpfungsrate beigetragen. Da die Menschen 2020 aufgrund der Corona-Situation seltener zum Arzt gegangen seien und dadurch auch viele Impfungen verschoben wurden, müsse dieses Jahr diesbezüglich einiges aufgeholt werden. Gleichzeitig habe sich der Expertin zufolge aber grundsätzlich ein positiver Effekt des Lockdowns auch in den Zahlen der Masern und Röteln niedergeschlagen: Durch die im März getroffenen Maßnahmen wie die Mund-Nasen-Schutz-Pflicht und den Sicherheitsabstand wurden in Österreich praktisch keine Röteln- und Masernvirus Infektionen beobachtet.

Immer wieder Ausbrüche

Im Gegensatz zu 2018 und 2019 zeigen die Daten der WHO analog zu den weltweiten Berichten auch für Europa rückläufige Zahlen, wobei es immer wieder zu Ausbrüchen kommt. Im Zeitraum von November 2019 bis Oktober 2020 wurden insgesamt 234 Fälle berichtet, wobei 91 Prozent davon in Polen, der Ukraine, Deutschland, der Türkei und Italien gemeldet wurden. „Der Vorteil in Österreich ist, dass alle gemeldeten Infektionen bei uns wirklich serologisch nachkontrolliert und verifiziert werden“, betont Holzmann. Nichtsdestotrotz habe es aber auch in Österreich in den vergangenen Jahren immer wieder kurzfristige Zunahmen der Rötelnvirusaktivität gegeben, zuletzt mit 39 Fällen im Jahr 2017 – gemäß der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) die höchste Fallzahl seit 2010. Zurückzuführen waren diese Fälle auf zwei Ausbrüche: der erste an einer Wiener Schule, bei der 90 Prozent der Betroffenen ungeimpft waren (übrige zehn Prozent: Impfstatus unbekannt); der zweite in Oberösterreich, wobei das Virus durch einen 34 Jahre alten Mann aus Bali eingeschleppt wurde und im Folgenden weitere ungeimpfte Personen infizierte. Laut der Expertin zeigen die vergangenen Ausbrüche, dass auch „Infektionen, die bereits längere Zeit kaum bis wenig beobachtet wurden, jederzeit wieder ausbrechen können, wenn keine ausreichende Durchimpfungsrate besteht.“

Besondere Gefahr für Ungeborene

Potentielle Langzeitfolgen sind nach einer durchgemachten Rötelninfektion in der Regel selten und können die Rötelnvirus assoziierte Uveitis, das Fuchs Uveitis Syndrom und die extrem seltene progressive Röteln-Panenzephalitis umfassen. Wirklich bedeutend sind Rötelnvirus-Infektionen aber in der Frühschwangerschaft, weshalb die Rötelnembryopathie hier als die gefürchtetste Virusinfektion gilt. Das Congenital Rubella Syndrome ist gekennzeichnet durch die Trias Taubheit, Katarakt und Herzfehler, wobei auch andere Beeinträchtigungen wie Blindheit, Autismus und geistige Behinderung auftreten können. Vor der 18. Schwangerschaftswoche wirken Rötelnviren teratogen und können zur Infektion des Ungeborenen während des Stadiums der Organogenese führen. Häufigkeit und Schwere hängen dabei vom Infektionszeitpunkt ab: Bis zur achten Schwangerschaftswoche liegt das Risiko bei 90 Prozent und sinkt bis zur 17. Schwangerschaftswoche auf zehn Prozent ab. Im November 2017 hat sich eine Schwangere bei einem Aufenthalt in Südafrika in der vierten bis fünften Schwangerschaftswoche infiziert. Sie war nur einmal MMR geimpft.   

Da der Mensch das einzige natürliche Reservoir des Rötelnvirus darstellt, kann das Erreichen einer ausreichend hohen Durchimpfungsrate – mit den im Impfplan vorgesehenen zwei MMR-Impfdosen – die Viruszirkulation unterbrechen und das Virus eliminieren, wie es das erklärte Ziel der WHO vorsieht.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2021