Kurz und Informativ: Medizinische Kurzmeldungen

27.09.2021 | Medizin

Mit Nasenknorpel gegen Arthrose

Eine aus Zellen der Nasenscheidewand gezüchtete Knorpelschicht erhielten zwei Patienten, die aufgrund einer Fehlstellung an schwerer Arthrose litten. Die 36-jährige Frau und der 34-jährige Mann hatten 14 Monate nach dem Eingriff weniger Schmerzen und wiesen eine verbesserte Gelenksfunktion auf. Vorausgegangen war ein Versuch, bei dem Forscher um Prof. Ivan Martin von der Abteilung für Biomedizin vom Universitätsspital und der Universität Basel Schafen mit Arthrose Knorpelzellen aus der Nase ins Knie verpflanzten. Das gezüchtete Gewebe erwies sich als robust; Entzündungsreaktionen traten nicht auf. Die Forscher führen das teilweise darauf zurück, dass Nasenknorpelzellen den bei Arthrose chronisch überaktivierten molekularen Signalweg herunterregulieren. Die Bewertung der Behandlung müsse nun in vertieften klinischen Studien bestätigt werden, so die Forscher. APA/Science Translational Medicine

Bakterien schädigen Hirn von Frühchen

Klebsiella-Bakterien im Darm von früh geborenen Babys erhöhen das Risiko für Gehirnfehlentwicklungen in den ersten 28 Tagen. Auch Gamma-Delta-T-Immunzellen sind daran beteiligt, erklärt Lukas Wisgrill von der Klinischen Abteilung für Neonatologie, Intensivmedizin und Neuropädiatrie der Medizinischen Universität Wien. „Unsere Daten zeigen, dass ein übermäßiges Wachstum von Klebsiella und damit verbunden erhöhte Werte von Gamma-Delta-T-Zellen Hirnschädigungen verschlimmern können.“ Diese Muster zeigten sich oft noch vor den Veränderungen im Gehirn, ergänzt David Berry vom Zentrum für Mikrobiologie um Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien. Nach Ansicht der Wissenschafter eröffne sich damit ein kritisches Zeitfenster, in dem Hirnschäden von extremen Frühchen künftig vielleicht vermieden oder eine Verschlechterung verhindert werden könne. APA/Cell Host and Microbe

30 Sekunden

von Mozarts Sonate in D-Dur für zwei Klaviere KV 448 kann Epileptikern, die auf Medikamente nicht ansprechen, Erleichterung bringen. Am stärksten zeigten sich die Auswirkungen im rechten und linken präfrontalen Kortex, der mit Emotionalität zusammenhängt, so Robert Quon von der Geisel School of Medicine at Dartmouth (USA). APA/Scientific Report

Rückschlag bei HIV-Impfstoff

Die Imbokodo-Studie, im Zuge derer ein Impfstoffkandidat gegen das HI-Virus getestet wurde, musste abgebrochen werden. Grund dafür ist die geringe Wirksamkeit von nur 25 Prozent. An der im Jahr 2017 begonnenen Studie nahmen 2.600 Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren in Malawi, Mosambik, Sambia, Simbabwe und Südafrika teil. Sie erhielten entweder ein Placebo oder den von Johnson & Johnson entwickelten Wirkstoffkandidaten; außerdem Prep-Arzneimittel, um eine HIV-Infektion zu verhindern. Das Ergebnis: In der Placebo-Gruppe infizierten sich 63, in der Wirkstoffgruppe 51 Personen. Das Unternehmen will die Erkenntnisse in die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes einfließen lassen. APA

COVID-19: Gen als Risiko für schweren Verlauf

Ein Subtyp des Humanen Leukozytenantigen-Systems (HLA) scheint mit einem schweren COVID-19-Verlauf einherzugehen. Das fand ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Charité Berlin heraus. Es untersuchte das HLA-System von 435 Patienten über 18 Jahren aus Deutschland, Spanien, der Schweiz und den USA. Die Patienten hatten teilweise einen milden, teilweise einen schweren Verlauf. Das Ergebnis: Träger mit der Genvariante HLA-C*04:01 hatten bei einer SARS-CoV-2-Infektion ein doppelt so hohes Risiko, maschinell beatmet zu werden. Damit biete sich die Möglichkeit, Patientengruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu identifizieren. APA/EClinicalMedicine

Künstliche Intelligenz identifiziert autistische Kinder

Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, Autismus-Symptome bei Kindern frühzeitig zu erkennen. Ein eigens entwickelter Algorithmus eines Forscherteams um Prof. Marie Schaer von der Universität Genf analysiert anhand von Videosequenzen die Bewegungen von Kindern, die mit Erwachsenen spielen. Die Forscher testeten ihre Methode an jeweils 68 Kindern unter fünf Jahren mit und ohne Autismus. Das Ergebnis: Bei einem einstündigen Video erfolgte durch künstliche Intelligenz in vier von fünf Fällen eine Autismus-Klassifizierung; bereits bei einem zehn-minütigen Videomaterial lag die Genauigkeit bei 70 Prozent. Die Ergebnisse konnten bei 101 autistischen Kindern wiederholt werden. Nun soll eine Anwendung entwickelt werden, die eine solche Analyse mit Hilfe eines zehnminütigen Smartphone-Videos ermöglicht. APA/Scientific Reports

Enterobakterien: Resistenz gegen Aztreonam/Avibactam

In einer Überwachungsstudie zu hochresistenten Erregern in Hessen haben Wissenschafter im Zuge einer Genanalyse Enterobakterien gefunden, die gegen die Wirkstoff-Kombination Aztreonam/Avibactam resistent sind. Trinad Chakraborty vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Gießen ist das „Besorgnis erregend“, da diese Wirkstoff-Kombination dort noch nicht klinisch eingesetzt werde. Die Kombination von Aztreonam mit Avibactam soll die Resistenz gegen Carbapeneme aufheben und so Entero bakterien wieder angreifbar machen. APA/Antimicrobial Agents and Chemotherapy

Sport lindert Anämie bei Krebs

Sport verhindert den Tumor-bedingten Abbau von Erythrozyten durch Phagozyten und normalisiert die Blutbildung. Dies konnten Forscher um Prof. Christoph Handschin vom Biozentrum der Universität Basel bei trainierenden, krebskranken Mäusen nachweisen. Die Müdigkeit ging zurück, das Leistungsvermögen und der Bewegungsdrang nahmen zu, was die Wissenschafter als Zeichen für gesteigertes Wohlbefinden interpretieren. Medikamentöse Therapien linderten die Anämie nicht. Infolge einer onkologischen Therapie entwickeln drei von vier Patienten eine Anämie. Sollten sich die Ergebnisse aus den Tierversuchen auf Menschen mit Krebs übertragen lassen, könnte sich Sport auf die Lebensqualität und möglicherweise positiv auf das Überleben der Patienten auswirken. APA/Science Advances

APRIL hemmt Entstehung von Atherosklerose-Plaques

Bei Mäusen, die APRIL (A Proliferation Inducing Ligand) nicht exprimieren, kann es zu Atherosklerose kommen. Denn APRIL schützt durch seine Eigenschaft, Proteoglykane zu binden, vor der Entstehung von atherosklerotischen Plaques, wie ein Forscherteam der Medizinischen Universität Wien, der Universität Lausanne und der University of Cambridge konnten im Tiermodell zeigen konnten. Erstautor Dimitros Tsiantoulas von der MedUni Wien: „APRIL bindet an Immunrezeptoren, die an der Oberfläche von B-Lymphozyten exprimiert werden. Dadurch reguliert es Produktion von Antikörpern und Überleben von Antikörper-produzierenden Zellen“. APRIL wird außerdem in den Gefäßen selbst produziert, wo es das Proteoglykan Perlecan in der Gefäß-Innenwand bindet und so die Ablagerung von LDL-Cholesterin verhindert. Laut Tsiantoulas könnte die Entwicklung von Therapien, die die Bindung von APRIL an Proteoglykane erhöhen, einen neuen Ansatz für die Behandlung von atherosklerotischen Herz-/Kreislauf-Erkrankungen darstellen. APA/Nature

Plasma spenden hilft

Weltweit werden jährlich mehr als 61 Millionen Liter Plasma gewonnen, die u.a. für die Herstellung von Immunglobulinen dienen. Aufgrund von neuen Indi­kationen steigt in den letzten Jahren die Nachfrage nach Blutplasma, während die Bereitschaft zur Plasmaspende sinkt. Auch hier zeigt SARS­-CoV­-2 Auswirkungen: Die Pandemie hat sich nicht nur signifikant auf die Verfügbarkeit von Plasma ausgewirkt, sondern aufgrund der umfassenden Sicherheitsmaßnahmen auch auf die Betreuungsqualität der Betroffenen. In Österreich werden pro Jahr rund 500.000 Liter Plasma gespendet sowie vier Millionen Liter Plasma zu Arzneimitteln verarbeitet. Zwi­schen sechs und zwölf Monaten dauert der Herstellungsprozess vom Zeitpunkt der Plasmaspende bis zum fertigen Plasmapräparat. Jede Charge aus menschlichem Blutplasma wird einerseits im herstellenden Betrieb und andererseits auch zusätzlich behördlich geprüft und freigegeben. So hat sich beispielsweise die Zahl der Chargen in den Kontroll­Labors in den vergangenen zehn Jahren um 150 Prozent erhöht. Damit Blutplasmapräparate in den Erstat­tungskodex aufgenommen werden, werden Arzneimittel, die auf Blutplasma basieren, pharmakologisch, medizinisch­therapeutisch und gesundheitsökonomisch evaluiert.

Quelle: Pharmig Academy

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 /25.09.2021