Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

15.07.2021 | Medizin

Astrozyten beeinflussen Blutdruck bei Adipositas

Forscher um Prof. Cristina García­Cáceres vom Institut für Diabetes und Adipositas am Helmholtz Zentrum in München entdeckten, dass es bei adipösen Mäusen ohne Leptin nicht zur Hypervaskularisierung des Hypothalamus kommt. Je höher der Leptin­Spiegel – er steuert das Hunger­ und Sättigungsgefühl –, desto stärker kurbelten Astrozyten das Wachstum der Gefäße an. Die Forscher konnten auf diese Weise nachweisen, dass Leptin für die Verdichtung der Gefäße im Hypothalamus verantwortlich ist und dieser Prozess über Astrozyten angestoßen wird. „Wir liefern einen Paradigmenwechsel im Verständnis, wie der Hypothalamus den Blutdruck bei Adipositas kontrolliert“, betont Erst­Autor Tim Gruber. Bislang konzentrierte sich die Forschung primär auf Neuronen. In der Folge wird man sich mit der Frage beschäftigen, wie Astrozyten mit Neuronen kommunizieren. Nature Reviews Endocrinology

Diabetes-­Remission durch Low Carb­-Diät

Eine Low Carb-Diät könnte zur Remission eines Typ 2­-Diabetes (HbA1c von 6,5 Prozent) führen. Das zeigen die Ergebnisse einer Metaanalyse von 23 Studien mit 1.357 Probanden, die übergewichtig oder adipös waren sowie an Typ 2­Diabetes litten. Dabei zeigte sich nach sechs Monaten „geringer“ beziehungsweise „sehr geringer“ Kohlenhydrataufnahme bei 58 Prozent eine Remission; bei einer fettreduzierten Diät war dies lediglich bei 32 Prozent der Fall. Die Limitationen: Derzeit gibt es weder für „gering“ noch „sehr gering“ eine eindeutige Definition. Je nach Quelle wird ein ‚geringer‘ Anteil mit weniger als 26 bis 45 Prozent der täglichen 2.000 Kalorien angegeben; ein ‚sehr geringer‘ mit weniger als zehn bis weniger als 26 Prozent. Die Ketogenese ist erst bei einem Kohlenhydrat­Anteil von weniger als zehn Prozent der täglichen Kalorien möglich. BMJ

500.000 Corona-­Tote

beklagt Brasilien seit Beginn der Pandemie; noch mehr Todesfälle verzeichneten lediglich die USA. Allein in diesem Jahr starben mehr als 303.000 Brasilianer an den Folgen einer Corona-Infektion. APA

Augentropfen aus Eigenblut

Augentropfen aus Eigenblut können gegen trockene Augen helfen – speziell nach Transplantationen, wenn es zu einer Graft­versus­Host­Reaktion kommt, berichten Forscher um Robert Offner von der Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Regensburg. Serum­Augentropfen werden aus dem Blut der Betroffenen gewonnen; als Wirkstoffe gelten Wachstumsfaktoren des Blutserums, die primär aus Blutplättchen und weißen Blutzellen stammen. Ist der Patient für die Eigenblutentnahme geeignet, werden 450 ml Vollblut entnommen, getestet und aufbereitet. Durch mehrfache Zentrifugation wird das Serum vom Blutkuchen getrennt und in Applikatorensets steril aufgeteilt. Drei bis vier Vollblutentnahmen könnten den Jahresbedarf an Augenserumtropfen für eine Person decken. Besonders bei Leukämie­ oder Lymphom­Patienten kann es nach einer allogenen Stammzelltransplantation zu Abstoßungsreaktionen kommen; im schlimmsten Fall ist auch die Hornhaut betroffen und es kann zur Erblindung führen. esanum

Gefährliche Chemikalien in Plastik

Als potentiell besorgniserregend gelten knapp 2.500 Chemikalien in Plastik. Viele davon sind kaum untersucht und die Hälfte nicht ausreichend reguliert, wie ein Forscherteam um Helene Wiesinger von der ETH Zürich berichtet. Dafür kategorisierten die Forscher sämtliche für den Weltmarkt zugelassenen Kunststoff­Monomere, Zusatzstoffe und Hilfs mittel nach Verwendung und Gefährdungspotential. Sie stießen dabei auf 10.500 Chemikalien in Plastik für Verpackungen, in Textilien und Spielzeugen. Davon ist knapp ein Viertel nicht abbaubar, reichert sich in Organismen an oder ist toxisch. „Häufig sind diese Stoffe für Wasserlebewesen giftig, verursachen Krebs oder schädigen bestimmte Zielorgane“, sagt Wiesinger. 901 gefährliche Substanzen sind in den USA, der EU und Japan für die Verwendung in Kunststoffen mit Lebensmittelkontakt zugelassen; für zehn Prozent fehlen wissenschaftliche Studien. APA/Environmental Science & Technology

Akustikusneurinom: frühe Operation bewahrt Hören

Bei kleinen Akustikusneurinomen können neue Techniken und das Monitoring während der Operation zu einer Hörerhaltungsrate von bis zu 83 Prozent führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine retrospektiven Studie des Teams um Univ. Prof. Karl Rössler von der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien und der Universität Erlangen. Die Forscher untersuchen 138 Patienten, denen zwischen 2014 und 2017 Akustikusneurinome entfernt wurden. Karl Rössler dazu: „Die Angst, postoperativ das Gehör zu verlieren, gehört zumindest für kleine Neurinome der Vergangenheit an.“ Voraussetzung dafür ist jedoch die frühe Abklärung von Hörstörungen, um Neurinome im frühen Stadium zu operieren. MedUni Wien/Otolaryngology-Head and Neck Surgery

Parodontitis fördert Demenz­-Risiko

Die Behandlung der Parodontitis zeigt einen moderaten bis starken Effekt auf den Verlust der Gehirnsubstanz. Diesen Zusammenhang konnten Forscher um Christian Schwahn von der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Alterszahnheilkunde und medizinischer Werkstoffkunde der Universität Greifswald in einer Studie von 177 parodontal behandelten Patienten und 409 unbehandelten Teilnehmern nachweisen. Als Indikator für einen beginnenden M. Alzheimer zogen sie MRT­Daten heran und glichen sie mit Daten der US­amerikanischen Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative ab. Dazu verwendeten die Wissenschafter erst kürzlich entwickelte statistische Modelle. „Diese ermöglichen es, eine kontrollierte klinische Studie zu simulieren, indem verfügbare Daten von behandelten Patienten und unbehandelten Erkrankten zusammengeführt werden“, erläutert Schwahn. Alzheimer’s & Dementia

Extraluminale Valvuloplastie gegen Varizen

Künftig könnte bei der Behandlung von Varizen die extraluminale Valvuloplastie anstelle von Laser, Radiowellen oder Stripping zum Einsatz kommen. Ein Forscherteam um Dominic Mühlberger von der Gefäßchirurgie an der Ruhr­Universität Bochum am St. Josef Spital testete das Verfahren im Rahmen einer Multicenter­Studie. Dabei wird um die erweiterte Vene ein Mantel aus hauchdünnem Polyurethan gelegt, der wie ein innerer Kompressionsstrumpf wirkt; der Zugang erfolgt über die Leiste. Bei mehr als 95 Prozent der Patienten konnte das Verfahren erfolgreich eingesetzt werden. Den großen Vorteil dieser Methode sieht Mühlberger darin, dass „im Gegensatz zu den radikalen Therapieverfahren die Stammvene bei der extraluminalen Valvuloplastie erhalten bleibt.“ Die venenerhaltende Methode sollte vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie,  Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen vorliegen. Journal of International Medical Research

Myokarditis durch mRNA-­Impfstoffe

„Wahrscheinlich“ – so schätzen Experten der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) nach Auswertung der bisherigen Daten den Zusammenhang zwischen der Entstehung einer Myokarditis und mRNA­Impfstoffen ein. Dennoch würden die Vorteile die Risiken „deutlich überwiegen“; ein neuer Warnhinweis wurde beschlossen. Hintergrund: Bei 323 Männern unter 30 Jahren kam es innerhalb einer Woche nach der zweiten Dosis zu einer Myokarditis oder Perikarditis. In dieser Altersgruppe wurden bis Mitte Juni dieses Jahres mehr als 50 Millionen Impfdosen verimpft. Damit ist die Zahl der Erkrankungen zwar sehr niedrig, dennoch höher als in dieser Altersgruppe zu erwarten wäre. Derzeit gibt es keinen bestätigten Todesfall. APA

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2021