Interview – Dermatologie: Für Einsteiger und Profis

10.09.2021 | Medizin

Der erstmals in Österreich stattfindende Kongress DERM Alpin richtet sich sowohl an diejenigen, die neu in die Dermatologie einsteigen wollen als auch an die, die an neuesten Entwicklungen interessiert sind. Über die Details informiert einer der Kongress-Leiter und Fachgruppenobmann für Dermatologie in der ÖÄK, Johannes Neuhofer, im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.

Was waren die Gründe, einen länderübergreifenden Kongress für Dermatologie ins Leben zu rufen? In Deutschland hat man bereits gute Erfahrungen mit einem Dermatologie-Kongress gemacht und gesehen, dass dieses Thema auch für Kollegen aus anderen Fachgebieten interessant ist. Die Dermatologie hat sich enorm entwickelt und geht insgesamt immer mehr in die Breite. Rund 25 Prozent der Patienten, die in die Ordinationen eines Allgemeinmediziners kommen, haben dermatologische Fragen. Die Dermatologie ist ja derzeit in der Ausbildung weniger präsent. Viele Allgemeinmediziner haben den Wunsch, zusätzliche Informationen zu erhalten, damit sie auch mit dem Thema umgehen können. Das haben wir zum Anlass genommen und die Kongressthemen entsprechend erweitert. Genauso können Kolleginnen und Kollegen von benachbarten Fachgruppen wie zum Beispiel von der Gynäkologie, der HNO, der Rheumatologie und auch der Plastischen Chirurgie von diesem Kongress profitieren. Wir wollen eine breitere Darstellung von dermatologischen Aspekten bieten.

Was ist das Ziel des Kongresses? Es geht sehr viel um Innovationen, die für die gesamte Medizin Bedeutung haben. Das ist etwas, was DERM Alpin möchte: Viele Fächer in die dermatologische Welt einbeziehen. Das findet sich auch im Format des Kongresses wieder: Es ist ein neuer, interdisziplinärer Kongress, der länderübergreifend stattfindet für den deutschsprachigen Raum, also Österreich, Deutschland, Schweiz und Südtirol. Einen Dermatologie-Kongress in dieser Form hat es bisher noch nicht gegeben: länderübergreifend und fächerübergreifend. Wir hoffen, dass es auch zu einer gewissen thematischen Überlappung bei den einzelnen Fächern kommt und dass alle dann von den gleichen Dingen reden.

Warum sollte man an diesem Kongress teilnehmen? Er bietet Wissen für Allgemeinmediziner, das sie in der Praxis brauchen können: die Grundprinzipien der Dermatologie. Und für Spezialisten gehen wir in die Tiefe mit Vorträgen über neueste Entwicklungen in der Dermatologie. Der Kongress richtet sich also sowohl an die, die in die Dermatologie einsteigen wollen als auch die, die an neuesten Entwicklungen interessiert sind. Es geht um die Basis und um den Feinschliff. Ebenso ist eine Diskussion über Teledermatologie vorgesehen. Dabei sollen gewisse Entwicklungen von namhaften Spezialisten beleuchtet werden.

Um welche Themen wird es dabei konkret gehen? Es gibt Vorträge zu allgemeiner Dermatologie wie zum Beispiel zum Aspekt geriatrische Dermatologie. Es geht aber auch darum, wie man etwa eine Haarsprechstunde etablieren kann. Ein Thema wird die Haut in der Pubertät sein und bei einem anderen Vortrag geht es darum, welchen Stellenwert Hormone ganz generell bei der Haut haben. Wieder ein anderer Vortrag befasst sich ausschließlich damit, inwiefern Adipositas als chronische Erkrankung Relevanz für die Dermatologie hat. Und natürlich werden wir uns auch den verschiedensten Facetten der ästhetischen Dermatologie widmen.

Ist es ein Kongress in Präsenzform oder wird er hybrid abgehalten? Es ist ein rein physischer Kongress. Wir haben uns gedacht: Nach der langen Zeit, in der alle vor dem Laptop gesessen sind, wieder ein persönliches Aufeinandertreffen und eine persönliche Auseinandersetzung zu haben, hat schon seine Vorteile.


KONGRESS DERM Alpin

30. und 31. Oktober 2021, Kongresshaus Salzburg

Details und Anmeldung: www.derm-alpin.com


Was kann man sich von der Teledermatologie erwarten? Die Teledermatologie wird sich sicher noch weiterentwickeln, weil mit den modernen Medien die Möglichkeiten noch vielfältiger werden. Man kann damit zum Beispiel ein Muttermal begutachten, was ja während der Lockdowns der Fall war. Aber man kann eine Veränderung der Haut nicht tasten und ich kann nicht den Menschen und seine Persönlichkeit miteinbeziehen. Ganz anders schaut das zum Beispiel bei Neurodermitis aus. Wenn das ein nervöser Mensch ist, stellt sich die Frage, ob er vielleicht Probleme in der Familie hat oder beruflich. Man kann die Haut nicht getrennt sehen von der Gesamtpersönlichkeit. Das hat ja Sigmund Freud schon gesagt: Die Haut ist das Spiegelbild der Seele. Und mir persönlich ist es wichtig, dass ich einen physischen Kontakt habe und eine direkte Beziehung zum Menschen. Das wird auch in Zukunft so sein: Der direkte Kontakt, die direkte Beziehung zwischen Arzt und Patient ist sinnvoll.

Dermatologie kann man demzufolge nicht telemedizinisch lernen – oder? Dermatologie ist kein Blättern im Bilderbuch. Man kann nicht nur sagen: Das schaut so aus und das so. Man muss sich mit dem ganzen Menschen auseinandersetzen und die Krankheit in den Kontext zur Gesamtpersönlichkeit bringen. Manche Menschen bewerten Bagatelle extrem hoch und andere wieder bagatellisieren krankhafte Veränderungen. Man muss sich selbst ein Bild von dem machen, was der Patient präsentiert und versuchen, die Bedeutung dieses Themas dem Patienten näherzubringen. Das ist zum Beispiel etwas, was über Teledermatologie nur schwer geht. Das ist nur im direkten Arzt-Patienten-Kontakt möglich. Ärztliche Kunst geht nicht über Algorithmen. Ärztliche Kunst geht tiefer.

Wie kann man junge Kollegen motivieren, sich für das Fach Dermatologie zu entscheiden? Die Dermatologie kann eine Geschichte erzählen, die einen oft tief in den Körper und in die Seele blicken lässt. Man hat das Glück, dass man die Haut direkt betrachten kann, ohne dass man irgendwelche Instrumente braucht, um Rückschlüsse zu ziehen und oft auch keine weitere Abklärungen braucht, um dann die Erkrankung zu diagnostizieren. Das ist etwas, was Faszinierend ist.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 /10.9.2021