HNO-Kongress 2021: Im Gleichgewicht

10.09.2021 | Medizin

Altersspezifische Erkrankungen – vor allem der Hör-, Gleichgewichts- und Schluckfunktionen – gewinnen an Relevanz. Nicht nur das: Künftig muss auch der Schwindel bei Kindern verstärkt adressiert werden.
Manuela-C. Warscher

Altersspezifische Hör-, Gleichgewichts- und Schluckstörungen gewinnen neben Kopf-/Hals-Tumoren zusehends an wissenschaftlicher und therapeutischer Relevanz. Dennoch bleibt die Dunkelziffer beim Altersschwindel weiterhin sehr hoch, da dieser und auch die Gangunsicherheit häufig als unspezifische Begleiterscheinungen des Alterns abgetan werden. Doch bei fast einem Drittel der über 70-Jährigen schränkt Schwindel – Studien zufolge – die Alltagsaktivitäten erheblich ein. Ursachen sind neben Arznei-mittelinduziertem Schwindel meist periphere sensorineurale Probleme oder zentrale Störungen. „Eine ursachenspezifische Therapie wie körperliches Training bei Sarkopenie oder Befreiungsmanöver bei Lagerungsschwindel sind in den überwiegenden Fällen äußerst effektiv“, sagt Univ. Prof. Patrick G. Zorowka vom Department für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck. Daher liege auch der Fokus der HNO-Therapien zumeist auf dem Funktionserhalt, der Verbesserung und Wiederherstellung der Organe. Diese Themen stehen im Mittelpunkt des diesjährigen HNO-Kongresses Ende September in Innsbruck.

Altersschwerhörigkeit und Depression

Zwischen Altersschwerhörigkeit und depressiven Symptomen, kognitiven Einbußen sowie und erhöhter Mortalität gibt es einen Zusammenhang; auch ein erhöhtes Sturzrisiko ist nachgewiesen, so die rezente Literatur. Dank neuester Technologien bei Hörsystemen und Hörimplantaten können heute beinahe alle Formen von Hörstörungen erfolgreich korrigiert werden. „Sie ermöglichen sogar bei angeborener Gehörlosigkeit eine reguläre Hör- und Sprachentwicklung beziehungsweise nach Ertaubung eine weitestgehende Rehabilitation der Hörfunktion.“ Die alleinige Gabe von hochdosiertem Kortison verzeichnet aktuell – so Zorowka – Erfolge beim akuten idiopathischen Hörverlust. „Infusionen können nach der Einstellung beim HNO-Arzt durch den niedergelassenen Allgemeinmediziner weiter verabreicht werden.“ Bei ungenügendem Ansprechen kann auf eine intratympanale Glukokortikoid-Applikation zurückgegriffen werden.

Obwohl etwa jeder zehnte geriatrische Patient an einer Dsyphagie leidet, wurde sie über „lange Zeit zu wenig betrachtet“ und führte daher häufig „zu vital gefährdenden Komplikationen“, erläutert Zorowka. Mittlerweile können jedoch Früherkennungsverfahren und die weiterentwickelte Diagnostik das Risiko einer Aspirationspneumonie „reduzieren beziehungsweise minimieren“. Auch bei Hals-Kopf-Tumoren wird dank weniger radikaler Operationstechniken die Schluckfunktion weitgehend erhalten, wie generell die Überlebensraten bei diesen Tumoren sowohl in der älteren als auch jüngeren Patientengruppe in den letzten Jahren signifikant gestiegen ist. Dazu hat neben einem „zurückhaltenderen onkologischen Behandlungsverfahren“ vor allem auch das Wissen um oropharyngeale Infektionen mit dem humanen Papillomavirus als Ursache von Tumorformen beigetragen.

Gleichgewichtsdiagnostik bei Kindern

Bei Gleichgewichtsstörungen im Kindesalter hat man lange Zeit die Ansicht vertreten, in dieser Altersgruppe keine aussagekräftige Gleichgewichtsdiagnostik durchführen zu können. „Besonders bei Kindern mit angeborener hochgradiger Schwerhörigkeit wurde die Überprüfung der Gleichgewichtsfunktion vernachlässigt. Dabei befinden sich wesentliche Strukturen des Gleichgewichtsorgans auch im Innenohr“, bestätigt Zorowka. Die Fortschritte in der Gleichgewichtsdiagnostik ermöglichen daher auch ein gezielteres Gleichgewichtstraining von Kindern. Obgleich Kinder bis zu zwölf Mal pro Jahr an Infektionen des oberen Respirationstraktes, des Mittelohrs und Gastrointestinaltraktes erkranken können, sind nur bei einem Drittel der Infektionen der Gaumenmandeln bakterielle Erreger die Ursache. Die Indikationen für eine Tonsillektomie wurde vor einigen Jahren in einer Leitlinie festgelegt.


HNO-KONGRESS 2021

Der 65. HNO-Kongress findet vom 22. bis 26. September 2021 im Congress Innsbruck statt.

Das Programm steht unter www.hno.at/hno-kongress-2021/ zum Download zur Verfügung.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 /10.9.2021