Ernährungsmedizin: Zu hoher Salzkonsum

10.03.2021 | Medizin


Bis zu 75 Prozent des Salzes in Europa werden laut WHO über verarbeitete Lebensmittel konsumiert. Während der Salzkonsum bei vielen Menschen keine große Rolle spielt, sind Personen, die an Hypertonie leiden, Salz-sensitiv und reagieren oft auf den geänderten Salzkonsum.
Laura Scherber

Es wird ganz deutlich zu viel Salz mit der Nahrung aufgenommen – in diesem Punkt herrscht weitgehend Konsens in der Ernährungsmedizin. Empfohlen wird, eine Menge von sechs Gramm Kochsalz beziehungsweise 2.400 Gramm Natrium pro Tag nicht zu überschreiten. „Das Wichtigste ist sicher der Bluthochdruck, der viele schwerwiegende Folgen wie Herz- und Nierenerkrankungen, Schlaganfälle oder Augenerkrankungen nach sich zieht“, betont Univ. Prof. Thomas M. Stulnig von der 3. Medizinischen Abteilung der Klinik Hietzing in Wien. In Deutschland geht man von einer täglichen Kochsalzzufuhr von zehn Gramm pro Tag aus, was einer 80-prozentigen Überschreitung der empfohlenen Aufnahme entspricht. Für Österreich nimmt man ähnliche Werte an. Jedoch wird im österreichischen Ernährungsbericht aus methodischen Gründen die Kochsalzzufuhr eher unterschätzt. „Im Sinne einer Gesundheitsförderung würde man eigentlich wollen, dass die Leute unter fünf Gramm Kochsalz zu sich nehmen, so, wie es die WHO empfiehlt“, berichtet Stulnig. In der Nephrologie ist Salz ein besonderes Thema – speziell bei Dialysepatienten. „Wenn wir sehen, dass Patienten innerhalb weniger Tage zu viel Gewicht durch eine gesteigerte Wasseraufnahme zunehmen, sollte die Salzzufuhr unbedingt reduziert werden“, erklärt Priv. Doz. Peter Krisper von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz. Allerdings sollte man sich erfahrungsgemäß nicht allzu viel von der diätetischen Maßnahme erwarten, da in der Regel Saluretika eingesetzt werden müssten.

Der überwiegende Anteil der Salzzufuhr erfolgt grundsätzlich über verarbeitete Lebensmittel. Allerdings handelt es sich dabei nicht immer nur um die klassischen Fertigprodukte. Wichtige Salzquellen sind Brot und Bäckereiprodukte, Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukte sowie salziges Knabbergebäck. „Die Schwierigkeit ist, dass Salz ein weit verbreiteter Nahrungsbestandteil ist, mehr oder minder ubiquitär vorkommt und damit praktisch in jeder Mahlzeit, die wir zu uns nehmen, enthalten ist“, betont Krisper. Vielen sei der hohe Salzgehalt bestimmter Lebensmittel auch gar nicht bewusst. So stelle Brot mit ungefähr 25 Prozent der Salzzufuhr beispielsweise eine der Hauptsalzquellen dar.

Eine Herausforderung stellt die Kontrolle und Messung einer akkuraten Salzzufuhr dar. So hat sich gezeigt, dass die genaue Dokumentation im Rahmen von Essensprotokollen praktisch nur schwer umsetzbar ist. „Wir machen uns daher zunutze, dass es ein Gleichgewicht ist und messen die Natriumausscheidung aus dem 24h-Harn, um Rückschlüsse auf die Kochsalzzufuhr zu ziehen“, erklärt Krisper. Die Natriumausscheidung sollte unter 100 Millimol pro Tag betragen, was dividiert durch 17 die sechs Gramm Kochsalz ergebe. Der Vorteil dieser Methode sei ihre gute Praxisrelevanz. Sie biete aber eher „einen guten Anhaltspunkt“, da die Natriumausscheidung nicht nur von der Kochsalzzufuhr abhängt und über mehrere Tage zu Schwankungen tendiert.  

„Der Effekt einer empfohlenen Kochsalzrestriktion ist meist nicht so groß, wie wir uns das wünschen würden“, berichtet Krisper. Da es sich um eine Frage der Gewohnheit handle, sei es für viele besonders schwer, beim Essen auf Salz zu verzichten. Dabei kann man sich Stulnig zufolge an eine salzärmere Diät per se relativ schnell gewöhnen. „Wenn man wenige Wochen salzärmer isst, dann schmeckt das am Anfang vielleicht schlecht und fad, nach einigen Wochen allerdings genauso gut wie vorher“, weiß der Experte. Gleichzeitig habe man aber den gesundheitlichen Nutzen durch einen geringeren Salzkonsum.

Gewürze und Kräuter statt Salz

Vor dem Kauf von verarbeiteten Lebensmitteln empfiehlt es sich, die Nährstofftabelle und dabei insbesondere den Natriumgehalt zu kontrollieren. Kocht man hingegen selbst, kann man Salz einsparen, indem man stattdessen Gewürze und Kräuter zum Würzen verwendet. „Es ist ganz wichtig, dass man nicht nachsalzt. Viele Menschen greifen schon ganz automatisch zum Salzstreuer, sobald man ihn auf den Tisch stellt, ohne das Essen überhaupt gekostet zu haben“, führt Stulnig weiter aus. Die Gefahr, durch eine zu restriktive Salzzufuhr eine Unterversorgung zu erreichen, sei praktisch nicht gegeben. Zwar gebe es die offizielle Untergrenze von 1,3 Gramm Kochsalz (500 Milligramm Natrium) pro Tag; jedoch werde diese in der Regel in Österreich nicht annähernd erreicht. Umso relevanter seien die positiven Effekte einer bestimmten Blutdrucksenkung, mit der zum Beispiel Schlaganfälle nachgewiesenermaßen deutlich reduziert würden. „Während der Salzkonsum bei vielen Menschen keine große Rolle spielt, sind Personen mit Bluthochdruck typischerweise Salz-sensitiv und reagieren oft auf den geänderten Salzkonsum“, so der Experte.

Wird aktiv eine Salzrestriktion der Bevölkerung empfohlen, sei der folgende Aspekt nicht außer Acht zu lassen: die adäquate Jodzufuhr. Diese wird in Österreich durch die Jodierung von Salz verbessert. Wird die Salzzufuhr nun flächendeckend reduziert, müssen bei der Jodierung entsprechende Anpassungen nach oben durchgeführt werden, um der Entwicklung von Strumen vorzubeugen. Eine generelle Empfehlung einer Salzrestriktion in der Allgemeinbevölkerung sieht Krisper kritisch: „Für Herz-Patienten, Hypertonie-Patienten und Nieren-Patienten ist das natürlich Standard. Einem Gesunden eine salzarme Ernährung zu empfehlen: dafür gibt es allerdings keine Evidenz und das würde ich auch nicht machen.“ Durch die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems könne es langfristig durchaus zu Nebenwirkungen kommen. Eine Handhabung in Richtung „so wenig Salz wie möglich“ für alle Bevölkerungsgruppen sei dem Experten zufolge daher nicht die Lösung.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2021