COVID-19: Aussagekraft von Antikörper-Tests

11.10.2021 | Coronavirus, Medizin

Über die Frage, wie viele Antikörper man braucht, wird viel diskutiert. Bisher konnte noch keine bestimmte Antikörperhöhe definiert werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit einen Schutz vor einer Infektion vorhersagt. Ein Antikörpertest vor einer Impfung wird vom Nationalen Impfgremium nicht empfohlen.

COVID-19-Antikörper-Tests sollen nachweisen, ob sich zum Abnahmezeitpunkt spezifische Anti-SARS-CoV-2-Virus-Antikörper im Blut befinden. Ein positiver Antikörper-Test bei nicht geimpften Personen bedeutet, dass der Körper Kontakt mit dem Virus hatte. Im Rahmen einer Infektion werden verschiedene Antikörperklassen (IgM-, IgA- und IgG-Antikörper) gegen verschiedene virale Proteine (zum Beispiel Nukleoprotein, Oberfächen-Spikeprotein) gebildet, deren zeitliche Abfolge nach Infektion unterschiedlich ist. IgG-Antikörper werden erst im späteren Infektionsverlauf, meist zehn bis 14 Tage nach einer Infektion, gebildet und typischerweise zur Immunitätsbestimmung herangezogen. Allerdings gibt es noch kein definiertes Schutzkorrelat für das individuelle Ausmaß und die Dauer der Immunität.

Wie viele Antikörper braucht man? „Diese Frage stellen wir uns täglich. Antikörper-Testungen werden auch international viel diskutiert“, berichtet Univ. Doz. Maria Paulke-Korinek vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz; sie ist auch Mitglied im Nationalen Impfgremiums. „Wichtig sind die Virus-neutralisierenden Antikörper, die mittels echtem Neutralisationstest oder einem NT-Korrelat erhoben werden. Jedoch gibt es zwischen den einzelnen Testformaten große Unterschiede. Zudem konnte noch kein Schutzkorrelat, also eine bestimmte Antikörperhöhe, definiert werden, das mit großer Wahrscheinlichkeit einen Schutz vorhersagt. Weiters spielt gerade bei Virusinfektionen die zelluläre Immunität eine wichtige Rolle, die so nicht gemessen wird.“ Es gibt noch zu wenig aussagekräftige Daten darüber, die abschließend beurteilen lassen, welche Antikörperspiegel für wie lange einen wirksamen Schutz gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 bieten. Abgesehen davon, dass die Immunität bei respiratorischen Viruserkrankungen komplex ist und zum Beispiel auch IgA-Antikörper im Speichel lokal für die akute Abwehr eine große Rolle spielen, kommt die Problematik mit immer wieder neu auftretenden Virusvarianten hinzu, bei denen ein möglicher Schutz abgeschwächt sein kann. Ähnlich ist dies bei Influenza, denn auch hier ist noch kein Schutzkorrelat international definiert und anerkannt.

Virus-Varianten und deren Auswirkung

Die Entwicklung von Varianten beziehungsweise Mutationen ist bei Viren ein natürlicher Prozess. „Aber es ist wichtig zu wissen, wo im Virus diese Veränderungen stattfinden und welche Auswirkungen diese mit sich bringen. Derzeit werden in Österreich die zirkulierenden Viren genauestens überwacht und analysiert,“ erklärt Univ. Prof. Heidemarie Holzmann vom Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien; sie ist ebenfalls Mitglied im Nationalen Impfgremium. Die derzeit verfügbaren Impfstoffe bewirken im menschlichen Körper die Produktion einer Vielzahl an neutralisierenden Antikörpern, die gegen das Spike-Protein, ein Oberflächenprotein, gerichtet sind. Man geht davon aus, dass die Abwehr auch gegen andere Virusvarianten umso effektiver ist, je höher die Antikörper-Spiegel sind. Dies ist bei der derzeit vorherrschenden Delta-Variante von besonderer Bedeutung.

Antikörper- und Titerbestimmungen

Eine Antikörperbestimmung soll nicht als Entscheidungsgrundlage vor einer COVID-19-Impfung durchgeführt werden. In groß angelegten Zulassungsstudien wurden sowohl seropositive als auch seronegative Studienteilnehmer eingeschlossen. In beiden Gruppen wurde kein Unterschied hinsichtlich der Sicherheit der Impfstoffe beobachtet. Ein Antikörpertest ist vor einer Impfung somit weder sinnvoll noch erforderlich und wird vom Nationalen Impfgremium auch nicht empfohlen.

Sollte dennoch ein positiver Test auf neutralisierende Antikörper vorliegen, empfiehlt das Nationale Impfgremium nur eine Impfung (ab circa vier Wochen nach Infektion oder Genesung). Es handelt sich dabei um eine Off-Label-Anwendung, die möglich ist und von guter Aufklärung und Dokumentation begleitet werden sollte,“ erläutert Paulke-Korinek. „Auf Wunsch sollte dennoch eine zweite Dosis nicht vorenthalten werden.“ Dieses Schema entspricht der Zulassung und wird im internationalen Reiseverkehr oft gefordert. Bei einer zweimaligen Impfung kann eine erhöhte Rate an Impfreaktionen bei Genesenen nicht ausgeschlossen werden. Wenn Genesene nur eine Impfung erhalten haben, ist längerfristig eine weitere Impfung sechs bis neun beziehungsweise neun bis zwölf Monate nach der Vorimpfung empfohlen, und zwar entsprechend dem Vorgehen, nach dem für Personengruppen mit zwei Dosen eine dritte Impfung empfohlen ist.

Das Nationale Impfgremium rät davon ab, routinemäßig bei immunkompetenten Personen Antikörper zur Impferfolgskontrolle zu bestimmen, da es kein definiertes Schutzkorrelat gibt und eine individuelle Aussage über die Dauer der Immunität nicht möglich ist. In Einzelfällen (beispielsweise Personen, bei denen eine unklare immunologische Reaktionsfähigkeit auf eine Impfung besteht, wie Transplantierte, onkologische oder hämatologische Patienten) kann (frühestens) vier Wochen nach der Impfung eine Antikörperbestimmung mit einem validierten Antikörpertest (Neutralisationstest (NT) oder NT-Korrelate) sinnvoll sein, um ein Ansprechen auf die Impfung zu überprüfen. Sollten frühestens vier Wochen nach Abschluss der vollständigen Impfserie keine S1-Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar sein, wird eine weitere Impfung (off-label) mit dem jeweils verfügbaren Impfstoff empfohlen. Hier handelt es sich jedoch um Ausnahmen.

Weiterführende Information:
Anwendungsempfehlung des Natio nalen Impfgremiums unter
https://www.sozialministerium.at/Corona-Schutzimpfung/Corona-Schutzimpfung—Fachinformationen.html

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2021