COPD und Diabetes mellitus: Wechselseitig negativer Einfluss

25.02.2021 | Medizin


Bis zu 25 Prozent der COPD-Patienten erkranken auch an Diabetes mellitus. Dieser sollte frühzeitig diagnostiziert werden – jedenfalls vor Beginn einer Kortison-Therapie. Bei COPD-Patienten sollte vorab der HbA1c sowie der Nüchtern-Blutzuckerspiegel gemessen werden.
Laura Scherber

Diabetes mellitus ist eine bedeutende Komorbidität bei COPD, die mit erheblichen Wechselwirkungen einhergehen kann. „Je nach Patientenkollektiv und Schweregrad haben etwa 15 bis 25 Prozent der COPD-Patienten gleichzeitig auch einen Diabetes mellitus“, berichtet Priv. Doz. Bernd Lamprecht von der Klinik für Lungenheilkunde des Kepler Universitätsklinikums in Linz. Bei COPD-Patienten, bei denen das metabolische Syndrom vorliegt, liegt der Prozentsatz sogar bei bis zu 30 Prozent. Beide Erkrankungen können sich gegenseitig negativ beeinflussen: COPD über die charakteristische Atemnot, den daraus oft resultierenden Bewegungsmangel und die Medikation. Bei Diabetes mellitus wiederum die häufig vergesellschafteten Begleiterscheinungen wie Übergewicht, durch das unter Umständen auch die Beweglichkeit der Patienten wiederum eingeschränkt ist und damit auch einen ungünstigen Effekt auf die Atemwegserkrankung hat.

Gemeinsamkeit: Entzündung

Setzt man bei der Pathophysiologie an, werden beide Erkrankungen durch den Entzündungsprozess begleitet, wobei schließlich bei der COPD die neutrophile Inflammation im Vordergrund steht. „Wie man in den letzten Jahren erkannt hat, spielt diese neutrophile Inflammation auch beim Typ 2-Diabetes eine relevante Rolle“, erklärt Lamprecht. Und weiter: „Die Mechanismen sind noch nicht alle geklärt, aber man weiß, dass neutrophile Inflammation jedenfalls auch zelluläre Seneszenz hervorrufen und damit eine größere Bereitschaft für chronische Erkrankungen bedingen kann“. Manifestiert sich die COPD erst einmal richtig, kommt es bei den Betroffenen oft zu einer Abwärtsspirale, indem sie versuchen, die progrediente Belastungsatemnot im Rahmen der COPD zu vermeiden, was in zunehmender körperlicher Inaktivität und Bewegungsmangel resultiert. Die dadurch verschlechterte Stoffwechselsituation fördert gleichzeitig wieder den Diabetes mellitus.

Weitere Wechselwirkungen ergeben sich durch den Einsatz von Kortison-Präparaten, weshalb hier besonderes Augenmerk auf die potentiellen Nebenwirkungen bei der Indikationsstellung gelegt werden muss. „Die COPD wird in vielen Fällen mit Kortikosteroiden behandelt, wobei nicht alle der Patienten diese auch zwingend benötigen“, betont Lamprecht. Besonders problematisch sei es, wenn Kortison in hoher Dosis eingesetzt und zum Beispiel über längere Zeit in peroraler Form gegeben wird, weil die Dosen dann „schnell sehr hoch und nicht zu unterschätzen sind“. Aber auch eine langfristige und hochdosierte inhalative Kortison-Therapie kann das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus erhöhen. „In Studien konnte gezeigt werden, dass Tagesdosen von 500 Mikrogramm oder mehr an inhalativem Kortison das Risiko für Diabetes signifikant erhöhen“, weiß Lamprecht. „Bevor man eine Kortisontherapie startet, sollte man immer auch eine HbA1c-Bestimmung durchführen“, betont Univ. Prof. Martin Clodi von der Abteilung für Innere Medizin vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz. Außerdem solle man gemäß den neuen COPD-Leitlinien ohnehin möglichst wenig Kortikosteoride verwenden: zum einen, weil sich der Diabetes dadurch verschlechtert, zum anderen, weil sich die Kortikosteroidtherapie negativ auf den Knochenstoffwechsel und viele andere Organsysteme auswirkt. „Unglücklicherweise“ (Clodi) gebe es immer wieder Patienten, bei denen im Rahmen der COPD-Diagnose kein Diabetes mellitus vermutet wird; eine anschließende Kortison-Therapie jedoch zu einem sehr starken Blutzuckerspiegelanstieg und zu hohen HbA1c-Werten führt. Deswegen sei die Anamnese immer noch ein wesentlicher Bestandteil in einem Erstgespräch. „Differentialdiagnostisch ist es bei Patienten mit Diabetes und Dyspnoe wichtig, abzuklären, ob es sich um eine Lungenfunktionserkrankung oder um eine kardiale Erkrankung handelt, die mit Diabetes auch sehr häufig assoziiert ist“, führt Clodi weiter aus. Bei COPD-Patienten sei die Überprüfung des HbA1c-Wertes sowie des Nüchtern-Blutzuckerspiegels empfehlenswert. Ein oraler Glucosetoleranz-Test sollte angeschlossen werden, wenn der Blutzuckerspiegel über 100 Milligramm pro Deziliter beziehungsweise der HbA1c-Wert zwischen 5,7 und 6,4 Prozent liegt. Ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel wirkt sich auf alle Organsysteme positiv aus. „Im Gegensatz dazu treiben erhöhte Blutzuckerwerte das Infektgeschehen an und beeinflussen den Verlauf der COPD ungünstig“, resümiert Clodi. Durch die schlechtere Stoffwechseleinstellung erhöhe sich das Risiko für Infektionen und das Auftreten von Exazerbationen bei COPD werde begünstigt. Für die COPD wird laut Lamprecht zweifellos eine Therapie mit den Kortison-freien Bronchodilatatoren benötigt. „Manche COPD-Patienten brauchen aber auch tatsächlich inhalative Kortikosteroide – vor allem jene, die häufig akute Exazerbationen erleiden oder bei denen eine eosinophile Entzündung im Vordergrund steht“, wirft der Experte ein. Andere COPD-Patienten sollten aber aufgrund der beschriebenen Nebenwirkungen möglichst nicht mit inhalativen Kortikosteroiden behandelt werden.

Körperliche Aktivität ist essentiell

Ausreichend Bewegung ist bei beiden Erkrankungen ein bedeutender Einflussfaktor. „Für die Atemwegserkrankungen ist von Vorteil, dass körperliche Aktivität auch ein Training der Atemmuskulatur ermöglicht und damit zu besserer körperlicher Belastbarkeit führen kann“, betont Lamprecht. Gleichzeitig beeinflusse ausreichend Bewegung die Blutzuckereinstellung günstig. Neben der Lebensstilmodifikation – vor allem hinsichtlich des Rauchverhaltens – sei bei der COPD im Idealfall ein Normalgewicht anzustreben. „Bei der Gewichtsabnahme muss man sehr darauf achten, dass man nicht zuerst die Muskelmasse abnimmt, was unter strengen diätetischen Maßnahmen sehr schnell gehen kann“, betont Clodi. Die Ernährung orientiert sich im Wesentlichen an den Erfordernissen des Diabetes mellitus. Auch wenn es manchmal etwas anders beschrieben wird, können Diabetes-Patienten grundsätzlich alles essen. Empfohlen werde klassischerweise weiterhin die mediterrane Kost. „Das Wichtige dabei ist, dass Kohlenhydrate, Proteine und Fette in der richtigen Zusammensetzung zugeführt werden und die Kalorienzahl nicht überschritten wird“, fasst Clodi zusammen.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021