Substitutionstherapie: Spritzen statt schlucken

10.09.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Neue Depotmedikamente in der Substitutionstherapie könnten für viele Patienten deutliche Erleichterungen bringen. Doch die Österreichische Gesundheitskasse steht aus Kostengründen auf der Bremse.

Drei Jahre ist es her, dass das Depotmedikament Buvidal® (Buprenorphinlösung) für Opiatabhängige von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen wurde. Die wöchentliche bzw. monatliche Spritze zur Opiat-Substitution wird in vielen europäischen Ländern verwendet und von den Krankenversicherungen gezahlt. In Österreich müssen allerdings viele Betroffene weiter täglich in die Apotheke, um ihre Tabletten abzuholen. Der Grund: Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) möchte die fünf bis sechsmal so teure Drogenersatztherapie nicht bezahlen, kritisiert die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK): „Leider wird die Patientenversorgung mit Substanzgebrauchsstörungen von der ÖGK sehr stiefmütterlich behandelt“, sagte Norbert Jachimowicz, Leiter des ÖÄK-Referates für Substitutionsangelegenheiten, im Rahmen einer Pressekonferenz. Das sei umso absurder, als das österreichische Parlament die Substitutionsverordnung eben aufgrund der nun verfügbaren subkutan zu applizierenden Depotzubereitung geändert hat, um den Einsatz zu ermöglichen. Was die Kosten betreffe, müsse man auch die Folgekosten berücksichtigen, die etwa bei Missbrauch und Rückfällen entstünden. Zudem verwies Jachimowicz auf die Therapien von Patienten mit Schizophrenie oder bipolarer Störung, die seit Längerem injizierbare Depotpräparate erhalten, die von der ÖGK anstandslos bewilligt würden: „Warum dann nicht auch bei Patienten mit Substanzgebrauchsstörungen?“

Integration in den Arbeitsalltag

Die Zahl der Betroffenen sei zudem überschaubar, ergänzte Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz, Suchtforschung und Suchttherapie an der Medizinischen Universität Wien. Die Monatsdosierung koste pro Patient etwa 500 Euro: „Das ist wahnsinnig günstig im Vergleich zu anderen Medikamenten, die psychisch Kranke bekommen“, sagte sie. Anders als bei niedergelassenen Ärzten erhalten Substitutionspatienten in vielen Spitalsambulanzen und in Gefängnissen eine Injektion statt eines oralen Medikamentes, denn die Budgets sind hier nicht von der ÖGK abhängig. Und die Therapie erhält viel Zuspruch: „Das interdisziplinäre Behandlungsteam berichtet über positive Erfahrungen, eine gute Verträglichkeit und dem Vorteil, nicht täglich oder wöchentlich in der niedergelassenen Apotheke die Medikation beheben zu müssen, wodurch eine vorteilhafte Integration in den Arbeitsalltag ermöglicht wird“, sagte Fischer. Auch in der Drogenambulanz in Innsbruck würden etwa 20 Patienten mit dem Depotmedikament behandelt, darunter sowohl sozial gut integrierte, arbeitende Patienten, z.B. auch Schichtarbeiter, aber auch Menschen mit Persönlichkeitsstörungen und somatischen Erkrankungen. Es gebe auch Patienten, die es mit dem Depot schaffen würden, den parenteralen Konsum von Buprenorphin einzustellen, berichtet Jachimowicz. Neben einer höheren Compliance würden zudem Entzugszeichen wegfallen, ebenso gebe es keinen Beikonsum von anderen Opiaten, was durch regelmäßige Harnanalysen auf Drogen überprüft werde.

In einer schriftlichen Stellungnahme der ÖGK gegenüber der APA als Reaktion auf die Pressekonferenz verwies ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter auf Gespräche mit führenden Suchtexperten, wie Buvidal® optimal und zielgerichtet eingesetzt werden könne: „Diese Gespräche werden im Herbst fortgesetzt, um eine bestmögliche Versorgung für die Betroffenen sicherzustellen. Die Verhandlungen mit der vertreibenden Firma konnten bisher noch nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden“, erläuterte Krauter. (sni)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 /10.09.2021