Standpunkt Vizepräsident Harald Mayer: Jetzt handeln!

10.11.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Sie ist kein notwendiges Übel, sondern der Grundpfeiler unserer Versorgung: die Ausbildung der nächsten Ärztegeneration. Leider ist es nach wie vor Glückssache, ob man an ein Spital gerät, das sich vorbildlich um den Nachwuchs kümmert oder an eines, das diesen eher als systemimmanente, billigere Arbeitskraft einsetzt und die Lehre im Hintergrund steht. Steiermark, Oberösterreich und Kärnten sind jene drei Bundesländer, in denen Funktionsoberärzte, die die Ausbildung koordinieren, eine entsprechende Zulage erhalten. Das ist gut, weil der Wert der Ausbildung sichtbar wird. Es ist allerdings schlecht, wenn man bedenkt, dass Österreich aus weit mehr als nur drei Bundesländern besteht. Auch der Blick in die Statistik zeigt ein eher pessimistisches Bild: Wie kann es sein, dass in Zeiten, in denen wir mehr Ärztinnen und Ärzte benötigen, viele Ausbildungsstellen genehmigt, aber tatsächlich nicht alle besetzt sind?

Die Realität ist, dass eine Babyboomer-Generation in Pension geht. Knapp 20 Prozent der ausschließlich angestellten Ärztinnen und Ärzte sind mindestens 55 Jahre alt, bei den Angestellten mit Ordination liegt der Anteil bei 43 Prozent. Der Trend hin zu einer Mischform in der Tätigkeit ist evident: Der Anteil der ausschließlich angestellten Ärztinnen und Ärzte sinkt mit dem Alter, der Anteil jener mit Ordinationen steigt ab 40 Jahren deutlich an. Die Realität zeigt, dass sich die Personalbedarfserhebung der Spitäler den aktuellen Bedürfnissen anpassen muss: Viele wollen nicht mehr Vollzeit im Spital angestellt sein, sondern bevorzugen Teilzeitmodelle mit Mischformen im niedergelassenen Bereich. Das muss sich in der Anzahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte widerspiegeln: Eine Arztstelle ist nicht automatisch eine Vollzeitstelle.

Und das ist nicht genug: Österreich konkurriert mit den Nachbarländern um den Nachwuchs. Deutschland beispielsweise vergibt jährlich 10.500 Medizinstudienplätze – mit einem Numerus Clausus von 1,0. Zum Vergleich: In Österreich, das zehnmal kleiner ist, stehen jährlich 1.740 Medizinstudien plätze zur Verfügung. Der Hausverstand sagt: Das kann nicht gut gehen, der Absaugeffekt ist vorhanden. Wir haben ein veritables Nachwuchsproblem. Handeln ist jetzt angesagt, denn ansonsten wird eines Tages die Frage auftauchen: Wo sind denn nun alle jungen Ärztinnen und Ärzte geblieben?

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2021