Standpunkt Thomas Szekeres: Krämerseelen beim Knausern

25.02.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Stefan Seelig

Gut zwei Monate nach den ersten Impfungen gegen SARS-CoV-2 ist Impfstoff hierzulande immer noch ein rares Gut. Man kann bei der Ursachenforschung festhalten: Das EU-Verhandlungsteam, das für die Impfstoffbeschaffung verantwortlich war, ist leider falsch an die Sache herangegangen: zu zögerlich, zu knausrig. Angesichts einer Pandemie, die uns unglaublich kostspielige Lockdowns aufzwingt, kann man nicht mit der Krämerseele in der Brust um einen Impfstoff verhandeln, den die ganze Welt kaufen möchte. Eine ökonomische Herangehensweise ist prinzipiell ja zu begrüßen, war hier aber fehl am Platz. Eine Woche Lockdown kostet alleine die österreichische Wirtschaft über eine Milliarde Euro, schätzte man beim IHS. Selbst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen musste schließlich die Fehler bei der Beschaffung eingestehen. Einzelne Länder seien Schnellboote, die EU eher ein Tanker. Die Chance, seine entsprechende Marktmacht einzusetzen, hat man leider nicht ergriffen.

Auf österreichischer Ebene hat man dann die Chance verstreichen lassen, sich selbst mit bilateralen Verträgen Impfstoffe zu sichern. Deutschland und in der Folge auch andere EU-Länder haben das vorexerziert. Die Rüge, die es für das Verlassen des gemeinsam vereinbarten Weges gab, hätte Österreich auch noch verschmerzen können. Der Bieterwettstreit zwischen den EU-Ländern wurde ja durch die gemeinsame Bestellung schon erfolgreich verhindert. Die Bestellmenge der EU und der Schlüssel, nach dem der Impfstoff verteilt wird, war jedenfalls schon lange bekannt. Die Appelle der Ärztekammer, sich frühzeitig um Impfstoffe auch außerhalb des EU-Kontingents zu bemühen, hat man nicht ernst genommen. Es ist für die Verantwortlichen an der Zeit, Eigenverantwortung zu übernehmen und alle Wege zur Beschaffung von zusätzlichen Impfstoffen zu prüfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich bei Ihnen herzlich für Ihre große Bereitschaft, sich selbst impfen zu lassen und auch selbst durch Impftätigkeit einen Beitrag bei der Pandemiebekämpfung zu leisten. Die Impfstraße in der Wiener Messe und die vielen anderen Impfaktionen, die angelaufen sind, zeigen ganz deutlich: Wir Ärztinnen und Ärzte sind bereit und arbeiten gerne an der Durchimpfung der Bevölkerung mit – aber ohne Impfstoff geht es eben nicht.

 

ao. Univ. Prof. Thomas Szekeres
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021