Sputnik V: Rettung aus dem Osten

25.04.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK


Um die Corona-Pandemie zu beenden, muss eine hohe Durchimpfungsrate erreicht werden. Prognosen, wann es in Europa so weit ist, ändern sich wöchentlich und sind von externen Faktoren wie Lieferketten und Verteilungsschlüsseln abhängig. Nun stellt sich die Frage, ob der russische Impfstoff die Lösung des europäischen Problems sein kann.
Viktoria Frieser

Die Durchimpfung der Bevölkerung in der EU und auch in Österreich geht langsam voran. Die gemeinsame Impfstoff-Beschaffung der EU und Lieferschwierigkeiten sorgten für zahlreiche Verzögerungen. Bis Ende März wurden zwei Millionen Impfdosen an Österreich geliefert, der Großteil davon von BioNTech/Pfizer, gefolgt von AstraZeneca und Moderna. Eine abgeschlossene Immunisierung mit beiden Teilimpfungen konnte bisher nur für 4,8 Prozent (Stand 8.4.) der Österreicher ermöglicht werden. Im zweiten Quartal sollen weitere sieben Millionen Impfdosen aus EU-Verträgen geliefert werden – ob dieser Plan aufgrund der Lieferverzögerungen, insbesondere bei AstraZeneca, eingehalten werden kann, ist fraglich.

Die Suche nach schnelleren Alternativen scheint daher naheliegend. Ein möglicher Kandidat ist Sputnik V. Die fehlende Phase III begann im September 2020 mit 20.000 Freiwilligen und konnte mittlerweile abgeschlossen werden. Der Vektorimpfstoff nützt als einziger in den beiden Impfdosen zwei verschiedene Trägerviren, um die vielfach bestehende Immunität der Bevölkerung gegen Adenoviren zu umgehen. Die beiden Impfungen erfolgen im Abstand von 21 Tagen und bieten drei Wochen nach abgeschlossener Immunisierung einen 91,6-prozentigen Schutz gegen SARS-CoV-2. Laut dem Fachmagazin „Lancet“ hat Sputnik V eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna.

Derzeit läuft bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA ein rollierendes Verfahren, bei dem die notwendigen Daten je nach Verfügbarkeit eingereicht werden können. Erst nach der Auswertung der eingereichten wissenschaftlichen und klinischen Daten beginnt das eigentliche EU-Zulassungsverfahren. Nachdem die EU-Kommission erklärt hatte, dass sie keine Verträge über Sputnik V schließen werde, starteten einzelne Länder bilaterale Verhandlungen mit Russland. Ungarn hat als erstes EU-Land begonnen, mit Sputnik V zu impfen, nachdem der Impfstoff in einem eigenen Zulassungsprogramm als sicher eingestuft worden ist. Auch die Slowakei und Tschechien haben den russischen Impfstoff gekauft und würden auch ohne EU-Zulassung mit den Impfungen starten.

Die Gespräche zwischen Österreich und Russland zur Beschaffung sind im Laufen, auch eine nationale Notfallzulassung im Alleingang wird derzeit nicht ausgeschlossen. Erste Daten zur Qualität und Wirksamkeit von Sputnik V wurden bereits an die AGES zur Prüfung übermittelt. ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres spricht sich für den Kauf von Sputnik V aus: „Österreich kann und muss sich erlauben, aus der EU-Front auszusteigen und selbst Medikamente einzukaufen. Es gibt die Möglichkeit einer nationalen Notzulassung für Medikamente, die international erprobt sind, und für die es dementsprechende Expertisen gibt. Das ist bei Sputnik der Fall.“ Nicht nur Österreich, auch unsere Nachbarländer verhandeln bereits mit Russland über mögliche Lieferungen im Falle einer EU-Zulassung. Zuletzt hatte der deutsche Gesundheitsminister bilaterale Verhandlungen mit Russland über eventuelle Lieferungen von Sputnik V im Falle einer EU-Zulassung angekündigt. Entscheidend wird wohl die Frage sein, wie viel Impfstoff wie schnell tatsächlich geliefert werden kann. Für Österreich wurde eine Million Dosen bis Anfang Juni in Aussicht gestellt. Tatsächlich könnte sich Sputnik V als Gamechanger im Kampf gegen SARS-CoV-2 erweisen. Denn Zeit ist hier der entscheidende Faktor.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2021