Impfen: Motivierende Transparenz

10.02.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK


Neben Information und Aufklärung durch medizinische Fortbildungen, seriöser Berichterstattung und Patientenaufklärung durch die Ärzte beeinflusst auch die Transparenz in der Politik die Impfbereitschaft.
Sascha Bunda, Sophie Niedenzu

Warum erfolgte die Zulassung von mRNA-­Impfstoffen so vergleichsweise schnell? Welche Aspekte wurden in den Studiendesigns berücksichtigt? Wie funktionieren mRNA-­Impfstoffe? An wie vielen Probanden sind die Impfstoffe getestet worden? Das sind nur einige der Fragen, die im Zusammenhang mit dem neuartigen Impfstoff gegen SARS­-CoV­-2 fallen. Die für viele unbekannte Technologie erhöht die Unsicherheit. Es sei eine Tatsache, dass die Technik der mRNA-Impfstoffe seit längerem bekannt und auch erprobt worden sei, unter anderem auch gegen das Ebolavirus und bei Tollwutimpfstoffen: „Da es aber bislang noch zu keiner Marktzulassung geführt hat, sorgt der neuartige Impfstoff für Unbehagen, das entkräftet werden muss“, sagt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer.

In diesem Zusammenhang sei es besonders erfreulich, dass das Interesse in der Ärzteschaft rund um Weiterbildungen zur Impfung besonders hoch sei: „Bei einem Webinar, das die Bundeskurie niedergelassene Ärzte gemeinsam mit sechs Landesärztekammern finanziert hat, konnten über 10.000 Teilnehmer verzeichnet werden, die sich die hochinformativen Vorträge von Hans Georg Mustafa, Herwig Kollaritsch und Michael Binder angehört haben und sich auch an den Fragerunden dazwischen höchst aktiv beteiligt haben“, berichtet der Leiter des ÖÄK-­Impfreferates. Die Vorträge sind zum Nachsehen weiter online (siehe Kasten). Ebenso enormes Interesse gab es am Österreichischen Impftag, für den es weit über 2.000 Anmeldungen gab (siehe auch den Bericht ab Seite 40). Auch um die FAQ­Beantwortungen, die die Österreichische Ärztekammer gemeinsam mit einem namhaften Expertenboard erarbeitet hat, gibt es lebhaftes Interesse. „Wir sammeln laufend weitere auftauchende Fragen der Kollegen, um diese gemeinsam mit unserem Expertenboard zu beantworten“, sagt Schmitzberger. Das Expertenboard setzt sich aus folgenden Wissenschaftern zusammen: die Vorsitzende des Nationalen Impfgremiums und einzige Professorin für Vakzinologie in Österreich, Ursula Wiedermann­Schmidt, der Tropenmediziner und Mitglied des Beratungsgremiums der Bundesregierung Herwig Kollaritsch, der renommierte Epidemiologe und Umweltmediziner Hans­Peter Hutter sowie die beiden Wissen schafter Florian Krammer und Josef Penninger. Ziel ist es, sowohl die Ärzteschaft als auch die Patienten umfassend und fundiert zu beraten.

Herausforderung Fehlinformation

Informieren, informieren, informieren. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Ärzteschaft nehme hier eine besondere Rolle ein, betont Schmitzberger: „Wir Ärzte haben durch unsere Kompetenz und unsere Erfahrung eine besondere Vorbildfunktion, unsere Patienten und auch die Bevölkerung generell orientieren sich an unserer Expertise“, betont er. Und das sei ausschlaggebend, denn die Impfbereitschaft hänge in großem Maße von der Ärzteschaft ab: „Das beeinflusst natürlich auch, wie sich unser Land in den kommenden Monaten entwickeln wird. Nur mit fundiertem Fachwissen können wir klar und transparent informieren und gefährlichen Fehlinformationen entgegentreten“, sagt Schmitzberger.

Letzteres sei nämlich eine besondere Herausforderung. Denn die Impfinformation werde durch die zunehmende und auch zunehmend leichtere Verbreitung von Fake News erschwert, hält Schmitzberger fest: „Wie der Molekularbiologe Martin Moder in einem seiner vorzüglichen YouTube­Videos festhält: Es ist so viel leichter, Fehlinformationen zu verbreiten, als danach wissenschaftlich fundiert zu erklären, warum das nicht stimmen kann.“ Verschiedene dieser Fake News, wie zum Beispiel über eine mögliche Unfruchtbarkeit nach einer Impfung sind historisch nicht neu, teilweise wurden diese Fehlinforma tionen auch aus politischen Gründen gezielt gestreut. Vergleichsweise neu ist allerdings, dass diese über die sozialen Medien verbreitet werden und damit in kürzester Zeit einen großen Adressatenkreis erreichen würden. Und das ziemlich spezifisch, denn die zunehmende Fragmentierung des Medienkonsums erzeuge gleichzeitig immer mehr Echokammern, beschreibt Schmitzberger die aktuell großen Herausforderungen: „Das bedeutet, dass man gewisse Personengruppen mit Aufklärungsarbeit nur noch schwer erreicht, weil sie nur noch die Meinungen und Standpunkte ihrer eigenen Filterblase konsumieren.“ Aufklärung sei daher gerade in dieser Situation besonders wichtig, betont Schmitzberger die Rolle der Medien in Zeiten der Pandemie: „Es gibt viel zu tun, denn wir brauchen jetzt mehr denn je eine objektive, seriöse Berichterstattung, Information und Aufklärungsarbeit.“  

Transparenz für höhere Impfmotivation

Davon ist auch die Durchimpfung der Bevölkerung abhängig. Denn wer informiert ist, der ist auch eher bereit, sich impfen zu lassen. Das ergab unter anderem eine Studie, die die Politikwissenschafterin Katharina Paul im Rahmen des Österreichischen Impftags, der diesmal virtuell stattgefunden hat, präsentierte. Die Impfbereitschaft liege etwa bei 50 Prozent, zudem würden laut einer Umfrage 76 Prozent das Faktum begrüßen, dass ein Impfstoff kostenfrei zur Verfügung gestellt würde. Neben der Überschätzung des eigenen Immunsystems seien auch die Rahmenbedingungen relevant für die Impfbereitschaft. Dazu zählten etwa die Einschätzung und Wahrnehmung der politischen Maßnahmen, der Dialog und die Transparenz, unter anderem auch in der Verteilerlogik bei den Impfstoffen. Wer sich ungerecht behandelt fühle, der sei weniger bereit, sich impfen zu lassen.

Was konkret die Impfbereitschaft bei einer Schutzimpfung gegen SARS-­CoV-­2 angeht, ist diese besonders unter Ärzten sehr hoch. Eine Umfrage der Wiener Ärztekammer zeigte im Januar: 75 Prozent möchten sich sofort impfen lassen. Abhängig vom Bundesland hat mittlerweile schon ein gewisser Prozentsatz der niedergelassenen Ärzte in Österreich zumindest die erste Teilimpfung erhalten. Eine logistische Herausforderung sei laut Schmitzberger dabei die Impfaktion in Wien gewesen: Innerhalb von vier Tagen wurden in der Messehalle in 14 Impfstraßen die niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Ordinationspersonal geimpft. Absolut wichtig in der Umsetzung der größten Massenimpfung, die Österreich je gesehen habe, sei jedenfalls eine Synergie von zentraler Impfstoffbeschaffung und Berücksichtigung föderalistischer Besonderheiten in der Verteilung zur Umsetzung entsprechend den lokalen Gegebenheiten in den Ländern, also eine optimale Kooperation von Bund, ÖÄK mit maximaler Einbindung der Bundesländer und den Landesärztekammern. Die logistische Herausforderung, möglichst viele Menschen möglichst rasch zu impfen erfordere es, dass alle an einem Strang ziehen, betont Schmitzberger: „Hier ist auch kein Platz für politisches Geplänkel.“

Individuell geschützt

Neben der gesamten Diskussion um die COVID-­19-­Impfung dürfe zudem nicht auf die sogenannten Kollateralschäden vergessen werden: So betonte Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder­ und Jugendheilkunde im Rahmen des Österreichischen Impftags die Wichtigkeit, Impflücken zu schließen. Zudem würden Schutzimpfungen gegen Influenza und Pneumokokken schwere Verläufe bei COVID-­19­-Erkrankungen verhindern können – Koinfektionen seien nämlich dokumentiert worden. Eine Erklärung für einen milderen Verlauf bei COVID-­19 aufgrund von anderen Schutzimpfungen seien Kreuzreaktionen zwischen den Proteinen.

Man schützt sich mit einer COVID­-19­-Schutzimpfung derzeit in erster Linie selbst: Aktuell könne man noch nicht davon ausgehen, dass die Impfung neben dem Schutz für einen selbst auch das Umfeld schütze: „Es gibt zwar Anzeichen, dass die Impfstoffe zu einem gewissen Grad auch eine sterilisierende Immunität bieten könnten, solange das aber nicht bestätigt ist, müssen wir die COVID­19­Impfung wie die FSME­Impfung betrachten: Ich kann damit mich selbst schützen und mein Schutz liegt damit in meiner Verantwortung“, sagt Schmitzberger. Man könne sich also nicht darauf verlassen, dass die Geimpften die Nicht­Geimpften schützen könnten, frei nach dem Motto: „Ich brauche die Impfung nicht, die anderen haben sie ja schon.“ Im Bewusstsein müsse daher auch Folgendes bleiben: „Die Hygienestandards gelten auch weiterhin und werden uns noch längere Zeit begleiten“, sagt Schmitzberger abschließend.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2021