EU-Impfstoffbeschaffung: Warten auf die Impfung

25.02.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK, Coronavirus


Rund ein Jahr nach den ersten Berichten über das neue Coronavirus begannen Ende 2020 in Europa die ersten Impfungen gegen SARS-CoV-2. Das langersehnte Ende der Corona-Pandemie lässt trotzdem auf sich warten. Schuld daran sind nicht zuletzt unterschiedliche Impfstrategien, gemeinsame Verträge, Lieferverzögerungen und der Datenschutz.
Viktoria Frieser

Viele Österreicher warten sehnsüchtig auf einen Impftermin. Zuletzt hat die Diskussion um die Priorisierung der Impfstoff-Vergabe für Aufsehen gesorgt: Während mancherorts sogenannte „Impfvordrängler“ die Schlagzeilen beherrschten, wurden woanders überschüssige Impfdosen lieber entsorgt, als die „falsche“ Person zu früh zu impfen. Bei der bundesweiten Impfstrategie zeigt sich einmal mehr, dass von den Verantwortlichen oft nur reaktiv agiert wird. „Bereits im Sommer 2020 war absehbar, dass es einen oder mehrere vielversprechende Impfstoff-Kandidaten geben wird. Die Österreichische Ärztekammer mahnte schon damals, einen Krisenplan und eine entsprechende Strategie vorzulegen“, sagt ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres.

Tatsächlich dauerte es bis zur ersten EMA-Zulassung des Impfstoffes von BioNTech/Pfizer im Dezember 2020, bis ein erster Impfplan auf dem Tisch lag. Nach den ersten Impfungen am 27. Dezember und anschließender Pause wurde die praktische Umsetzung der vorgegebenen Impfstrategie vom Bund an die Länder übertragen. Das führte dazu, dass jedes Bundesland einen eigenen Zeitplan und eine andere Herangehensweise wählte. Während Wien den Fokus auf die rasche Durchimpfung des Gesundheitspersonals legte, reihte Niederösterreich die Risikogruppe der über 80-Jährigen vor. Zudem kam es auch zu Lieferverzögerungen, die die Einhaltung des Impfplans unmöglich machten. In Zeiten der Impfknappheit stieg auch die Impfbereitschaft in Österreich.

EU-Projekt Impfstoffbeschaffung

Die Impfstoffbeschaffung wurde erstmals gemeinsam über die EU geregelt. Man wollte so eine faire und gleiche Verteilung innerhalb der Europäischen Union sicherstellen. Die Europäische Kommission bestellte im Auftrag ihrer Mitgliedsstaaten rund 2,3 Milliarden COVID-Impfdosen vor. Die Lieferengpässe führten jedoch zu einem holprigen Start der EU-weiten Impfkampagne. Als weiterer Rückschlag erwies sich die mangelnde Datenlage des Impfstoffs der Firma AstraZeneca bei älteren Personen, wodurch der Impfstoff in Österreich und anderen Staaten nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen wurde. „Hätte die EU von Anfang an mehr bei BioNTech/Pfizer bestellt, gäbe es jetzt genug Impfstoff,“ so ÖÄK-Präsident Szekeres.

Einzelne Staaten wie Großbritannien können flexibler und rascher agieren als ein Konvolut mehrerer souveräner Staaten. Die EU wollte sich keine Preise diktieren lassen und auch nicht die Haftung für mögliche Nebenwirkungen übernehmen, wie es Großbritannien oder die USA getan haben. Jetzt müssen die EU-Staaten wegen der Lieferverzögerungen die hohen ökonomischen wie gesellschaftlichen Kosten der Pandemie noch länger tragen.

Internationaler Vergleich

Für Aufsehen sorgten Medienberichte über bereits mehr als zehn Millionen geimpften Menschen in den USA (Stand: 8.2.2021) oder dass Israel bereits Anfang Februar begonnen hat, alle Menschen über 16 Jahren zu immunisieren. In Österreich hat hingegen erst ein Bruchteil der Bevölkerung einen fixen Impftermin, geschweige denn die Impfung erhalten.

Als Impf-Vorreiter wird oft Israel genannt – mit neun Millionen Einwohnern vergleichbar mit Österreich. In den ersten sechs Wochen der Impfkampagne hat bereits ein Drittel der Bevölkerung die erste Teilimpfung erhalten. Etwas mehr als die Hälfte davon, 1,7 Millionen, hat Anfang Februar mit der zweiten Impfung die Immunisierung abgeschlossen. Dass Israel viel schneller durchimpft, liegt an einem Deal der israelischen Regierung mit dem Impfstoff-Hersteller BioNTech/Pfizer: Im Gegenzug für die rasche Versorgung des Landes agiert Israel als „Modell-Land“ und übermittelt seine Impfdaten ohne größere Rücksicht auf Datenschutz-Bedenken an den Pharmakonzern. Wann Österreich mit der flächendeckenden Immunisierung beginnen kann, bleibt weiterhin abzuwarten und wird in erster Linie von der Flexibilität der EU und der politischen Verantwortungsträger abhängen.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021