COVID-19 Medikamente: „Noch kein Durchbruch“

10.06.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK, Coronavirus

Viele potentielle COVID­-Medikamente werden klinisch geprüft. Ein Therapiecocktail und richtiges Timing könnten zukünftig bei der Therapie von schweren Verläufen helfen, sagt Jochen Schuler vom ÖÄK­-Referat für Medikamentenangelegenheiten.
Sophie Niedenzu

Was hat sich im Bereich der COVID-Medikamente getan? Nur wenige COVID-19-Medikamente sind bislang weltweit zugelassen. Dazu zählen Dexamethason, Remdesivir, Favilavir und einige Antikörper beziehungsweise deren Kombinationen. Eine Vielzahl von Wirkstoffen wird derzeit geprüft. Im „COVID-19 therapeutics tracker“ sind aktuell 72 verschiedene Kandidaten gelistet. Das Spektrum reicht von monoklonalen Antikörpern und deren Kombinationen gegen verschiedene Zielstrukturen über Virustatika, Antihelminthika und Antimalariamittel, Immunsuppressiva und Entzündungshemmer, verschiedene vasoaktive Peptide und Antithrombotika, bis hin zu autologen Stammzellen. Nur wenige sind echte Neuentwicklungen, meist sind es Medikamente, die für andere Indikationen zugelassen sind und für die ein „Repurpose Use“ geprüft wird. Am Ende können wir froh sein, wenn eine Handvoll dieser Kandidaten ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist und regulär zugelassen wird. Bei der europäischen Arzneimittelbehörde befinden sich aktuell vor allem Antikörper und -kombinationen im (Rolling-) Review. Ich fürchte aber, dass der erhoffte therapeutische Durchbruch noch nicht in Sicht ist.

Wie stark wird die Entwicklung von COVID-Medikamenten gefördert? Die Forschungsförderung im Bereich der Vakzine und deren rasche Zulassung hatte in den vergangenen Monaten richtigerweise Vorrang. Bei vielen Kritikpunkten ist die Vakzinentwicklung beeindruckend. Nun scheint der Zustrom neuer Patienten unter Kontrolle zu sein und wir müssen uns vermehrt um die kümmern, die trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schwer erkranken. Die Studien sind aber aufwändig und teuer. Hohe Millionenbeträge sind nötig, die die meisten Start-Up-Unternehmen nicht haben. Da fehlt den Investoren in Europa auch die Risikobereitschaft. Die EU-Kommission ist nun dabei, eine Shortlist mit den zehn aussichtsreichsten Kandidatensubstanzen zu erstellen und will die beteiligten Firmen finanziell und administrativ unterstützen. Meines Wissens sollen über hundert Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das wird nicht ausreichen, aber es ist besser als Nichts und es gibt ja auch private Investoren und nationale Förderprogramme.

Wie wichtig sind antivirale Medikamente? Antivirale Therapien sind ein wichtiger therapeutischer Baustein. Nach meiner Einschätzung können sie vor allem in früheren Krankheitsphasen von Bedeutung sein. In späteren Krankheitsphasen dürften antiinflammatorische und organprotektive Therapien wichtiger sein. Am Ende wird es ein Therapiecocktail und das richtige Timing sein, was uns dabei hilft, diese schwere Erkrankung besser zu kontrollieren.

Kritiker bemängeln fehlende medizinischen Daten als Entscheidungsgrundlage. Wie sehen Sie das? Unser Verständnis für das Pandemiegeschehen ist oft ungenügend. Denken Sie nur an die offenen Fragen zum Infektionsgeschehen an unseren Bildungseinrichtungen oder im öffentlichen Personen transport. Auch was die medizinischen und psychosozialen Kollateralschäden der Anti-Corona-Maßnahmen oder das Ausmaß der Long-COVID-Problematik angeht, wäre mehr Feldforschung notwendig. Hierzu benötigen wir sehr viele Daten und deren Verknüpfung. Geeignete Institutionen für die Auswertung, wie die universitären Institute für Public-Health oder die Gesundheit Österreich GmbH, benötigen einen Auftrag, Forschungsgelder und die Freiheit, die richtigen Fragen zu stellen. Selbstverständlich muss aber der Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten gewährleistet sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2021