Horizonte: Persönlichkeiten – Der Mensch hinter dem Kawasaki-Syndrom

15.07.2020 | Service

Er entdeckte in den 1960er Jahren die nach ihm benannte Kawasaki-Krankheit, auch mukokutanes Lymphknotensyndrom – eine Form der Vaskulitis, die vorrangig bei Säuglingen auftritt. Details über den Pädiater Tomisaku Kawasaki.

Eigentlich interessierte sich der junge Kawasaki viel mehr für die Welt der Pflanzen als für die der Medizin. Seine Mutter war es, die ihr 1925 in Tokio geborenes siebentes Kind in den Arztberuf drängte. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges begann der spätere Gesundheitspionier das Medizinstudium und entschied sich letztendlich für die Pädiatrie – Kinder sagten dem bescheidenen Mann schlicht mehr zu: Sie würden weniger jammern, wenn sie krank sind.

Irreführende Erdbeerzunge

Im Rot-Kreuz-Krankenhaus im Stadtteil Hiroo in Tokio, wo Kawasaki 40 Jahre lang arbeitete, begegnete ihm 1961 ein kleiner Patient, der seine Karriere für immer beeinflussen sollte: Der Vierjährige wies Scharlach-artige Symptome auf, die Symptomatik passte jedoch nicht richtig dazu. Kawasaki vermutete ein eigenes Krankheitsbild dahinter. Im Laufe der nächsten sechs Jahre kamen ihm immer mehr derartige Fälle unter, was ihn 1967 zu einer Veröffentlichung seiner Beobachtungen an 50 Fällen in einem japanischen Fachjournal bewog. Aus ganz Japan folgten Reaktionen von Ärzten auf den Artikel; auch sie hatten Patienten mit einer ähnlichen Symptomatik gesehen. 1970 richtete die japanische Regierung ein Komitee zur Erforschung der Krankheit unter Kawasaki ein. Die Japan-weiten Untersuchungen gaben dem ambitionierten Kinderarzt schließlich recht: Es handelte sich um ein eigenständiges Syndrom.

Das Kawasaki-Syndrom tritt schubhaft auf und äußert sich unter anderem durch Fieber, Lymphadenopathie, ein polymorphes makuläres Exanthem – mitunter gemeinsam mit einem geröteten Rachen –, roten, rissigen Lippen und einer Erdbeerzunge. Die Ursache für die Beschwerden, die die Vaskulitis der mittelgroßen Arterien auslösen – insbesondere der Koronararterien – ist bis heute nicht geklärt. Vermutet wird eine Infektion beziehungsweise eine abnorme Immunantwort bei genetischer Disposition. Bei japanischen Kindern ist die Inzidenz mit 265 von 100.000 unter fünf Jahren hoch; die meisten erkranken zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat. Ohne Behandlung sind irreversible Schäden an den Gefäßen mit tödlichem Ausgang möglich. Im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie erhielt die Kawasaki-Krankheit vermehrt Aufmerksamkeit, da eine große Zahl von COVID-19-Patienten Kawasaki-ähnliche Symptome zeigte. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen ist bis dato nicht belegt.

Die Ergebnisse von Kawasakis intensiven Nachforschungen brachten ihm 1989 den Asahi-Preis ein, eine Auszeichnung für herausragende Leistungen im Bereich der Geistes- und Naturwissenschaften. 1990 übernahm Tomisaku Kawasaki die Leitung des Kawasaki Disease Research Center an der University of California, San Diego. Im Laufe der Jahre wurden ihm weitere Ehrungen zuteil wie der Preis der Japanischen Pädiatrischen Gesellschaft. Als Gastprofessor lehrte er unter anderem in den USA. Tomisaku Kawasaki verstarb im Juni 2020 im Alter von 95 Jahren in seiner Geburtsstadt. (JW)

Kawasaki – die wichtigsten Symptome

  • fünf Tage persistierendes hohes Fieber
  • makuläres Exanthem, primär über den Rumpf
  • nicht-eitrige beidseitige Konjunktivitis
  • trockene, gerötete Lippen; Entzündung der Hals- und Mundschleimhaut; Erdbeerzunge
  • Lymphknotenschwellung am Hals
  • Palmar- bzw. Plantarerythem

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2020