Horizonte: Persönlichkeiten – Mikito Takayasu: Augenarzt auf fachlichen Abwegen

25.09.2020 | Service

Der japanische Ophthalmologe Mikito Takayasu machte das Krankheitsbild der Takayasu-Arteriitis zwar einer breiten Öffentlichkeit bekannt, erstmals beschrieben wurde die Krankheit jedoch schon zuvor. Eine junge Frau mit eingeschränktem Sehvermögen bildete den Ausgangspunkt für seine Nachforschungen.

Die rätselhaften Symptome einer 21-jährigen Patientin beschäftigten den japanischen Augenarzt Mikito Takayasu derart, dass er den Fallbericht auf der 12. jährlichen Tagung der Augenärztlichen Gesellschaft Japans – Nihon ganka gakkai – präsentierte. Die junge Frau suchte Takayasu zwischen 1905 und 1908 mit eingeschränktem Sehvermögen auf. Bei der Untersuchung des Augenhintergrundes fielen ihm Gefäß-Anastomosen an der Retina auf. Die Ophthalmo-logen Katsutomo Õnishi und Tsurikichi Kagoshima stellten auf dieser Konferenz ähnliche Patienten vor, ergänzt um die Beobachtung eines nicht tastbaren Pulses an der A. radialis. Diese Besonderheit war Takayasu nicht aufgefallen – einer der Gründe, warum damals viele Ärzte dafür plädierten, dass die Vaskulitis Takayasu-Õnishi-Krankheit heißen möge. 1942 wurde die seltene Form der Vaskulitis dennoch nach Mikito Takaysu benannt.

Takayasu wurde Mitte des 19. Jahrhunderts im Landkreis Ogi in der Provinz Hizen, der heutigen Präfektur Saga, geboren. 1878 beendete er sein Medizinstudium an der Universität Tokio, zehn Jahre später begann er als Dozent an der Medizinischen Fakultät der staatlichen Vierten Höheren Mittelschule Kanazawa – der Hauptstadt der Präfektur Ishikawa auf Japans zentraler Insel Honshu. Nach einem Deutschland-Aufenthalt von 1899 bis 1901 kehrte Takayasu nach Kanazawa zurück. Dort begann an der Medizinischen Fachhochschule seine Karriere als Professor für Augenheilkunde, wo er auch seine wegweisende Entdeckung machte.

Symptome bereits früher beschrieben

Zwar war es Takayasu, der das Krankheitsbild als erster einem Fachpublikum bekannt machte; das Syndrom als erster beschrieben hat jedoch ein anderer. In einer aus dem Jahr 1830 stammenden Aufzeichnung erwähnte Rokushu Yama-moto den Fall eines 45-Jährigen mit persistierendem Fieber, Gewichtsverlust, Dyspnoe sowie nicht palpablen Pulsen an den oberen Extremitäten und den Karotiden. Yamamoto veröffentlichte die Beobachtungen in seinem Buch Kitsuo-Idan, was so viel wie „Medizinische Aufzeichnungen aus meiner Privatklinik unter dem großen Orangenbaum“ heißt.

Takayasu lehrte ab 1923 an der Medizinischen Hochschule Kanazawa, wo er im selben Jahr die Rolle als Dekan einnahm. 1924 verließ er die Hochschule, um in seiner privaten Ordination zu praktizieren. 1938 erlag er schließlich einer Krebserkrankung. Ein Jahr nach dem Tod von Takayasu wurde eine 28-Jährige mit Delirium in das Department für Psychiatrie an der Universität Tokio eingeliefert. Sie litt unter epileptischen Anfällen und hielt ihren Kopf stets gesenkt, um die Benommenheit zu bekämpfen. Auch bei ihr konnte kein Puls getastet werden. Eine Woche nach der Aufnahme ins Spital starb die junge Frau an Herzversagen. Bei ihrer Autopsie stellte man eine Panarteri-itis an der Aorta, der inneren und äußeren Karotis, der A. sub-clavia sowie der A. axillaris fest. Die klinische Diagnose lautete „Verschwinden der Radialis-Pulsation mit psychischer Störung“.

„Pulseless Disease“

Kunio Oohta stellte den Fall 1940 der Japanischen Gesellschaft für Pathologie vor. Sein Report berücksichtigte erstmals die ursächliche Vaskulitis der Aorta, ihrer Seitenäste sowie die Beteiligung der pulmonalen Arterien in Kombination mit den ophthalmologischen Befunden von Takayasu, die das Resultat einer Ischämie der Gefäße im Gehirn war. Nachdem die Krankheit in der englischen Literatur als „Pulseless Disease“ vorgestellt wurde, erhielt sie auch vermehrt internationale Aufmerksamkeit. Ein Bericht im American Heart Journal Ende der 1940er Jahre führte dazu, dass die Takayasu-Arteriitis letztendlich in der westlichen Welt als Krankheitsbild bekannt und anerkannt wurde.

Typisch: Stenose, Okklusion, Aneurysma

Die Takayasu-Arteriitis betrifft vorrangig junge Frauen zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr; die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt. Vaskuläre Entzündungen bedingen eine Arterienstenose, eine Okklusion, Dilatation oder Aneurysmen. Typisch sind ein asymmetrischer Pulsstatus, ungleiche Blutdruckmessungen zwischen der linken und rechten Extremität, vorübergehende Sehstörungen, Ischämien oder auch ein Insult. Die Diagnose erfolgt anhand einer Arteriographie der Aorta beziehungsweise mittels MRT. Behandelt wird mit Kortikostero-iden oder anderen Immunsuppressiva. Mitunter ist – etwa nach einer lebensbedrohlichen Ischämie – ein gefäßchirurgischer Eingriff wie beispielsweise ein Bypass erforderlich.


Takayasu-Arteriitis – die wichtigsten Symptome

  • asymmetrische Pulse oder Blutdruckmessungen
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PaVK)
  • Symptome von herabgesetzter zerebraler Durchblutung wie Sehstörungen, transitorische ischämische Attacken und Insult
  • Hypertonie

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2020