Körpersprache: Der unterschätzte Faktor

10.04.2020 | Politik

Ein Konflikt in der Kommunikation kann schon entstehen, bevor das Gespr.ch beginnt. Haltung, Gestik und Mimik von Seiten des Arztes und des Patienten können das Gespräch in eine positive Richtung lenken oder aber auch die Gesprächsbasis zerstören.
Nora Schmitt-Sausen

Wie nah gehe ich an den Patienten heran? Gebe ich ihm die Hand? Wie fest drücke ich zu? Halte ich bei schwierigen Gesprächen Blickkontakt? Fragen wie diese sollten man nicht als Bagatelle abtun. Denn die Signale des Körpers wirken sich auf das Arzt-Patienten-Gespräch aus. Und sie haben unterschiedliche Konsequenzen für den Gesprächsverlauf – und das Arzt-Patienten-Verhältnis insgesamt. Das Auftreten des Arztes wird bei einem Patienten eine individuelle Wirkung entfalten. Denn: 50 Prozent der Sprachbotschaft wird allein durch die Körpersprache übermittelt, weiß Kommunikationstrainer Prof. Wolfgang Kölfen, der auch Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche der Städtischen Kliniken Mönchengladbach ist. Haltung, Mimik, Gestik, räumliches Verhalten, Stimmlage. Selbst die Kleidung. All das spiele für den Erfolg des ärztlichen Gesprächs eine zentrale Rolle. „Die erste zentrale Frage, die sich Ärzte stellen müssen ist: ob Ihnen klar ist, wie Sie auftreten. Darüber sollten Sie einmal nachdenken und sich beobachten“, rät Kölfen. Und weiter: „Ein Konflikt in der Kommunikation kann schon entstehen, bevor der Arzt überhaupt den Mund aufmacht.“

Die Körpersprache – etwa ein verkniffener Mund, ein angespannter Gesichtsausdruck, eine steife Körperhaltung – sendet die falschen Signale aus. Etwa: Ich bin abgearbeitet. Ich bin im Stress. Ich habe überhaupt keine Lust auf dieses Gespr.ch. Ein Mangel an körpersprachlicher Selbstwahrnehmung wird damit zum ersten Fehler, der im Arzt-Patienten-Gespr.ch stattfinden kann. Und das hat Folgen für den weiteren Verlauf des Austausches: Wird der Auftritt des Arztes vom Patienten als unpassend empfunden und schlecht bewertet, startet der Arzt in das .rztliche Gespr.ch bereits mit einem Rückstand. Einen Rückstand, den er durch den Einsatz enormer Energie bei der Gesprächsführung erst einmal wieder wettmachen muss. Im Umkehrschluss hei.t das aber auch: über die stummen Signale ihres Körpers können Ärzte ihren Patienten „eine Brücke bauen“. Schon kleine Gesten können dabei Wunder bewirken: ein Kopfnicken, der offene Blickkontakt, ein kleines Lächeln, ein mitfühlender Blick. „Durch Körpersprache lässt sich sehr viel erreichen. Deshalb sollte man sie trainieren“, sagt Kölfen.

Der Blick auf die Körpersprache ist auch in die andere Richtung relevant: bei der Einschätzung des Zustandes des Patienten, der vor einem steht. „Ich empfehle stets, als erstes über die Körpersprache zu schauen, wo der Patient steht. Kann er mir zuhören? Ist er in der Verfassung, zu verstehen, was ich sage? Oder muss ich ihn über die Empathie-Ebene erst einmal abholen?“, sagt Kölfen. Denn ein Patient, dessen Körpersprache verrät, dass er emotional aufgeladen ist, Schmerzen hat oder vor Müdigkeit umfällt, sei für sachliche Arztinformationen nicht empfänglich. „Der Arzt sollte sich deshalb stets fragen: Lohnt es, jetzt den Mund aufzumachen oder muss ich erst die Rahmenbedingungen für das Gespräch ändern und im Zweifelsfall einen neuen Termin wählen“, erläutert Kölfen. Und er warnt gleichzeitig: „Ignorieren Ärzte die Verfassung des Patienten, ist ein Gespr.ch verlorene Zeit. Es wird nichts von dem hängenbleiben, was sie ihm sagen.“ Für die körperliche Deutung des Zustandes des Patienten brauche es dagegen nicht viel Zeit. Anhand der nonverbalen Signale sei in wenigen Augenblicken erkennbar, in welchem emotionalen Zustand sich eine Person befindet.

Fazit: Die Körpersprache bestimmt über den Verlauf eines Arzt-Patienten-Gesprächs entscheidend mit. Stirnrunzeln, herunterhängende Mundwinkel, nervöses Hin- und Herwippen mit dem Fuß: Es hilft, sich zu verdeutlichen, dass diese scheinbaren Oberflächlichkeiten für die ärztliche Arbeit eine enorme Bedeutung haben. Schon kleine freundliche Gesten können bewirken, dass sich Patienten angenommen fühlen. Sie signalisieren Zugewandtheit und Verständnis und legen das Fundament für ein erfolgreiches Arzt-Patienten-Gespräch.

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2020