Asthma bron­chiale: Schlüs­sel­fak­tor Inhalation

10.03.2020 | Medizin

Damit die Sym­ptome bei Asthma bron­chiale rasch gelin­dert wer­den kön­nen, sollte die The­ra­pie mit inha­la­ti­ven Kor­ti­kos­te­ro­iden (ICS) mit einem Bet­amime­ti­kum kom­bi­niert wer­den. Damit die inha­la­tive Medi­ka­men­ten-Appli­ka­tion effek­tiv ist, sollte jeder Betrof­fene eine gute Ein­schu­lung erhalten.

Verena Rad­lin­ger

Bei asth­ma­ti­schen Beschwer­den ist der All­ge­mein­me­di­zi­ner oft die erste Anlauf­stelle für Pati­en­ten. Dabei basiert die Asth­ma­dia­gnose auf dem Auf­tre­ten der respi­ra­to­ri­schen Sym­ptome. „Im Zwei­fel stützt der Nach­weis einer bron­chia­len Hyper­re­agi­bi­li­tät die Asth­ma­dia­gnose, weil eine feh­lende Hyper­re­agi­bi­li­tät ein rele­van­tes Asthma weit­ge­hend aus­schließt“, erklärt Priv. Doz. Bernd Lam­precht von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Lun­gen­heil­kunde am Kep­ler Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Linz. Nach Ana­mnese und Kli­nik folgt die Über­prü­fung der Lun­gen­funk­tion mit­tels einer Spi­ro­me­trie. Als wich­tigste Mess­werte gel­ten die for­cierte Vital­ka­pa­zi­tät (FVC), die Ein-Sekun­den­ka­pa­zi­tät (FEV1) und deren Ver­hält­nis FEV1/​FVC. „Asthma bron­chiale ist wei­ter­hin unter­dia­gnos­ti­ziert und ist meist von einer COPD anhand typi­scher Befunde zu unter­schei­den“, kon­kre­ti­siert Univ. Prof. Wolf­gang Pohl von der Abtei­lung für Atmungs- und Lun­gen­er­kran­kun­gen am Kran­ken­haus Hiet­zing in Wien. Die The­ra­pie­ent­schei­dung sollte sich im Wesent­li­chen am Schwe­re­grad der Erkran­kung ori­en­tie­ren. Die aktu­elle Leit­li­nie zum Asthma-Manage­ment bie­tet eine prä­zise Auf­stel­lung der ver­schie­de­nen Schwe­re­grade. Da es sich bei Asthma immer um eine chro­nisch inflamm­a­to­ri­sche Erkran­kung han­delt, sei auch bei inter­mit­tie­ren­den oder gering­gra­dig inter­mit­tie­ren­den For­men eine anti­in­flamm­a­to­ri­sche Behand­lungs­stra­te­gie not­wen­dig, wie Pohl erklärt. Zur Prä­ven­tion von Exazer­ba­tio­nen und zum Schutz der Lun­gen­funk­tion sei eine The­ra­pie mit inha­la­ti­ven Kor­ti­kos­te­ro­iden (ICS) unab­ding­bar. Pati­en­ten über zwölf Jah­ren mit leich­tem Asthma soll­ten so rasch wie mög­lich eine ICS-hal­tige The­ra­pie erhalten. 

Ent­schei­dend sei, dass kurz­wirk­same Bet­amime­tika ohne beglei­tende ICS-The­ra­pie nicht mehr ver­ord­net wer­den. „Zur raschen Lin­de­rung von Sym­pto­men sollte die ICS-The­ra­pie mit einem Bet­amime­ti­kum kom­bi­niert wer­den – bevor­zugt mit dem lang­wirk­sa­men Bet­amime­ti­kum (LABA) For­mo­te­rol, das den Vor­teil einer lan­gen und schnel­len Wir­kung hat“, infor­miert Pohl. Der Schwe­re­grad könne final aller­dings erst dann ein­ge­schätzt wer­den, wenn der Pati­ent über meh­rere Monate hin­weg behan­delt wurde. Bei der Gabe von Kor­ti­son emp­fiehlt Pohl, den Pati­en­ten zu erklä­ren, dass nur damit eine Ver­schlech­te­rung der Sym­ptome ver­mie­den wer­den kann. „In der Regel ken­nen die Pati­en­ten den Unter­schied zu sys­te­mi­schem Kor­ti­son nicht und wis­sen nicht, dass eine regel­mä­ßige, viel­leicht anfäng­lich auch ver­mehrte Ein­nahme, eine Ver­schlech­te­rung ver­hin­dert.“ Die lang­fris­tige Asth­ma­kon­trolle und Ver­bes­se­rung der Lun­gen­funk­tion ist nur durch eine recht­zei­tige und kon­ti­nu­ier­li­che ICS-The­ra­pie zu erwar­ten. „Außer­dem hält eine Sin­gle Inha­ler Main­ten­ance and Reli­e­ver The­rapy eine Bedarfs­the­ra­pie mit ICS/​LABA letzt­end­lich die Gesamt-Kor­ti­son­do­sis nied­rig und auch bei schwe­re­ren Ver­laufs­for­men kön­nen orale Kor­ti­kos­te­ro­ide durch den Ein­satz von lokal wirk­sa­men ICS ein­ge­spart wer­den“, erklärt Lam­precht. „Die Über­le­gung der Ratio­nale von Sin­gle Inha­ler Main­ten­ance and Reli­e­ver The­rapy ist es, bei Sym­ptom­ver­schlech­te­rung den schnel­len Wir­kungs­ein­tritt von For­mo­te­rol mit dem frü­hen Ein­satz des Kor­ti­kos­te­ro­iden zu kop­peln. Dadurch wird das Risiko einer Exazer­ba­tion gesenkt. Außer­dem wird die The­ra­pie ver­ein­facht, was sich posi­tiv auf die Com­pli­ance aus­wir­ken kann“, erläu­tert Pohl.

Maß­nah­men gegen schlechte Adhärenz

Da Men­schen, die an Asthma lei­den, eine eher schlechte Adhä­renz zu Dau­er­the­ra­pien haben, sollte das Ziel sein, ein mög­lichst Pra­xis-ori­en­tier­tes, leicht umzu­set­zen­des The­ra­pie­schema für den ein­zel­nen Pati­en­ten zu fin­den, wie Lam­precht aus­führt. „Kommt es zu einer grund­sätz­lich posi­ti­ven raschen Remis­sion der Sym­ptome, ent­steht bei den Pati­en­ten oft das Gefühl, die Krank­heit selbst kon­trol­lie­ren zu kön­nen und der Inha­la­tor kommt nur mehr in weni­gen oder aku­ten Situa­tio­nen zum Ein­satz“, nennt Lam­precht ein Bei­spiel. Für Pati­en­ten mit mil­dem Asthma sei es schwer nach­zu­voll­zie­hen, dass nur eine regel­mä­ßige Erhal­tungs­the­ra­pie einen lang­fris­ti­gen The­ra­pie­er­folg brin­gen kann. Selbst zugäng­li­che Pati­en­ten for­dern vom betreu­en­den Arzt oft viel Über­zeu­gungs­kraft, zum Bei­spiel in Bezug auf die hohe Bedeu­tung der Expositionsvermeidung.

Als größ­tes Pro­blem sehen die Exper­ten aller­dings die fal­sche Inha­la­ti­ons­tech­nik. Aus vie­len Stu­dien ist bekannt, dass weni­ger als die Hälfte der Betrof­fe­nen die Inha­la­tion kor­rekt durch­führt; es fin­den sich auch keine Unter­schiede zwi­schen Klein­kin­dern und .lte­ren Pati­en­ten. Als häu­figste Feh­ler wer­den genannt: vor der Akti­vie­rung nicht aus­zu­at­men, durch die Nase ein­zu­at­men und den Atem nicht für einige Sekun­den nach der Inha­la­tion anzu­hal­ten. Sol­che Inha­la­ti­ons­feh­ler füh­ren zu ver­mehr­ten Hos­pi­ta­li­sie­run­gen, Not­fall­auf­nah­men, erhöh­tem Ver­brauch an Ste­ro­iden und Anti­bio­tika sowie schlech­ter Krank­heits­kon­trolle. Bei der Anwen­dung von moder­ne­ren Inha­la­to­ren, die spe­zi­ell für eine ver­bes­serte Usa­bi­lity ent­wi­ckelt wur­den, kommt es den Stu­dien zufolge weni­ger häu­fig zu Feh­lern bei der Inha­la­tion. „Damit die inha­la­tive Medi­ka­men­ten-Appli­ka­tion effek­tiv ist, sollte daher jeder Pati­ent eine gute Ein­schu­lung erhal­ten, was aller­dings in der all­ge­mein­me­di­zi­ni­schen Pra­xis durch Zeit­man­gel oft schwie­rig ist“, bekräf­tigt Lam­precht. Pohl fügt hinzu: „Außer­dem muss dar­auf geach­tet wer­den, dass zum rich­ti­gen Medi­ka­ment auch das Sys­tem indi­vi­du­ell aus­ge­wählt wird, mit dem der Pati­ent am bes­ten umge­hen kann.“

Kern­stück ärzt­li­che Kontrolle

Zusätz­lich sollte die rich­tige Inha­la­ti­ons­tech­nik regel­mä­ßig vom Arzt kon­trol­liert wer­den. „Bei die­ser lau­fen­den Über­prü­fung muss der Pati­ent unbe­dingt gefragt wer­den, ob er den Spray ver­wen­det, wie oft und wie er eige­nom­men wird“, führt Pohl aus. Diese Kon­trol­len müss­ten aber nicht unbe­dingt vom Arzt selbst durch­ge­führt, son­dern könn­ten von gut geschul­tem Per­so­nal über­nom­men wer­den. Der aus­schließ­li­che Hin­weis auf die Gebrauchs­in­for­ma­tion genügte in der Regel nicht, weil sich der Pati­ent „oft keine Zeit nimmt, sie zu lesen oder sie inhalt­lich nicht ver­steht“, führt der Experte wei­ter aus. Eine hilf­rei­che Unter­stüt­zung stel­len Video-Schu­lun­gen dar. Im Zuge der Kon­trol­len sollte der Arzt auch gezielt nach rele­van­ten Kom­or­bi­di­tä­ten fra­gen. Dazu gehö­ren kar­dio­vas­ku­läre Pro­bleme, Über­ge­wicht, Schlaf­apnoe, chro­ni­sche Rhi­no­si­nu­s­i­tis, Reflux und Depres­sion. Wich­tig ist es auch, Fak­to­ren zu eva­lu­ie­ren, die eine opti­male The­ra­pie ver­hin­dern – pri­mär natür­lich die rich­tige Anwen­dung des Inha­la­ti­ons­ge­räts. Wei­ters sind auch chro­ni­scher Tabak­a­b­usus und bei Pati­en­ten mit all­er­gi­schem Asthma der regel­mä­ßige Kon­takt zu deren rele­van­ten All­er­ge­nen zu erwäh­nen. Grund­sätz­lich sind uner­wünschte Neben­wir­kun­gen der medi­ka­men­tö­sen Behand­lung – beson­ders durch den Ein­satz von ora­len Kor­ti­kos­te­ro­iden – zu beachten.

„Grund­sätz­lich ist bei der Behand­lung von Asthma eine opti­male Sym­ptom­kon­trolle und eine Reduk­tion von Asthma-asso­zi­ier­ten Risi­ken das Ziel und das unab­hän­gig vom Schwe­re­grad“, führt Lam­precht aus. Zu den Risi­ken zäh­len Exazer­ba­tio­nen, die chro­ni­sche Schä­di­gung und Ver­en­gung der Atem­wege, Neben­wir­kun­gen der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie sowie eine erhöhte Sterb­lich­keit der Betrof­fe­nen. Bei der Dia­gnose, der The­ra­pie-Ent­schei­dung und dem Manage­ment der kon­ti­nu­ier­li­chen Behand­lung kann sich der Arzt an den GINA-Leit­li­nien (The Glo­bal Initia­tive for Asthma) ori­en­tie­ren, so Lam­precht: „Damit ist auch die Ver­sor­gung außer­halb spe­zia­li­sier­ter Asth­ma­zen­tren gut umsetzbar.“ 

Quel­len:

• AWMF Natio­nale Ver­sor­gungs­leit­li­nie Asthma, 3. Auf­lage 2018

• GINA 2019, ginasthma.org


Ein­fluss­fak­to­ren auf die Compliance

  • Medi­ka­mente (kom­pli­zierte Stu­fen­sche­mata, schwie­rige Appli­ka­tion, Ein­nah­me­häu­fig­keit und ‑kon­trolle, Geschmack, Neben­wir­kun­gen, Preis)
  • die Erkran­kung selbst (chro­nisch, keine Hei­lung, schlei­chen­der Ver­lauf ohne Schmerzen)
  • der Pati­ent (Infor­ma­ti­ons­man­gel, Hoff­nungs­lo­sig­keit, Angst, Rebel­lion gegen medi­zi­ni­sche Anord­nun­gen, Vergesslichkeit)
  • der Arzt (Zeit­man­gel, Unsi­cher­heit bei Dia­gnose, Krank­heits­schwe­re­grad und Prognose-Einstufung)

Medi­ka­mente – Übersicht 

  • SABA (kurz­wirk­same Beta 2‑Sympathomimetika): z.B. Sal­bu­t­amol, Fen­ote­rol, Terbutalin
  • LABA (lang­wirk­same Beta 2‑Sympathomimetika): z.B. For­mo­te­rol, Salmeterol
  • LAMA (lang­wirk­same Mus­ka­rin­re­zep­tor-Ant­ago­nis­ten): Tiotropiumbromid
  • ICS (inha­la­tive Glu­ko­kor­ti­ko­ide): z.B. Bude­so­nid, Flu­ti­ca­son, Beclo­me­ta­son, Cic­le­so­nid, Mometason
  • Orale Glu­ko­kor­ti­ko­ide: Prednisolon
  • LTRA (Leu­ko­trien-Rezep­tor-Ant­ago­nis­ten): Montelukast
  • Bio­lo­gi­cals:
    • Anti-IgE-Anti­kör­per: Omalizumab
    • Anti-IL5-Anti­kör­per: Mepo­li­zu­mab, Reslizumab
    • Anti-IL5R-Anti­kör­per: Benralizumab
    • Anti-IL4-Anti­kör­per: Dupilumab

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2020