Rauchertherapie in der Praxis: Einstieg in den Ausstieg

25.09.2020 | Medizin


Auch wenn bei der Rauchertherapie ein Rückfall beinahe als „normal“ anzusehen ist, führt der Ärger über das eigene Versagen die Patienten nicht selten zum Abbruch. Will jemand ernsthaft mit dem Rauchen aufhören, erfolgt dies meist innerhalb der nächsten drei bis vier Wochen.
Laura Scherber

Rund ein Drittel der Raucher ist massiv unzufrieden mit dem eigenen Rauchverhalten – und „möchte daran etwas ändern“, sagt Univ. Doz. Ernest Groman vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Spricht man hingegen jemanden aus den beiden anderen Dritteln der Raucher an, erntet man nicht selten ärgerliche Antworten. Groman – er leitet auch das Nikotin-Institut – berichtet, dass diejenigen, die sich dort für eine Rauchertherapie anmelden, grundsätzlich eine selektive Gruppe darstellten. „Wir haben den Vorteil, dass derjenige zumindest etwas von uns will, das ist ein anderer Zugang“, so der Experte. Die meisten Betroffenen haben schon zwei oder drei selbstständige – jedoch erfolglose – Versuche hinter sich, mit dem Rauchen aufzuhören. Warum das so ist? „Es handelt sich dabei um eine Abhängigkeitserkrankung, die bis vor Kurzem gesellschaftlich akzeptiert war“, erklärt Groman. Dazu kommt die weit verbreitete Meinung in der Gesellschaft, dass man jederzeit aufhören kann – wenn man es denn nur will. Im Hinblick auf die Rückfallrate geht die durch die gesetzliche Restriktion in der Gastronomie bedingte Entwicklung dem Experten zufolge „zumindest in die richtige Richtung“.

Patienten-Bedürfnisse berücksichtigen

Die Rauchertherapie am Nikotin-Institut kann ambulant oder stationär erfolgen und besteht aus einer Verhaltensmodifikation mit eventuell unterstützender Medikation. Zentral für die Betreuung ist der Wunsch des Teilnehmers. Möchte er mit dem Rauchen aufhören? Möchte er seinen Zigarettenkonsum reduzieren oder einfach das Produkt wechseln? „Natürlich ist das höchste Ziel das Aufhören, aber man muss sich nach den Wünschen und Erfordernissen der Betreffenden richten, sonst kommen sie nicht mehr“, weiß Groman. Natürlich versuche man, wenn Ziele nicht realistisch sind, sie ein bisschen zu korrigieren. „Wenn jemand ernsthaft aufhören möchte, tut er das normalerweise innerhalb der nächsten drei bis vier Wochen, sonst schiebt er das wieder auf“, führt der Experte weiter aus.

Das ambulante Betreuungsprogramm des Nikotin-Instituts umfasst fünf Einzeltermine – jeweils einmal pro Woche. Groman dazu: „Das hat sich im Laufe der Zeit als optimale Länge herauskristallisiert“. Beim ersten Termin werden die Ziele definiert: die Reduktion bis zum zweiten Termin und Auswahl eines Termins, um ganz aufzuhören. Bei den Folgeterminen geht es darum, den Fortschritt zu evaluieren, rauchfreie Tage einzuplanen und den Betroffenen bestmöglich zu unterstützen. Verifiziert wird das berichtete Rauchverhalten mithilfe von Kohlenmonoxid-Messungen. „Diese objektiven Messwerte sprechen für sich“, betont Groman. Außerdem fördern sie „in der Regel“ die Motivation der Teilnehmer.

Zusätzlich zum ambulanten Betreuungsprogramm wurde schon vor einigen Jahren in Kooperation mit der – damaligen – Wiener Gebietskrankenkasse ein stationäres Programm ins Leben gerufen. „Unsere Idee war damals, den Rauchern eine intensivere Betreuung zu ermöglichen, die bereits eine Tabak-assoziierte Erkrankung haben und für die der Rauchstopp eine dringende Indikation ist“, erklärt Groman. Ein Vorteil eines solchen Programms sei, dass ein stationärer Aufenthalt schwieriger abzubrechen ist als beim ambulanten Programm zum nächsten Termin einfach nicht mehr zu erscheinen. Allerdings handelt es sich um einen dreiwöchigen Aufenthalt. Nicht jede Versicherung übernimmt die Kosten dafür und „nicht jeder Arbeitgeber zeigt Verständnis dafür“, weiß Groman aus der Praxis. Die Einstellung, wonach man jederzeit mit dem Rauchen aufhören könne – sofern man es denn will – sei noch weit verbreitet. „Es gibt Menschen, die nicht aufhören können und bis zu ihrem Tod rauchen“, betont Groman.

Während der ersten Abstinenztage stellt das Rauchverlangen das größte Problem dar, das durch bestimmte Reize, aber auch ohne ersichtlichen Grund ausgelöst wird. Hinzu kommen eine gewisse Anspannung und Unruhe. „Das Wichtigste ist, dass man den Leuten vermittelt, dass das nicht so bleibt und besser wird, wenn sie die Abstinenz aufrechterhalten“, erklärt der Experte. Jedoch sei oftmals nur ein Impuls notwendig, der den Betroffenen wieder zum Rauchen animiert. Auch wenn ein Rückfall beinahe als „normal“ anzusehen ist, führt der Ärger über das eigene Versagen die Patienten nicht selten zu einem Abbruch der Rauchertherapie. Die Vorstellung, „von heute auf morgen“ mit dem Rauchen aufhören zu können, bezeichnet der Experte als Trugschluss, da sich jeder Raucher vor einem ernsthaften Versuch bereits länger darüber Gedanken macht. Studien zufolge erweist sich ein „abrupter“ Rauchstopp als ebenso erfolgreich wie eine schrittweise Reduktion.

Alternativen mit weniger Schadstoffen

Die Palette der zur Verfügung stehenden Nikotinersatzprodukte ist groß: Pflaster, Kaugummi, Inhalator, Mundspray und Lutschtabletten sind die Klassiker. Außerdem sind in Österreich zwei verschreibungspflichtige Präparate erhältlich – Bupropion® und Vareniclin® –, die der Betroffene aber selbst bezahlen muss. „Das Problem dabei ist, dass ich ihm die Zigaretten wegnehme und dafür ein Medikament gebe, das er nicht als gleichwertig empfindet und für das er auch noch zahlen soll“, führt Groman aus. Eine Möglichkeit zu Beginn der Therapie sei daher, dem Betroffenen Ärztemuster zur Verfügung zu stellen – „bis klar ist, ob er mit dem Produkt zurechtkommt“. Lässt sich das Rauchverlangen mit dem Ersatzprodukt unterdrücken, ist es wichtig, es nicht zu früh abzusetzen, da es sonst häufig zu Rückfällen kommt. Gleichzeitig besteht die Schwierigkeit, dass viele neue Alternativprodukte in einschlägigen Fachgeschäften oder in der Trafik zu beziehen seien. Wieso? „Als Arzt jemanden im Rahmen der Rauchertherapie in die Trafik zu schicken, ist psychologisch nicht so einfach“, meint Groman.

Alternativprodukte wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer und orale tabakfreie Produkte gewinnen zunehmend an Bedeutung und auch die Tabakproduzenten orientieren sich zunehmend in diese Richtung. „Auch wenn sie natürlich nicht gesund sind, sehen wir einen Fortschritt und eine Verbesserung der Werte, wenn man von Zigaretten auf E-Zigaretten umsteigt“, resümiert Groman. Der klassischen Zigarette mit mehr als 5.000 Inhaltsstoffen und gesichert mindestens 30 Karzinogenen steht die E-Zigarette mit nur drei Substanzen gegenüber. „Hier ist es wichtig, auf die von der AGES überprüften und zertifizierten Produkte zurückzugreifen“.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2020