Prä­na­tal­dia­gnos­tik: Unsi­che­rer Graubereich

10.11.2020 | Medizin


Das bis­lang kol­por­tierte Ein­griffs­ri­siko bei der Cho­ri­on­zot­ten­bi­op­sie und der Frucht­was­ser­punk­tion mit ein bis zwei Pro­zent wurde als zu hoch ange­setzt, wie Meta­ana­ly­sen zei­gen. Bei der Prä­na­tal­dia­gnos­tik geht es vor allem darum, den betrof­fe­nen Frauen Fak­ten über ihre Schwan­ger­schaft zu bie­ten, auch wenn der Grau­be­reich manch­mal nicht auf­ge­löst wer­den kann.
Sophie Fessl

Die Ultra­schall-Unter­su­chung hat wei­ter­hin den höchs­ten Stel­le­n­ert in der Prä­na­tal­dia­gnos­tik“, erklärt Assoz. Prof. Phil­ipp Kla­rit­sch von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kunde und Geburts­hilfe der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz. „Das Grund­s­cree­ning erfolgt immer über Ultra­schall, da man nur mit­tels Ultra­schall eine mor­pho­lo­gi­sche Beur­tei­lung abge­ben kann. Es ist immer wich­tig, zuerst ein­mal das Kind anzuschauen.“

Zusätz­lich zu den drei im Mut­ter-Kind-Pass vor­ge­se­he­nen Ultra­schall-Unter­su­chun­gen beim nie­der­ge­las­se­nen Gynä­ko­lo­gen wurde der Umfang von zwei erwei­ter­ten Ultra­schall-Unter­su­chun­gen (Erst­tri­mes­ter-Scree­ning und Organ­scree­ning) bereits vor zehn Jah­ren in den Leit­li­nien der OEGGG (Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft für Gynä­ko­lo­gie und Geburts­hilfe), der ÖGUM (Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft für Ultra­schall in der Medi­zin) und der ÖGPPM (Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft für Psy­cho­so­ma­tik und Psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Medi­zin) klar fest­ge­hal­ten. „Damit stel­len wir klar, dass ein unauf­fäl­li­ger Ultra­schall beim nie­der­ge­las­se­nen Gynä­ko­lo­gen nicht das­selbe bedeu­tet wie ein unauf­fäl­li­ges Organ­scree­ning“, betont Priv. Doz. Wolf­gang Arzt vom Insti­tut für Prä­na­tal­me­di­zin des Kep­ler Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Linz. „Die erwei­ter­ten Ultra­schall-Unter­su­chun­gen wer­den nur von zer­ti­fi­zier­ten Spe­zia­lis­ten mit ent­spre­chen­der Aus­bil­dung, Wei­ter­bil­dung und den benö­tig­ten Gerä­ten durchgeführt.“ 

Diese erwei­ter­ten Ultra­schall-Unter­su­chun­gen tei­len sich in das soge­nannte Erst­tri­mes­ter-Scree­ning, das zwi­schen der 12. und der 14. Schwan­ger­schafts­wo­che durch­ge­führt wird, sowie das Organ­scree­ning, das zwi­schen der 20. und der 24. Schwan­ger­schafts­wo­che erfolgt. Sowohl das Erst­tri­mes­ter-Scree­ning als auch das Organ­scree­ning die­nen dem Nach­weis einer nor­ma­len Ent­wick­lung bezie­hungs­weise der Ent­de­ckung von Fehl­bil­dun­gen (soge­nannte Fein­dia­gnos­tik). „Ziel die­ser Unter­su­chun­gen ist der Nach­weis einer alters­ge­rech­ten Ent­wick­lung“, berich­tet Wolf­gang Arzt. „Ande­rer­seits die­nen sie als Basis für das Manage­ment der Schwan­ger­schaft und bei Bedarf für eine Ent­schei­dung zur Ent­bin­dung in einem ent­spre­chend aus­ge­stat­te­ten Zentrum.“ 

Nacken­fal­ten­dichte = Risikoberechnung

Für Kla­rit­sch ist es wich­tig, das Erst­tri­mes­ter-Scree­ning nicht als blo­ßes Scree­ning für das Vor­lie­gen von Tri­so­mie 21 zu sehen. „Es han­delt sich nicht nur um eine Suche nach Tri­so­mie 21. Mit­hilfe des genauen Erst­tri­mes­ter-Ultra­schalls kön­nen Hin­weis­zei­chen für eine Viel­zahl von kör­per­li­chen und gene­ti­schen Pro­ble­men bereits früh erkannt oder weit­ge­hend aus­ge­schlos­sen und gege­be­nen­falls eine gene­ti­sche Abklä­rung ein­ge­lei­tet wer­den.“ Bei­spiels­weise werde die Nacken­haut­di­cke (auch Nacken­falte) gemes­sen, die als Grund­lage für den Com­bi­ned Test gilt. Dabei han­delt es sich um eine Wahr­schein­lich­keits­be­rech­nung, ob eine der häu­figs­ten chro­mo­so­ma­len Auf­fäl­lig­kei­ten (Tri­so­mie 21, Tri­so­mie 18 und Tri­so­mie 13) vor­liegt. In die Berech­nung ein­be­zo­gen wer­den auch müt­ter­li­che Hor­mon­werte sowie gege­be­nen­falls sono­gra­phi­sche Zusatz­pa­ra­me­ter. Wenn eine Schwan­gere alters­be­dingt ein Risiko von 1:200 und nach der Mes­sung ein Risiko von 1:2.000 hat, ist das eine deut­li­che Ent­war­nung. Ist das Risiko gegen­über dem Alters­ri­siko erhöht, dann gilt die Nacken­trans­pa­renz­mes­sung als auf­fäl­lig“, erläu­tert Arzt. 

Neben der Nacken­fal­ten­mes­sung wird auch unter­sucht, ob die Bauch­de­cke geschlos­sen, alle Extre­mi­tä­ten vor­han­den, der Magen ange­legt, die Blase gefüllt sowie Kopf, Gehirn und even­tu­ell Wir­bel­säule aus­ge­bil­det sind. Auch manch schwere Herz­feh­ler kön­nen bereits früh erkannt wer­den. „Wenn im Ultra­schall kör­per­li­che Auf­fäl­lig­kei­ten oder eine Ver­brei­te­rung der Nacken­haut­di­cke gese­hen wer­den, wird in der Regel eine gene­ti­sche Abklä­rung emp­foh­len“, berich­tet Klaritsch. 

Gene­ti­sche Abklä­rung: invasiv

Die gene­ti­sche Abklä­rung erfolgt bei einer dia­gnos­ti­schen Punk­tion mit­tels Cho­ri­on­zot­ten­bi­op­sie bezie­hungs­weise Frucht­was­ser­punk­tion. Neben dem klas­si­schen Kar­yo­gramm zur Beur­tei­lung des Chro­mo­so­men­sat­zes kön­nen mitt­ler­weile durch Mikro­ar­ray-Unter­su­chun­gen oder Whole-Exom-Sequen­zie­run­gen auch klei­nere chro­mo­so­male Ver­än­de­run­gen wie Mikro­de­le­tio­nen und Mikro­du­pli­ka­tio­nen erkannt wer­den. „Wenn ein Fetus Auf­fäl­lig­kei­ten auf­weist oder sehr klein ist und schlecht wächst, raten wir dazu, nach einem unauf­fäl­li­gen Kar­yo­gramm auch erwei­terte Unter­su­chun­gen im sub­mikro­sko­pi­schen Bereich durch­zu­füh­ren“, erklärt Kla­rit­sch. „Mit die­ser gene­ti­schen ‚Fein­dia­gnos­tik‘ kön­nen wir Ver­än­de­run­gen vor­ge­burt­lich erken­nen, die frü­her teil­weise erst im Rah­men der Abklä­rung aus­ge­präg­ter Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen im Kin­des­al­ter fest­ge­stellt wurden.“ 

In gro­ßen Meta­ana­ly­sen konnte gezeigt wer­den, dass das bis­her kol­por­tierte Ein­griffs­ri­siko bei Cho­ri­on­zot­ten­bi­op­sie und Frucht­was­ser­punk­tion mit ein bis zwei Pro­zent zu hoch ange­setzt wurde. „Das Risiko liegt bei einem Pro­mille in Zen­tren, wo viele Punk­tio­nen durch­ge­führt wer­den. Wenn eine Biop­sie in der 13. Schwan­ger­schafts­wo­che erfolgt, liegt das natür­li­che Abort­ri­siko je nach dem Alter der Schwan­ge­ren bei ein bis zwei Pro­zent. Dazu kom­men dann 0,1 Pro­zent Risiko durch den Ein­griff“, betont Arzt. Das Risiko wurde zunächst höher ein­ge­schätzt, da das Kol­lek­tiv der punk­tier­ten Schwan­ge­ren nicht mit einem Kol­lek­tiv nicht-punk­tier­ter Schwan­ge­rer ver­gli­chen wurde, erklärt Kla­rit­sch. „Das nied­rige addi­tive Risiko bedeu­tet, dass das Punk­tie­ren weni­ger gefähr­lich ist als ange­nom­men. Die Suche nach Mög­lich­kei­ten, wie man ohne Punk­tion zu einer gene­ti­schen Dia­gnos­tik kommt, hat sich damit entspannt.“ 

Bei Vor­lie­gen eines Chro­mo­so­men­scha­dens wird der betrof­fe­nen Frau am glei­chen Tag eine Bera­tung ange­bo­ten und es wird über die Bedeu­tung und Fol­gen infor­miert, berich­tet Arzt aus der Pra­xis. „Nach einer Bedenk­zeit und psy­cho­so­zia­ler Unter­stüt­zung hat die Frau die Mög­lich­keit zu über­le­gen, wie es mit der Schwan­ger­schaft wei­ter­geht.“ Wird der Chro­mo­so­men­satz als nor­mal beur­teilt, obwohl die Nacken­di­cke ein erhöh­tes Risiko anzeigt, sollte das Kind im Rah­men eines Organ­scree­nings genauer unter­sucht wer­den, da die breite Nacken­falte auch bei ande­ren Ent­wick­lungs­stö­run­gen vor­kom­men kann. 

Tests der zell­freien DNA

Tests der zell­freien DNA beru­hen auf der gesi­cher­ten Iso­la­tion pla­zen­ta­rer DNA aus dem müt­ter­li­chen Blut, sodass mit der müt­ter­li­chen Blut­ab­nahme die pla­zen­tare DNA beur­teilt wer­den kann. Aller­dings liegt die Aus­sa­ge­kraft die­ser Tests hin­ter der von gene­ti­schen Beur­tei­lun­gen nach Frucht­was­ser­punk­tion oder Cho­ri­on­zot­ten­bi­op­sie. „Mit­tels inva­si­ver Metho­den kön­nen hun­derte Chro­mo­so­men­schä­den aus­ge­schlos­sen oder nach­ge­wie­sen wer­den. Beim zell­freien DNA-Test hin­ge­gen wer­den nur die häu­figs­ten Chro­mo­so­men­schä­den unter­sucht“, erklärt Arzt. Eine gesi­cherte Dia­gnose könne also nur auf Basis von inva­si­ven Metho­den gestellt wer­den. „Die Leit­li­nie sieht vor, dass bei einem Fetus mit beson­ders brei­ter Nacken­trans­pa­renz keine Tes­tung zell­freier DNA durch­ge­führt wird, son­dern eine gene­ti­sche Abklä­rung ange­bo­ten wird, da dahin­ter eine Viel­zahl an Pro­ble­men lie­gen kann. Nur mit einem Scree­ning auf Tri­so­mie 21 wür­den sich die Frauen in fal­scher Sicher­heit wie­gen“, berich­tet Kla­rit­sch. Außer­dem wür­den viele Anbie­ter ver­schie­dene sel­tene Ver­än­de­run­gen in die DNA-Tests auf­neh­men, wodurch sich die falsch posi­tiv-Raten sum­mie­ren. „Ins­ge­samt ist der Test damit unge­nau und hat einen nied­ri­gen Vorhersagewert.“

Beim Organ­scree­ning zwi­schen der 20. und 24. Schwan­ger­schafts­wo­che wird laut Arzt bei drei bis fünf Pro­zent der unter­such­ten Schwan­ger­schaf­ten eine Ent­wick­lungs­stö­rung ent­deckt. Hier kön­nen unter ande­rem Herz­feh­ler, Gehirn­fehl­bil­dun­gen, Wir­bel­säu­len­pro­bleme oder Bauch­wand­de­fekte erkannt oder aus­ge­schlos­sen wer­den; außer­dem wer­den die Frucht­was­ser­menge und die Ver­sor­gung über die Nabel­schnur kon­trol­liert. „Bei man­chen Auf­fäl­lig­kei­ten kann zusätz­lich ein vor­ge­burt­li­ches MRT sinn­voll sein“, erklärt Kla­rit­sch. „Gerade bei kom­ple­xen Gehirn­auf­fäl­lig­kei­ten, aber auch bei Auf­fäl­lig­kei­ten im Bereich von Lunge und Tho­rax wie einer ange­bo­re­nen Zwerch­fell­her­nie hat das MRT einen hohen Stel­len­wert“. Mit zuneh­men­den Schwan­ger­schafts-Alter könne jedoch das fetale Gehirn im Ultra­schall schlech­ter unter­sucht wer­den. Ab der 28. bis 30. Schwan­ger­schafts­wo­che sei dann das MRT in sei­ner Aus­sa­ge­kraft dem Ultra­schall überlegen. 

Ziel: bes­se­res Outcome

„Auch im Organ­scree­ning geht es nicht pri­mär um Abbrü­che“, betont Kla­rit­sch, son­dern auch darum, das Out­come der betrof­fe­nen Kin­der zu ver­bes­sern. „Wir Prä­na­tal­dia­gnos­ti­ker sehen das als unsere Kern­auf­gabe. Denn das Out­come eines Kin­des, das uner­war­tet mit einer Fehl­bil­dung in einem nicht ent­spre­chend vor­be­rei­te­ten und aus­ge­stat­te­ten Spi­tal zur Welt kommt, ist schlech­ter als das Out­come eines Kin­des, des­sen Mut­ter gut vor­be­rei­tet in ein Zen­trum zur Geburt kommt, wo nach­ge­burt­lich eine sofor­tige Abklä­rung und Ope­ra­tion mög­lich sind.“ 

Zusätz­lich wer­den fetal­chir­ur­gi­sche bezie­hungs­weise fetal­the­ra­peu­ti­sche Ein­griffe ange­bo­ten, wenn sie nach­weis­lich einen Bene­fit für das Kind brin­gen. Dazu gehört die Laser­the­ra­pie bei Zwil­lings­trans­fu­si­ons­syn­drom, die öster­reich­weit zen­tral in Graz ange­bo­ten wird, sowie die The­ra­pie bei bestimm­ten For­men des Zwerch­fell­bruchs zur För­de­rung der Lun­gen­ent­wick­lung. Auch das Set­zen eines Kathe­ters im Mut­ter­leib bei einer ver­schlos­se­nen Harn­röhre stelle nach Ansicht von Wolf­gang Arzt einen „sinn­vol­len“ Ein­griff dar. „Der Harn kann über den gesetz­ten Kathe­ter ins Frucht­was­ser abflie­ßen, wodurch sich die Blase und Nie­ren ent­stauen, das Frucht­was­ser nor­ma­li­siert und die Lunge sich wei­ter­ent­wi­ckelt. Ohne Ein­griff wäre das Kind nach der Geburt dem Tod geweiht. So kommt es mit Kathe­ter gesund­le­bend auf die Welt.“ 

Am Insti­tut für Prä­na­tal­me­di­zin des Kep­ler Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Linz wer­den außer­dem prä­na­tale Herz­ein­griffe durch­ge­führt wie die Herz­klap­pen­spren­gung im Mut­ter­leib. Uner­kannt führt der Ver­schluss der Klappe dazu, dass eine Herz­kam­mer auf­hört, zu wach­sen und das Kind mit einem Ein­kam­mer­herz gebo­ren wird. Die­ser schwerste Herz­feh­ler wird ver­mie­den, indem in der Schwan­ger­schaft die kind­li­che Klappe mit einem mit­tels einer Nadel ein­ge­führ­ten Kathe­ter mit einem Bal­lon mehr­mals gedehnt wird. „Die Klappe wird geöff­net, das Blut spru­delt in die Kam­mer und diese wächst wei­ter bezie­hungs­weise holt sogar ver­säum­tes Wachs­tum nach. Das ist die Magie des feta­len Lebens“, erklärt Arzt. Auf diese Weise behan­delte Kin­der kom­men mit einem Zwei­kam­mer­herz zur Welt, je nach wei­te­rer Ent­wick­lung kön­nen spä­tere Ein­griffe not­wen­dig werden. 

Blut­trans­fu­sio­nen über die Nabel­schnur kön­nen bei Blut­ar­mut – aus­ge­löst durch Rin­gel­rö­tel­in­fek­tion oder Rhe­sus-Inkom­pa­ti­bi­li­tät – not­wen­dig wer­den. „Über eine dünne Nadel wird das mit Ery­thro­zy­ten ange­rei­cherte Blut in den kind­li­chen Kreis­lauf ein­ge­bracht. Nach der Geburt kann die The­ra­pie been­det wer­den und wir haben dem Kind damit gehol­fen, die Schwan­ger­schaft zu über­le­ben“, berich­tet Arzt. Eine Nabel­schnur­punk­tion kann außer­dem für die Dia­gnose einer Zyto­me­ga­lie­vi­rus-Infek­tion des Unge­bo­re­nen sinn­voll sein. 

Keine direk­tive Aufklärung

Trotz aller Mög­lich­kei­ten der Prä­na­tal­dia­gnos­tik und Prä­na­tal­me­di­zin betont Wolf­gang Arzt, dass die Unter­su­chun­gen stets nur ange­bo­ten wer­den. „Es ist wich­tig, keine direk­tive Auf­klä­rung zu betrei­ben. Wir bie­ten an, erklä­ren die Mög­lich­kei­ten, aber emp­feh­len nie, eine bestimmte Unter­su­chung unbe­dingt zu machen. Das Recht auf Nicht­wis­sen ist ein ganz hoch zu set­zen­des Gut!“

Die Durch­füh­rung aller erwei­ter­ten Unter­su­chun­gen ist frei­wil­lig, aller­dings ist der betreu­ende Gynä­ko­loge ver­pflich­tet, im Rah­men der Mut­ter-Kind-Pass Unter­su­chun­gen über die bestehen­den Mög­lich­kei­ten auf­zu­klä­ren. Beide Exper­ten befür­wor­ten die Eta­blie­rung der erwei­ter­ten Ultra­schall­leis­tun­gen im Mut­ter-Kind-Pass. „Es ist eine Irr­mei­nung, dass die nor­ma­len Ultra­schall-Unter­su­chun­gen im Rah­men des Mut­ter-Kind-Pass ein fun­dier­tes Scree­ning auf Fehl­bil­dun­gen oder gene­ti­sche Pro­bleme dar­stel­len, wes­we­gen wei­ter­hin zahl­rei­che fetale Fehl­bil­dun­gen sehr spät oder gar nicht erkannt wer­den.“ Obwohl im Rah­men der Mut­ter-Kind-Pass-Unter­su­chun­gen über diese Tat­sa­chen auf­zu­klä­ren sei, gäbe es im Fall von nicht erkann­ten Pro­ble­men viel Irri­ta­tion und teil­weise auch Gerichts­ver­fah­ren. „Als Prä­na­tal­dia­gnos­ti­ker hät­ten wir das Organ­scree­ning und auch das Erst­tri­mes­ter-Scree­ning gerne als Zusatz­op­tion im Mut­ter-Kind-Pass für alle Frauen, die dies wün­schen, da es viel Leid durch Spät­dia­gno­sen, Schwie­rig­kei­ten bei Spät­ab­brü­chen oder über­ra­schend vor­han­dene Fehl­bil­dun­gen ver­mei­den würde. Aus unse­rer Sicht wären dies Unter­su­chun­gen, die zum Wohle der Öffent­lich­keit in eine öffent­li­che Finan­zie­rung über­führt wer­den sollten.“ 

Wolf­gang Arzt betont, wie wich­tig es ist, den betrof­fe­nen Frauen Fak­ten über ihre Schwan­ger­schaft zu bie­ten. „Manch­mal ist der Grau­be­reich nicht auf­lös­bar, aber es ist wich­tig, ihn durch immer bes­sere Bera­tung auf Basis eige­ner Erfah­run­gen und aus der Lite­ra­tur so klein wie mög­lich zu machen.“ So kann es auch Sicher­heit geben, wenn eine Dia­gnose steht und über die erwart­ba­ren Fol­gen auf­ge­klärt wird. „In vie­len Fäl­len kön­nen wir sehr genau sagen, wie die Schwan­ger­schaft aus­geht, wenn sie fort­ge­führt wird.“ Aus die­sem Grund sei eine rasche Abklä­rung bei begrün­de­tem Ver­dacht – etwa mit­tels Cho­ri­on­zot­ten­bi­op­sie ab der zwölf­ten Schwan­ger­schafts­wo­che – immens wich­tig. Damit wird eine Dia­gnose inner­halb von weni­gen Tagen mög­lich. „So kön­nen wir das War­ten auf eine ein­zige schlaf­lose Nacht redu­zie­ren. Zeit ist ein wich­ti­ger Fak­tor, wir müs­sen Rück­sicht dar­auf neh­men, wie es den Frauen geht.“ Arzt wei­ter: „Prä­na­tal­me­di­zin darf keine Angst machen, son­dern soll für die Frauen da sein, wenn es Pro­bleme gibt“, betont Arzt. „Und wenn es keine Pro­bleme gibt, ist es wun­der­bar, wenn wir das nach­wei­sen kön­nen. Das ist unsere Aufgabe.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2020