COVID-19: Plasmaspende nach Genesung

10.06.2020 | Coronavirus, Medizin

Frühestens 28 Tage nach dem Ende der klinischen Symptomatik können Personen nach COVID-19 Plasma spenden. Idealerweise wird das Rekonvaleszentenplasma frühzeitig zugeführt, um den Krankheitsverlauf zu erleichtern oder zu verkürzen. Menschen, die nach COVID-19 genesen sind, werden zur Plasma-Spende aufgerufen.
Sophie Fessl

Bei der Behandlung von an COVID-19 Erkrankten werden nicht nur neue Therapien entwickelt, zum Teil kommt eine althergebrachte Methode zum Einsatz: die passive Immunisierung durch Übertragung von Antikörpern, die Emil von Behring in den 1890er Jahren zur Behandlung von Diphtherie entwickelte. Derzeit sind in Österreich bereits 15.000 Menschen von einer Infektion mit dem Corona-Virus genesen; in ihrem Plasma sind daher bereits Antikörper gegen das neuartige Virus vorhanden. Nach einer Plasmaspende können diese Antikörper andere Patienten bei der Abwehr der Krankheit unterstützen.

COVID-19-Genesene können derzeit unter anderem im AKH Wien, beim Österreichischen Roten Kreuz und seinen klinischen Partnern sowie bei Plasmapherese-Instituten Plasma spenden. Christof Jungbauer vom Blutspendedienst des Roten Kreuzes für Ost-Österreich erklärt den Aufruf zur Plasmaspende. „Menschen, deren COVID-19 Erkrankung mittels eines positiven PCR-Test gesichert wurde, können frühestens 28 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik beim Österreichischen Roten Kreuz Plasma spenden. Nach einer weiteren Bearbeitung wird dieses Rekonvaleszenten-Plasma an Patienten verabreicht, die es benötigen. Ihnen überträgt man so die Antikörper von Menschen, die die Virusinfektion überstanden haben.“

Im Falle der Blutspendedienste wird zumeist das Rekonvaleszenten-Plasma von mehreren Spendern gepoolt. „Dadurch werden Schwankungen im Antikörper-Gehalt und in der Qualität ausgeglichen. Nach einem anschließenden Pathogen-Inaktivierungsschritt sind die therapeutischen Einheiten zur direkten Transfusion hergestellt“, beschreibt Jungbauer den Vorgang. Die pharmazeutische Industrie plant auch, Hyperimmunglobulin-Präparate herzustellen. „Hier handelt es sich um ein fraktioniertes Produkt, wo nur die Immunoglobulin-Fraktion angereichert vorhanden ist.“

Beide Zugänge haben ihre Vorteile, betont Jungbauer. „Beide therapeutischen Optionen enthalten die gleichen aktiven Antikörper, beide sind relativ lange haltbar. Das Rekonvaleszenten-Plasma der Blutspendedienste kann mehrere Jahre tiefgefroren gelagert werden. Außerdem ist das Rekonvaleszenten-Plasma der Blutspendedienste sehr schnell verfügbar, während die Herstellung der fraktionierten Produkte der pharmazeutischen Industrie länger dauert. Diese sind dafür dann in größeren Mengen in normierter Qualität verfügbar.“

Sichere Spende

Um die Sicherheit des Rekonvaleszenten-Plasmas zu gewährleisten, werden alle vorgeschriebenen Testungen durchgeführt. Zusätzlich wird der Antikörper-Titer gegen CoV-2 überprüft. „Bei den ersten Spendern erfolgte das mit zwei Methoden: einerseits mit einem kommerziellen Immunoassay, andererseits mit einem Neutralisationstest, der von Takeda Global Pathogen Safety durchgeführt wurde. Der Neutralisationstest ist der Goldstand. Allerdings werden für die mittel- und langfristige Durchführung andere Tests verwendet.“ Die Pathogeninaktivierung erfolgt mittels Amotosalen/UV-A: Amotosalen lagert sich in die RNA von SARS-Coronavirus-2 ein. Nach UV-A-Bestrahlung wird Amotosalen kovalent an die Nukleinsäure-Stränge gebunden und hemmt so die Replikation irreversibel. „Man kann mit höchster Sicherheit annehmen, dass so behandelte Blutkomponenten nicht mehr infektiös sind“, betont Jungbauer.

COVID-19 Genesene sollten idealerweise 28 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik spenden. „Die Antikörper sind zu diesem Zeitpunkt qualitativ und quantitativ sehr gut. Es gibt einen hohen Antikörper-Titer und die Affinität und Avidität sind sehr gut ausgeprägt. Eine spätere Spende ist grundsätzlich möglich, allerdings ist bei SARS-Coronavirus-2 noch nicht klar, wir rasch ein Titer-Abfall stattfindet“, betont Jungbauer. Durch die Plasmaspende wird die Antikörper-Bildung beim Genesenen nicht beeinflusst; diese bleiben trotz Spende geschützt.

Die Übertragung von Antikörpern gegen das Corona-Virus mittels Rekonvaleszenten-Plasma hilft einerseits durch die Neutralisierung der Viren selbst. So wird verhindert, dass die Viren ihre Zielzellen erreichen und infizieren können. Neben der direkten Neutralisierung wirkt das Plasma durch drei weitere Antikörper-vermittelte Effekte: Komplement-Aktivierung, Antikörper-vermittelte zelluläre Zytotoxizität sowie Antikörper-vermittelte Phagozytose.

Idealerweise werden die Antikörper frühzeitig zugeführt, um den Krankheitsverlauf zu erleichtern oder zu verkürzen. „Die Immunisierung braucht eine gewisse Zeit vom Zeitpunkt der Infektion bis zur Eliminierung der Krankheitserreger. Auch um die Serokonversion, also dem Einsetzen der eigenen Antikörper-Bildung, haben Antikörper noch nicht die gleiche Qualität und Bindungsstärke wie Antikörper, die Tage oder Wochen später gebildet werden. Selbst zu diesem Zeitpunkt kann man noch durch die Zufuhr reiferer Antikörper profitieren“, erklärt Jungbauer. Je früher im Verlauf der Erkrankung das Rekonvaleszenten-Plasma eingesetzt wird, desto früher kann eine weitere Virusvermehrung eingedämmt werden; bereits bestehende Schäden können durch übertragene Antikörper natürlich nicht repariert werden.

Erste Erfahrungen aus Studien

Für die Verwendung von Rekonvaleszenten-Plasma bei COVID-19 Erkrankten gibt es zwar bereits Studien, diese haben allerdings noch nicht den höchsten Evidenz-Grad. Bereits bei anderen Coronavirus-Ausbrüchen, bei SARS-1 im Jahr 2003 sowie bei MERS im Jahr 2012, wurde Rekonvaleszenten-Plasma angewandt; die Berichte dazu hatten ebenfalls keinen hohen Evidenz-Grad. Aber Jungbauer ist optimistisch, dass in absehbarer Zeit randomisierte Studien vorliegen werden. „Wir brauchen Therapieoptionen für Menschen, die erkrankt sind. Mit aller angebrachter Vorsicht dürfte das Rekonvaleszenten-Plasma eine Option sein. Eine jüngst erschienene Studie der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York mit 39 Patienten beschreibt einen positiven Effekt des Plasmas. Diese Studie war bereits eine Matched Control-Studie. „Da das SARS-Coronavirus-2 noch länger prävalent sein wird, bin ich mir sicher, dass wir mit prospektiv randomisierten Studien die Klarheit bekommen werden, die wir benötigen“, erklärt Jungbauer

Österreich hat Vorräte

Auch in Österreich wurden bereits etliche Patienten mit dieser Therapie behandelt, weiß Jungbauer. „In Wien und Niederösterreich wurden bis jetzt zwölf Patienten mit Rekonvaleszenten-Plasma behandelt. Dadurch, dass Plasma erst 28 Tage nach Ende der Symptomatik gespendet werden kann, gibt es da natürlich eine Verzögerung. Trotzdem ist Rekonvaleszenten-Plasma eine relativ schnell verfügbare Therapieoption.“

Dadurch sieht Jungbauer Österreich gut für eine zweite Welle an Infektionen gerüstet. „Das Plasma wird nur bei Spitalspatienten angewendet. Sollte der Bedarf wieder steigen, gibt es ausreichend Präparate für schwer verlaufende Fälle, aber zu wenig, um es jedem, der an COVID-19 erkrankt, zu verabreichen. Diese Situation hatten wir bei der ersten Welle nicht. Insgesamt sind wir damit in Österreich ganz gut aufgestellt. Es gibt Vorräte.“


Plasmaspenden

Plasmaspenden sind u.a. möglich:
• Transfusionsmedizinische Institute der Medizinischen Universitäten Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg
• Österreichisches Rotes Kreuz/Blutspendedienst
• Plasmapherese-Institute

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2020