Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

25.05.2020 | Medizin

Grazer entwickeln Wirkstoff­implantat bei Gehirn­-Aneurysma

Das Grazer Start­Up Unternehmen BIT Pharma hat einen neuen Ansatz verfolgt, Kalziumkanalblocker nach Hirn­Aneurysmen besser ins Gehirn zu transportieren und damit Gefäßspasmen vorzubeugen. Sie haben einen Wirkstoffträger aus Bio­Polymer entwickelt, der im Zuge des Clippings in direktem Kontakt mit den freiliegenden zerebralen Blutgefäßwänden implantiert werden soll. Der Kalziumkanalblocker Nicardipin ist in der Matrix des Implantats aufgelöst und wird über 14 Tage von dort abgegeben. Erste Studien haben ergeben, dass Wirkstoff und Matrix im Organismus verstoffwechselt werden. In der Phase IIa der klinischen Prüfung konnte der Wirkstoff im Blutkreislauf fast nicht nachgewiesen werden, was laut den Forschern vermuten lässt, dass er keine systemischen Nebenwirkungen verursachen kann. Die Phase IIb­Studie wurde Anfang April an Kliniken in Innsbruck, Linz, Wien, Berlin, München und Göttingen gestartet. APA

750 bis 1.500 zusätzliche Suizide pro Jahr soll es laut einer Modellrechnung von Forschern der Universität Sydney (Australien) in den kommenden fünf Jahren geben. Das prognostizieren die Wissenschafter als Folge der finaniziellen und seelischen Auswirkungen der Corona-Krise. Durch die Schließung von Schulen und sozialen Treffpunkten werden etwa 30 Prozent der zusätzlichen Suizide Jugendliche betreffen. Bislang wurden jährlich insgesamt rund 3.000 Suizide registriert. APA

MedUni Innsbruck: Studien zu Covid­19

Die Medizinische Universität Innsbruck erforscht in rund 40 unterschiedlichen Studien das Corona­Virus. Untersucht werden dabei nicht nur Übertragungswege und Therapien sondern auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Zum Beispiel werden in der „Ischgl­Studie“ neben den Antikörpertests – deren Ergebnisse in der zweiten Maihälfte vorliegen sollen – auch die Auswirkungen der sechswöchigen Abschottung auf die Bevölkerung untersucht. In einer weiteren Untersuchung wollen die Forscher die potentielle Übertragungsweise des Virus von infizierten Müttern auf Neugeborene herausfinden und den bestmöglichen Schutz erforschen. Bestandteil der Forschung ist auch die psychische Gesundheit bei vulnerablen Gruppen sowie ein neues Tele­Gesundheitssystem, bei dem positiv getestete Personen mittels Ohrsensor ständig mit dem Krankenhaus verbunden sind und in ihrer häuslichen Isolation engmaschig überwacht werden. Insgesamt stehen dafür 4,7 Millionen Euro zur Verfügung; 3,2 Millionen davon stammen vom Land Tirol. APA

Risiko für Kolorektalkarzinom beeinflussbar

Erstmals haben Wissenschafter  um Prudence Carr vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) alle bekannten Risikofaktoren für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms miteinander verglichen. Dazu haben sie die Daten von mehr als 4.200 Menschen mit Darmkrebs und mehr als 3.300 Kontrollpersonen analysiert und das absolute Risiko berechnet, ab dem 50. Geburtstag innerhalb von 30 Jahren ein Kolorektalkarzinom zu entwickeln. Anhand des genetischen Risikos und der Lebensstil­Faktoren wurden die Probanden in jeweils drei Gruppen mit hohem, mittlerem oder niedrigem Risiko eingeteilt; auch wurde berücksichtigt, ob jemals eine Koloskopie durchgeführt wurde. Wichtigstes Ergebnis: Sogar bei Menschen mit erhöhtem genetischen Risiko verringerte sich durch die Koloskopie und einen gesunden Lebensstil die Gefahr, an Darmkrebs zu erkranken, dramatisch. So lag das 30­Jahres­Risiko für Darmkrebs bei Männern mit mittlerem genetischen Risiko, einem durchschnittlichen Lebensstil und ohne Koloskopie bei 7,4 Prozent. Bei Männern mit vergleichbarem genetischem Hintergrund, die jedoch gesünder lebten und eine Koloskopie wahrgenommen hatten, waren es nur 1,9 Prozent. APA

Alzheimer: Neuer Ansatz für Therapie?

Einen Mechanismus, der für mögliche Therapien bei M. Parkinson und M. Alzheimer entscheidend sein könnte, hat ein internationales Team um Sebastian Jessberger von der Universität Zürich entdeckt. Die Forscher untersuchten die genetische Veränderung eines Enzyms des Fettstoffwechsels – der Fettsäuresynthase (FASN) – im Mausmodell und in humanen Hirnorganoiden, organähnlichen Zellkulturen des Gehirns aus menschlichen embryonalen Stammzellen. Das Erbgut wurde experimentell so verändert, dass FASN die gleiche Mutation aufwies wie bei Menschen mit kognitiven Defiziten. Diese Mutation führte im Tiermodell und in den Hirnorganoiden zur verminderten Teilung von Stammzellen, die neue Neuronen bilden. Durch die Überaktivierung des mutierten FASN sammeln sich Fette im Zellinnern an, was die Teilungsfähigkeit der Zellen reduziert. Damit konnten die Forscher erstmals zeigen, dass FASN die lebenslange Aktivität von Hirnstammzellen reguliert; ist das Enzym fehlerhaft, sind die Lernund Gedächtnisleistung eingeschränkt. APA/Cell Stem Cell

Covid­19: Schutz durch Tuberkulose­-Impfung?

Südafrikanische Wissenschafter um Prof. Andreas Diacon vom Tygerberg­Krankenhaus in Kapstadt wollen herausfinden, ob die BCG­Impfung gegen Covid­19 wirkt. Mehrere Studien hätten gezeigt, dass Kinder, die mit BCG geimpft waren, seltener an Atemwegserkrankungen leiden. In einer klinischen Studie haben die Forscher in Kapstadt nun 250 Pflegekräfte mit BCG und 250 weitere mit Placebo geimpft. Insgesamt sollen 3.000 Beschäftigte des Gesundheitswesens an der Studie teilnehmen; die Probanden werden mindestens ein Jahr lang beobachtet. Ähnliche Studien, um eine mögliche Schutzwirkung von BCG nachzuweisen, laufen derzeit auch in den Niederlanden, Australien und Frankreich. APA

Schallwellen lenken Nervenzellen

Forschern um Utkan Demirci von der Stanford University (USA) und Aleksandr Ovsianikov von der Technischen Universität Wien ist es gelungen, mittels Schwallwellen Nervenzellen in mikroskopisch kleine Käfige aus dem 3D­Drucker zu sperren und sie dazu zu bringen, Verbindungen einzugehen. Dadurch sollen gezielt neuronale Netzwerke erzeugt und untersucht werden. Weil die Gitteröffnung der Käfige nur wenige Mikrometer groß ist, können Zellen ins Innere wandern, nach der Verbindung mit anderen Zellen den Käfig aber nicht mehr verlassen. Mit dieser Methode wollen die Forscher neuronale Netzwerke erzeugen und damit „wichtige biologische Fragen untersuchen, auf die man sonst experimentell keinen direkten Zugang hätte“, so Ovsianikov. APA/Biofabrication

Covid­19: erste Erfolge bei Antikörpern

Weltweit melden Wissenschafter erste kleine Erfolge bei der Suche nach Antikörpern gegen COVID­19. So ist es in den Niederlanden gelungen, einen menschlichen Antikörper herzustellen, der in Zellversuchen SARS­CoV­2 ausschalten konnte. Ob die Blockade auch beim Menschen funktioniert, ist allerdings unklar. Auch ein Team um den Braunschweiger Virologen Luka Cicin­Sain hat nach eigenen Angaben Antikörper nachgewiesen, die SARS­CoV­2 am Eindringen in Zellen hindern könnten. Vom Helmholtz­Zentrum für Infektionsforschung (HZI), der Technischen Universität Braunschweig und einem Antikörper­Unternehmen wiederum sind 6.000 künstlich hergestellte menschliche Antikörper analysiert worden. Mehr als 750 Antikörper davon würden an SARS­CoV­2 andocken – was eine Voraussetzung dafür ist, den Erreger zu bekämpfen. Diese Antikörper will Cicin­Sain im Hochsicherheitslabor an Zellkulturen, die dem Virus ausgesetzt werden, auf ihre Wirksamkeit testen. Bisher konnte die prinzipielle Wirksamkeit von Antikörpern gegen SARS­CoV­2 nur im Labor nachgewiesen werden, nicht aber an Tieren oder Menschen. APA/Nature Communications

Notfall­-Beatmungsgerät aus der Steiermark

Zusammen mit der Medizinischen Universität Graz und der Technischen Universität Graz hat die Steirische Firma Hage Sondermaschinenbau in nur wenigen Wochen ein Notfall­Beatmungsgerät entwickelt, das ab sofort eingesetzt werden kann. Die rund 7.000 Euro teure Maschine soll nur vorübergehend im Notfall eingesetzt werden. Es handelt sich um kein Medizinprodukt und kann ein zugelassenes medizinisches Beatmungsgerät nicht ersetzen. Da das Gerät komplett aus industriell verfügbaren Teilen gebaut wurde, sei man damit allerdings auf eine zweite Welle der Corona­Pandemie gut vorbereitet. Pro Woche können 1.000 Stück produziert werden, sofern die regionalen Lieferanten alle Komponenten bereitstellen können. APA

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2020