Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

10.10.2020 | Medizin

Alkoholassoziierte Demenz: durch Eisen verursacht

Eisenablagerungen im Gehirn könnten eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung einer Demenz bei Alkohol-induziertem Vitamin B1-Mangel spielen. Diese Hypothese erarbeitete eine Gruppe von Wissenschaftern um Stephan Listabarth von der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der Universitätsklinik für Psychotherapie und Psychiatrie der MedUni Wien. Die Ablagerungen im Gehirn entstehen den Forschern zufolge aufgrund des erhöhten Eisenspiegels im Blut bei Alkoholabhängigen; der Mangel an Vitamin B1 erhöht die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Eisen. Der Pathomechanismus, der zu den oxidativen Gewebsschädigungen unter anderem an den Basalganglien führt, könne somit möglicherweise durch die Gabe von Vitamin B1 aufgehoben werden. Außerdem könnte der Einsatz von Medikamenten zur Senkung des Eisenspiegels sinnvoll sein. Eine prospektive klinische Studie über den Zusammenhang zwischen Alkoholabusus, B1-Mangel und zerebralen Eisenablagerungen ist bereits in Planung. MedUni Wien/Alzheimer’s and Dementia

Krebs und COVID-19: kaum Ansteckungen bei Hospitalisierung

Bei Karzinompatienten, die im AKH Wien stationär betreut wurden, zeigte sich keine höhere Infektionsrate mit SARS-CoV-2 im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Das interuniversitäre Forschungsteam um Univ. Prof. Matthias Preusser von der Klinischen Abteilung für Onkologie der MedUni/AKH Wien führte zwischen 21. März und 4. Mai 2020 1.688 PCR-Testungen bei 1.016 Krebspatienten durch; vier der Probanden waren positiv. Anhand einer statistischen Analyse verglichen Wissenschafter der Universität Klagenfurt, Salzburg und Wien die Daten mit jenen der österreichweiten SARS-CoV-2 Prävalenzstudie des SORA-Instituts und einer Kontrollgruppe von Nicht-Karzinompatienten – getestet am Eingang des AKH. Die niedrigen Infektionsraten bei Krebspatienten zeige, dass die Versorgung sowie die Fortsetzung einer Chemotherapie auch im Rahmen der COVID-19-Pandemie möglich sei, resümiert Erstautorin Anna Berghoff; allerdings nur unter Einhaltung strenger Richtlinien wie regelmäßiger Testungen zur Identifikation asymptomatischer Patienten. MedUni Wien/Journal of Clinical Oncology

28,6 Prozent

der Patienten, die Metformin einnehmen, entwickeln Komplikationen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2. Von denen, die andere Antidiabetika einnehmen, erkranken nur 7,4 Prozent schwer, ergab eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie der Central South University in China an 110 hospitalisierten COVID-19-Betroffenen mit Diabetes mellitus. Diese Personengruppe sollte besonders überwacht werden, so die Autoren. Clinical and Translational Science

M. Parkinson: Cannabinoid bessert nicht-motorische Symptome

Das für Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen zugelassene Cannabinoid Nabilon, ein synthetisches Analogon von Tetrahydrocannabinol (THC), führte im Rahmen einer Studie zu nachweislichen Verbesserungen der bisher nur begrenzt therapierbaren nicht-motorischen Symptome (NMS) bei M. Parkinson. Die Forscher verwendeten in dieser ersten randomisiert kontrollierten Studie ein Entzugsdesign, bei dem alle Teilnehmer auf Nabilon eingestellt wurden. Es zeigte sich eine Verbesserung der gesamten NMS-Belastung unter Nabilon, was sich speziell in der Verminderung der Angstzustände und der Schlafstörungen widerspiegelt. „Die Studie ergänzt den bisher begrenzten Nachweis zur Wirksamkeit einer Behandlung auf Cannabinoid-Basis bei Patienten mit störenden NMS bei Parkinson“, so das Fazit der Forscher. MedUni Innsbruck/Annals of Neurology

Sport bei Typ 1-Diabetes und Blutzuckermanagement

Ein Team aus 30 Wissenschaftern der MedUni Graz um Priv. Doz. Othmar Moser und des King‘s College in London erarbeitete kürzlich internationale Empfehlungen für sportliche Aktivitäten bei Typ 1-Diabetes ohne gefährliche Blutzuckerschwankungen. Ziel sei es, die Empfehlung zu sportlicher Tätigkeit in den Therapieplan von Typ 1-Diabetikern zu integrieren und anhand des Einsatzes von personalisierter Medizin eine große Zielgruppe zu erreichen, so Moser. Das Consensus Statement gibt u.a. vor, ab welchem Glukosewert während des Sports eine zusätzliche Insulingabe indiziert ist, sowie die individuell notwendige Zufuhr von Kohlenhydraten, um eine Entgleisung zu verhindern. Anhand eines Trackings via App soll das Glukosemanagement außerdem erleichtert werden. MedUni Graz/EASD

Prinzip der Kortison-Wirkung: DNA-Bindung

Die effiziente Ausschaltung des Glukokortikoid-Rezeptors erfolgt vermutlich anhand einer DNA-Bindung und nicht wie bisher angenommen durch Protein-Protein-Wechselwirkungen. Zu diesem Schluss kommt die Arbeitsgruppe von Henriette Uhlenhaut, Professorin für Metabolic Programming und Molekulare Endokrinologie an der Technischen Universität München (TUM) am Mausmodells. Ohne die Bindung an Chromosomen, Chromatin oder an Gene durch den Glukokortikoid-Rezeptor erfolgt keine Abschaltung der Immunabwehr. Die Erkenntnis der Wissenschafter könnte für die Entwicklung von nebenwirkungsärmeren Glukokortikoid-Alternativen genutzt werden. Bislang hatten sich viele Forschungs-Ansätze auf die Protein-Protein-Kontakte konzentriert, was möglicherweise eine Erklärung für den ausbleibenden Erfolg darstellt. TUM/Nucleic Acids Research

Gehirntumore: Mitchondrien als Sauerstofflieferanten

Zellen von Gehirntumoren verändern durch Fusionierung von Mitochondrien ihren Stoffwechsel, um für ihr Wachstum noch mehr Sauerstoff zu generieren. Das haben Forscher um Prof. Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien herausgefunden.  Bisher hatte man angenommen, dass Tumoren Energie hauptsächlich aus Zucker durch Glykolyse gewinnen. Die Forscher untersuchten die Rolle des Energie-Zellstoffwechsels von bestimmten Gehirntumorzellen der Fruchtfliege Drosophila melanogaster mit der Mutation im Gen ‚Brat‘. Dabei zeigte sich, dass die Tumorzellen im Vergleich zu gewöhnlichen Nervenzellen wesentlich mehr Sauerstoff verbrauchen. In der Phase der Krebsentstehung fusionieren Mitochondrien, was zur Steigerung der Energiezufuhr durch Sauerstoff führt. Bei Drosselung der Sauerstoffzufuhr verringert sich das Tumorwachstum. „Wir haben gute Hinweise darauf, dass sich Hirntumore und einige andere Krebsformen beim Menschen genauso verhalten“, sagt Knoblich. Dies könne den Weg für neue Therapien ebnen. ÖAW/Cell

Haarefärbemittel erhöhen teilweise das Krebsrisiko

Der persönliche Gebrauch von permanenten Haarfärbemitteln hat keinen nennenswerten Einfluss auf die meisten Krebsarten und die dadurch bedingte Mortalität, so das Ergebnis einer großen prospektiven Studie zu Haarfärbemitteln und deren potentiell kanzerogenen Wirkung. Forscher um Univ. Prof. Eva Schernhammer von der Abteilung für Epidemiologie von der MedUni Wien analysierten die Daten von 117.200 US-Amerikanerinnen, die 36 Jahren hindurch beobachtet wurden. Es zeigt einen Konnex von häufigem Haare färben mit dem Auftreten von Basalzellkarzinomen, Hormonrezeptor-negativem Mammakarzinomen und Ovarialkarzinomen. Das Risiko verhält sich heterogen zur natürlichen Haarfarbe: Natürlich blonde Frauen weisen ein speziell erhöhtes Risiko für Basalzellkarzinome, nur Dunkelhaarige für Morbus Hodgkin auf. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte die berufliche Exposition gegenüber Haarfärbemitteln als wahrscheinlich karzinogen ein; der persönliche Gebrauch galt bis dato als nicht klassifizierbar. MedUni Wien/British Medical Journal

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2020