Lipidsen­kung: mode­rat vs. intensiv

25.01.2020 | Medizin


Kön­nen mit einer Sta­tin­the­ra­pie im Rah­men der best­ver­träg­li­chen Dosis die gewünsch­ten Ziel­werte auch durch die zusätz­li­che Gabe von Eze­timib nicht erreicht wer­den, ste­hen wei­tere, neue Sub­stan­zen zur Ver­fü­gung. Die Bedeu­tung von HDL-Cho­le­ste­rin für die Sen­kung des kar­dio­vas­ku­lä­ren Risi­kos konnte in aktu­el­len Stu­dien nicht belegt werden.

Jen­ach Risi­ko­grad erge­ben sich bei der Lipidsen­kung unter­schied­li­che LDL-Ziel­werte. „Bei Dia­be­ti­kern oder Pati­en­ten nach einem kar­dio­vas­ku­lä­ren Ereig­nis wie Myo­kard­in­farkt, Schlag­an­fall oder PaVK ist ein LDL-Wert von weni­ger als 55 Mil­li­gramm pro Dezi­li­ter zu erzie­len“, erklärt Univ. Prof. Bern­hard Lud­vik von der 1. Medi­zi­ni­schen Abtei­lung mit Dia­be­to­lo­gie, Endo­kri­no­lo­gie und Nephrolo­gie der Kran­ken­an­stalt Rudolfs­tif­tung in Wien. In der Regel kom­men dabei Sta­tine zum Ein­satz – vor allem Ator­vas­ta­tin und Rosuvas­ta­tin. „Für Dia­be­ti­ker mit einem bereits ein­ge­tre­te­nen kar­dio­vas­ku­lä­ren Ereig­nis wur­den in den USA schon nied­ri­gere Grenz­werte vor­ge­schla­gen, die auch im Rah­men der öster­rei­chi­schen Gui­de­lines in Zukunft auf­ge­grif­fen wur­den“, ergänzt Univ. Prof. Tho­mas Stul­nig von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin III in Wien. Für diese Pati­en­ten sind aktu­ell Ziel­werte von 55 mg/​dl LDL-Cho­le­ste­rin vor­ge­se­hen. Dabei gilt: je nied­ri­ger das LDL-Cho­le­ste­rin, umso gerin­ger das kar­dio­vas­ku­läre Risiko. Daher gibt es auch keine Unter­grenze beim LDL-Cho­le­ste­rin. Ent­spre­chend den aktu­el­len ESC-Leit­li­nien sind nun auch die Ziel­werte für andere Risi­ko­grup­pen nach unten ange­passt wor­den. Bei der Sta­tin­the­ra­pie unter­schei­det man laut Stul­nig zwi­schen einer mode­ra­ten und einer inten­si­ven The­ra­pie­form, wobei letz­tere deut­li­che Vor­teile hat. „Mit der mode­ra­ten Sta­tin­the­ra­pie wird eine LDL-Reduk­tion von etwa 40 Pro­zent erreicht – klas­si­scher­weise durch die Gabe von zehn Mil­li­gramm Ator­vas­ta­tin.“ Mit der hoch­do­sier­ten inten­si­ven Sta­tin­the­ra­pie, die für Pati­en­ten not­wen­dig ist, die sehr nied­rige Ziel­werte errei­chen müs­sen, werde durch die Gabe von 20 oder 40 Mil­li­gramm Rosuvas­ta­tin bezie­hungs­weise 40 oder 80 Mil­li­gramm Ator­vas­ta­tin eine LDL-Reduk­tion von 50 Pro­zent oder etwas mehr erreicht. Wei­tere The­ra­pie-
mög­lich­kei­ten stel­len Eze­timib, das das LDL-Cho­le­ste­rin addi­tiv um etwa 20 Pro­zent senkt, oder Medi­ka­mente wie Gal­len­säu­re­bin­der dar, die bei spe­zi­el­len Indi­ka­tio­nen ein­ge­setzt werden. 

Neue Sub­stan­zen

Ist die Sta­tin­the­ra­pie im Rah­men der höchst­ver­träg­li­chen Dosis bereits aus­ge­reizt, die gewünsch­ten Ziel­werte auch nicht durch Zugabe von Eze­timib erreicht, ste­hen wei­tere, neue Sub­stan­zen zur Ver­fü­gung. „Die sehr poten­ten PCSK9-Inhi­bi­to­ren wer­den 14-tägig inji­ziert, sind fak­tisch neben­wir­kungs­frei, wei­sen gute End­punkt-Stu­dien auf und sen­ken das LDL um 65 Pro­zent“, erklärt Lud­vik. Und Stul­nig meint: „Stu­dien haben gezeigt, dass das Wie­der­auf­tre­ten von Herz­in­fark­ten, Schlag­an­fäl­len und ähn­li­chen kar­dio­vas­ku­lä­ren Ereig­nis­sen durch Ali­ro­cu­mab und Evo­lo­cu­mab redu­ziert wer­den konnte.“

Ein beson­ders hohes Risiko für ein früh­zei­tig auf­tre­ten­des kar­dio­vas­ku­lä­res Risiko haben Per­so­nen mit einer fami­liä­ren Hyper­cho­le­ste­rin­ämie. Im Rah­men der Fami­li­en­ana­mnese ist es laut Lud­vik wich­tig, diese auto­so­mal-domi­nante Erkran­kung früh zu erken­nen und beson­ders bei sehr hohen LDL-Wer­ten von 190 mg/​dl hell­hö­rig zu wer­den. „Bei der fami­liä­ren Hyper­cho­le­ste­rin­ämie möch­ten wir bei den Betrof­fe­nen zumin­dest ein LDL von unter 100 mg/​dl erzie­len. Manch­mal muss mit einer The­ra­pie schon im Kin­des- oder Jugend­al­ter begon­nen wer­den“, betont Lud­vik. In den Län­dern – vor allem in den Nie­der­lan­den -, in denen diese Pati­en­ten kon-
sequent the­ra­piert wer­den, habe sich das Risiko für einen früh­zei­ti­gen Myo­kard­in­farkt dra­ma­tisch redu­ziert, wie Stul­nig erklärt. Ein zusätz­li­cher, unab­hän­gi­ger Risi­ko­fak­tor für kar­dio­vas­ku­läre Ereig­nisse ist das Lipo­pro­tein a und sollte „bei jedem zumin­dest ein­mal im Leben über­prüft wer­den“ (Lud­vik). Und wei­ter: „Wir kön­nen Lipo­pro­tein a heute nur durch die PCSK9-Inhi­bi­to­ren sen­ken. In der Regel errei­chen wir damit eine Reduk­tion von bis zu 30 Pro­zent.“ Wird auch damit kein Erfolg erzielt, kann eine Aphe­rese not­wen­dig sein.

Ziel­werte beachten

Am wich­tigs­ten bei der The­ra­pie ist es jedoch, die Ziel­werte zu beach­ten. „Die Pati­en­ten müs­sen kon­se­quent mit hoch­po­ten­ten Sta­ti­nen behan­delt wer­den. Wenn man die Ziel­werte dadurch nicht erreicht, sollte eine Über­wei­sung an eine Lipid­stoff­wech­sel-Ambu­lanz erfol­gen“, erklärt Lud­vik. Gleich­zei­tig ist es wich­tig, Pati­en­ten mit einer fami­liä­ren Hyper­cho­le­ste­rin­ämie durch eine ent­spre­chende Fami­li­en­ana­mnese früh zu iden­ti­fi­zie­ren und zu behan­deln. „Grund­sätz­lich sollte man keine Sorge vor einem zu nied­ri­gen LDL-Wert haben. Die Zel­len sind nicht auf LDL-Cho­le­ste­rin ange­wie­sen und es gibt auf­grund der Daten­lage kei­nen unte­ren Grenz­wert, den man aus Sicher­heits­grün­den nicht unter­schrei­ten darf“, führt Stul­nig wei­ter aus. Gleich­zei­tig sind die Sta­tine durch eine gute Ver­träg­lich­keit cha­rak­te­ri­siert. Dem­nach gäbe es keine Medi­ka­men­ten­gruppe, die in mehr ran­do­mi­sier­ten, kon­trol­lier­ten Stu­dien mit einer grö­ße­ren Anzahl von Pati­en­ten unter­sucht wurde und das Risiko für Myo­kard­in­farkte, Insulte bezie­hungs­weise die damit zusam­men­hän­gende Mor­ta­li­tät so signi­fi­kant gesenkt hat wie die Sta­tine, ohne gleich­zei­tig Ein­fluss auf Kar­zi­no­ment­ste­hung oder Ähn­li­ches zu neh­men. „Her­vor­zu­he­ben ist auch, dass es sich um eine Dau­er­the­ra­pie han­delt. Sind die Ziel­werte erreicht, darf die The­ra­pie nicht redu­ziert wer­den, da das LDL sonst wie­der zunimmt“, betont der Experte.

Die Bedeu­tung der medi­ka­men­tö­sen Stei­ge­rung des HDL-Cho­le­ste­rins für die Sen­kung des kar­dio­vas­ku­lä­ren Risi­kos konnte den Aus­sa­gen der bei­den Exper­ten zufolge in aktu­el­len Stu­dien nicht belegt wer­den und hat die Auf­merk­sam­keit bei der Dis­kus­sion um medi­ka­men­töse Maß­nah­men ver­lo­ren. „Man kann der­zeit nicht sagen, dass man durch eine medi­ka­men­töse HDL-Stei­ge­rung irgend­ei­nen kli­ni­schen Vor­teil für den Pati­en­ten gene­riert“, fasst Stul­nig zusam­men. In eini­gen Stu­dien erwie­sen sich sehr hohe HDL-Werte sogar als Nach­teil. Ein mög­li­cher Grund liegt in der Tat­sa­che, dass bei der kli­ni­schen Rou­tine nur das End­pro­dukt gemes­sen wird und nicht die „frühe“, wirk­same Form des HDL, die der Ent­wick­lung der Athero­skle­rose ent­ge­gen­wirkt, so der Experte. „Künf­tige The­ra­pie­an­sätze wer­den viel­leicht auch die Tri­gly­ce­ride mit­ein­be­zie­hen“, weiß Lud­vik. Aus Sub­grup­pen­ana­ly­sen ist bekannt, dass Pati­en­ten mit einem nied­ri­gen HDL-Wert und erhöh­ten Tri­gly­ce­rid-Kon­zen­tra­tio­nen einen Bene­fit haben. Wäh­rend die Beein­flus­sung der End­punkte durch eine erhöhte Kon­zen­tra­tion an Tri­gly­ce­ri­den bis­lang nicht ganz geklärt war, hätte eine neue Stu­die mit einer hoch­ge­r­ei­nig ten Omega-3-Fett­säure zusätz­lich zum Sta­tin einen Vor­teil bei den kar­dio­vas­ku­lä­ren End­punk­ten gezeigt, berich­tet Lud­vik. (sla)

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.1.2020