Biosimilars: Individuell therapieren

10.02.2020 | Medizin

Bereits seit 2013 gibt es im CED-Rheuma-Bereich Erfahrungen mit Biosimilars; dennoch gibt es nach wie vor immer wieder Vorbehalte. Vor Beginn einer Biologika-Therapie ist jedenfalls auf eine latente TBC und auf Hepatitis B zu untersuchen. Bei dieser Therapie müssen Dosis und Intervall der Medikation individuell auf jeden Patienten abgestimmt werden.
Laura Scherber

Biosimilars sind ein fester Bestandteil in der Therapie: „In der Rheumatologie und Gastroenterologie werden ebenso wie auch in der Dermatologie und Augenheilkunde seit annähernd 20 Jahren Biologika eingesetzt“, erläutert Univ. Prof. Ludwig Erlacher von der 2. Medizinischen Abteilung Rheumatologie und Osteologie des Sozialmedizinischen Zentrums Süd in Wien. Besonders in den letzten Jahren ist das Angebot an Original-Biologika durch den Ablauf des Patentschutzes durch eine Vielzahl von Biosimilars erweitert worden. Der entscheidende Faktor ist ihr günstiger Preis im Vergleich zum Originator. Biosimilars werden nur dann zugelassen, wenn entsprechende Untersuchungen die Vergleichbarkeit mit dem Originalpräparat in Bezug auf Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit bestätigen.

Oftmals Vorbehalte

Dennoch gibt es immer wieder Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Biosimilars. Univ. Prof. Harald Vogelsang von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien kennt die Angst der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: „Sie wissen genau, wie schlecht es ihnen mit der Symptomatik oder mit Komplikationen durch Operationen ergangen ist und wie gut es ihnen jetzt mit den Anti-TNF-α-Antikörper geht“. Soll auf ein Biosimilar umgestellt werden, entsteht nicht selten die Angst, dass die Wirkung schlechter sein könnte als bei der Originalsubstanz oder dass sich Antikörper gegen die Substanz entwickeln könnten. Die befürchteten Veränderungen registriert der Experte in der Praxis allerdings nicht. Aktuelle Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. So wurden in einer 2019 von S. Mahmmod et al präsentierten Studie zu Infliximab nur etwa 15 Prozent vom Biosimilar wieder auf den Originator umgestellt.

Dabei waren 69 Prozent der Betroffenen weiblich. „Womit das zu tun hat, ist nicht ganz klar. Diskutiert werden emotionale, psychogene Ursachen nach der Umstellung oder in seltenen Fällen vielleicht immunologische Hintergründe“, erläutert Vogelsang. Haben Patienten im Vorfeld zu große Vorbehalte gegenüber der Umstellung auf ein Biosimilar, empfiehlt es sich, beim Originalprodukt zu bleiben. Ist dies aus Kostengründen schwierig, kann man es doch in Verhandlungen mit der Krankenkasse eventuell argumentieren. Ähnlich verhält es sich bei Kindern und Jugendlichen. Hier wird mit dem Einsatz von Biosimilars vermutlich vorsichtiger umgegangen.

„Biosimilars haben nachweislich dazu beigetragen, die Kosten zu reduzieren“, fasst Erlacher zusammen. Und er ergänzt: „Sie sind weder besser noch schlechter als Original-Biologika“. In der Regel stellen sie im Vergleich zum Originalprodukt eine viel günstigere Therapieoption dar. In den Bereichen in der Rheumatologie, in denen noch keine Biosimilars eingesetzt werden, ist der Patentschutz der Grund. Doch nicht nur durch Biosimilars per se stehen günstigere Therapieoptionen zur Verfügung. Bei einigen Biologika ist es zu einer deutlichen Preissenkung gekommen. „So kann der Patient durch den nahezu gleichen Preis von Originalprodukt und Biosimilar bei seinem gewohnten Präparat bleiben“, so der Experte.

Darüber hinaus habe die Markteinführung von Biosimilars dazu geführt, dass „diese Therapie einem größeren Patientenkollektiv zur Verfügung steht“, resümiert Vogelsang. So wurde früher aufgrund des Preises sehr genau abgewogen, ob eine Therapie mit Anti-TNF-α-Antikörpern eingeleitet werden sollte oder nicht. Durch die Einführung von Biosimilars konnte die Schwelle, sich für den Einsatz dieser Medikamente zu entscheiden, verringert werden. Die positiven Konsequenzen: eine weitreichendere Versorgung, weniger Komplikationen und eine bessere Lebensqualität der Patienten.

Risiken für Infektionen

Obwohl mittlerweile viele Original-Biologika und Biosimilars in der Grünen Box und damit frei verschreibbar sind, ist das den Experten zufolge kritisch zu hinterfragen. „Immerhin handelt es sich um Immunsuppressiva mit gewissen Risken für Infektionen“, betont Vogelsang. Daher sei es unumgänglich, dass die definierten Voruntersuchungen – besonders auf latente Tuberkulose und Hepatitis B – im Vorfeld erfolgen. Ebenso wichtig ist die Zuweisung zu spezialisierten Zentren oder Fachärzten für regelmäßige Kontrollen im weiteren Krankheitsverlauf. Anti-TNF-α-Antikörper – egal ob Biosimilar oder Originator – sind keine „Selbstläufer“, sodass Dosis und Intervall ganz individuell auf den Patienten abgestimmt werden müssen. „Damit die Patienten entzündungsfrei werden, müssen Dosis und Intervall anhand der Calprotectin-Werte im Stuhl entsprechend adaptiert und optimiert werden“, erläutert Vogelsang am Beispiel von Adalimumab (CALM-Studie). Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass die Therapie versagt oder sogar Antikörper gegen die Substanz gebildet werden.

Die Wichtigkeit von regelmäßigen, fachspezifischen Kontrollen im Rahmen der modernen Rheumatologie wiederum betont Erlacher: Bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Patienten, die sehr gut auf diese Therapie ansprechen, kann die Dosis dieser Original-Biologika oder Biosimilars entsprechend reduziert werden; im Einzelfall kann die Therapie nach dem erfolgreichen Einsatz wieder abgesetzt werden. Voraussetzung für die Reduktion oder das Absetzen der Therapie ist das adäquate Monitoring der Krankheitsaktivität und eine individuell auf den Patienten abgestimmte Dosisreduktion. ◉

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2020