Gal­len­wegs- und Pan­kreas­er­kran­kun­gen: Ope­ra­tion oft alternativlos

25.11.2020 | Medizin


Die Cho­le­zys­tek­to­mie ist beim Vor­lie­gen von Gal­len­stei­nen, von denen mehr als zwei Drit­tel der über 65-Jäh­ri­gen betrof­fen sind, nicht die beste The­ra­pie, häu­fig ist sie jedoch alter­na­tiv­los. Das größte Risiko für die Ent­wick­lung eines Pan­kre­as­kar­zi­noms – neben Alko­hol­kon­sum – haben Frauen mit einer BRCA-Muta­tion oder ande­ren weib­li­chen Tumor­er­kran­kun­gen.
Laura Scher­ber

Forty, female, fat, fer­tile, fair – die typi­schen Risi­ko­fak­to­ren für die Ent­wick­lung von Gal­len­stein­er­kran­kun­gen sind rela­tiv klar. Rund ein Drit­tel der Bevöl­ke­rung ist von Gal­len­stei­nen betrof­fen, bei den über 65-Jäh­ri­gen sind es sogar zwei Drit­tel. Sym­pto­ma­ti­sche Gal­len­bla­sen­steine wer­den zusam­men mit der Gal­len­blase ope­ra­tiv ent­fernt. Sie äußern sich typi­scher­weise durch Schmer­zen im rech­ten Ober­bauch, vor allem nach dem Essen. „In sel­te­nen Fäl­len kann es durch die Gal­len­steine auch zu einem Ver­schluss des Gal­le­ab­flus­ses kom­men, sodass es zu Koli­ken, Ikte­rus, Fie­ber oder Sep­sis kom­men kann“, berich­tet Univ. Prof. Heinz Zol­ler von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin I in Inns­bruck. Asym­pto­ma­ti­sche Gal­len­bla­sen­steine, die meist per Zufalls­be­fund im Rah­men einer Ultra­schall­un­ter­su­chung dia­gnos­ti­ziert wer­den, bedür­fen hin­ge­gen kei­ner Behandlung.

„Wo man immer aktiv vor­ge­hen muss, ist bei der kom­pli­ka­ti­ons­träch­ti­gen Cho­le­docho­li­thi­asis, bei der durch die Blo­ckade der gemein­sa­men Mün­dung des Duc­tus pan­crea­ti­cus und Duc­tus cho­le­dochus eine biliäre oder litho­gene Pan­krea­ti­tis aus­ge­löst wer­den kann“, erklärt Univ. Doz. Her­bert Wur­zer von der Abtei­lung für Innere Medi­zin des Lan­des­kran­ken­hau­ses Graz II. Daher müsse der ent­spre­chende Gal­len­gangs­stein mit­tels endo­sko­pisch retro­gra­der Cho­lang­io­pan­krea­ti­ko­gra­phie (ERCP) und endo­sko­pisch aus­ge­führ­ter Papil­lo­to­mie (EPT) ent­fernt wer­den. Vor­aus­set­zung dafür ist eine in der Sono­gra­phie sicht­bare Dila­ta­tion der Gal­len­wege sowie erhöhte Werte der Gamma-Glut­amyl-Trans­fer­ase und Alka­li­schen Phos­phat­ase. Trifft keine oder nur eine der Vor­aus­set­zun­gen zu, ist zur dia­gnos­ti­schen Siche­rung des Gal­len­gangs­steins ent­we­der eine Magnet­re­so­nanz-Cho­lang­io­pan­krea­ti­ko­gra­phie (MRCP) oder ein endo­sko­pi­scher Ultra­schall indi­ziert. „Idea­ler­weise muss die Galle flie­ßen, da eine anti­bio­ti­sche Abde­ckung zu wenig ist, wenn eine Cho­lang­i­tis oder die Gefahr der Ent­wick­lung einer Cho­lang­i­tis besteht“, hebt Wur­zer her­vor. Kann eine Cho­le­docho­li­thi­asis – wie dies in sel­te­nen Fäl­len vor­kommt – nicht unmit­tel­bar ent­fernt wer­den, muss eine tem­po­räre Über­brü­ckungs­maß­nahme (wie zum Bei­spiel ein Plas­tik-Stent) gesetzt wer­den, damit der Gal­le­fluss mög­lich ist.

Im Rah­men der Dia­gnos­tik muss laut Zol­ler außer­dem abge­klärt wer­den, ob die Gal­len­bla­sen­wand ver­dickt ist und damit ein Hin­weis auf eine chro­ni­sche Ent­zün­dung vor­liegt. „Gal­len­steine sind häu­fig und obwohl Ober­bauch­schmer­zen und Gal­len­steine gemein­sam vor­kom­men, bedeu­tet das nicht, dass jeder Gal­len­stein für die Beschwer­den ver­ant­wort­lich ist“, betont der Experte. Und wei­ter: „Wenn aber im Ultra­schall eine ver­dickte Gal­len­bla­sen­wand auf­fällt, spricht das dafür, dass eine chro­ni­sche Gal­len­bla­sen­ent­zün­dung vor­liegt und damit ein Zei­chen für den ursäch­li­chen Zusam­men­hang zwi­schen Beschwer­den und Gallensteinen.“

Der sym­pto­ma­ti­sche Gal­len­bla­sen­stein kann fer­ner auch zu einer aku­ten Gal­len­bla­sen­ent­zün­dung (Cho­le­zys­ti­tis) füh­ren. „Idea­ler­weise sollte inner­halb von 72 Stun­den nach der Auf­nahme eine lapa­ro­sko­pi­sche Cho­le­zys­tek­to­mie durch­ge­führt wer­den“, weiß Wur­zer. Jedoch gebe es häu­fig die Pro­ble­ma­tik, dass diese Pati­en­ten mit Cho­le­zys­ti­tis meis­tens in einem hohen Lebens­al­ter seien. Auf­grund des hohen Ope­ra­ti­ons­ri­si­kos ver­su­che man daher, mit anti­bio­ti­scher Behand­lung die Situa­tion zu beru­hi­gen und wenn mög­lich dabei zu belas­sen. Dau­ern die Kolik-arti­gen Beschwer­den bei der Cho­le­zys­ti­tis aber län­ger als drei Stun­den an, ist die Ope­ra­tion in der Regel indi­ziert. „Heilt die Ent­zün­dung nicht ab, wird die Cho­le­zys­ti­tis chro­nisch und es kommt zu Ver­nar­bun­gen und letzt­lich zur Wand­ver­di­ckung“, beschreibt der Experte. Die dadurch ent­ste­hende soge­nannte Por­zel­langal­len­blase weist ein erhöh­tes Risiko für Ent­ar­tung auf, wes­halb eine Ope­ra­tion unbe­dingt erfol­gen sollte. Ähn­lich ver­hält es sich mit Gal­len­bla­sen­po­ly­pen: Auf­grund ihres Ent­ar­tungs­ri­si­kos soll­ten sie ope­ra­tiv ent­fernt wer­den, wenn sie grö­ßer gleich ein Zen­ti­me­ter sind; ab einer Größe von fünf Mil­li­me­tern soll­ten sie regel­mä­ßig sono­gra­phisch kon­trol­liert werden. 

„Die Cho­le­zys­tek­to­mie ist, und so wird es auch in den Reviews beschrie­ben, nicht die beste The­ra­pie, son­dern sie ist ein­fach alter­na­tiv­los“, resü­miert Zol­ler. Die ange­bo­rene Nei­gung, Gal­len­steine zu bil­den, bliebe davon schließ­lich unbe­rührt. Aber auch medi­ka­men­töse The­ra­pie­ver­su­che, Gal­len­steine auf­zu­lö­sen, seien bis­her erfolg­los geblie­ben. „Man kann zwar kurz­zei­tig erzie­len, die Gal­len­steine auf­zu­lö­sen, aller­dings bil­den sie sich anschlie­ßend sofort wie­der“, weiß der Experte. Daher sei es wich­tig, vor­sorg­li­che Maß­nah­men wie aus­rei­chende Bewe­gung, ein nor­ma­les Kör­per­ge­wicht und wenig Cho­le­ste­rin in der Ernäh­rung im Auge zu behalten.


Pan­krea­ti­tis

Die häu­figste Ursa­che für die Ent­wick­lung einer aku­ten Pan­krea­ti­tis stellt Alko­hol­kon­sum dar; auch Medi­ka­mente kön­nen die Ent­wick­lung beein­flus­sen. Eine hilf­rei­che dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­ti­sche Fra­ge­stel­lung, wenn der Pati­ent unter Erbre­chen lei­det, ist fol­gende: Folgt auf das Erbre­chen eine spür­bare Erleich­te­rung? Falls dies der Fall ist, spricht das eher für das Vor­lie­gen einer Cho­le­docho­li­thi­asis; falls nicht, eher für eine akute Pankreatitis. 

Die akute Pan­krea­ti­tis kann in eine chro­ni­sche Pan­krea­ti­tis mit chro­nisch rezi­di­vie­ren­den ent­zünd­li­chen Schü­ben über­ge­hen, die dann mit der Zeit eine exo­krine Pan­kre­as­in­suf­fi­zi­enz bedin­gen kön­nen. Diese macht sich durch eine gestörte Fett­ver­dau­ung bemerk­bar und kann anhand der Elastase‑1 im Stuhl (Mikro­gramm Elastase‑1 pro Gramm Stuhl) nach­ge­wie­sen werden:

100 exo­krine Pan­kre­as­in­suf­fi­zi­enz
100 – 200 Grau­be­reich
> 200 Normalbereich

Zusätz­lich zur exo­kri­nen Pan­kre­as­in­suf­fi­zi­enz kann sich die endo­krine Pan­kre­as­in­suf­fi­zi­enz ent­wi­ckeln, die zu Insu­lin­man­gel und zum pan­kreo­kri­ven Dia­be­tes mel­li­tus führt. Grund­sätz­lich sollte die Abklä­rung mit­tels Sono­gra­phie oder Com­pu­ter­to­mo­gra­phie erfol­gen, wenn ein Dia­be­tes mel­li­tus ohne typi­sche fami­liäre Belas­tung in der fünf­ten oder sechs­ten Lebens­de­kade auf­tritt. Dies kann Teil der Vor­läu­fer­sym­pto­ma­tik eines Pan­kre­as­kar­zi­noms sein, noch bevor sich der schmerz­lose Ikte­rus entwickelt.


„Beim Pan­kre­as­kar­zi­nom ist die Dia­gnose die große Her­aus­for­de­rung, da es bei den meis­ten Betrof­fe­nen lei­der erst in einem fort­ge­schrit­te­nen Sta­dium dia­gnos­ti­ziert wird“, berich­tet Zol­ler. Die meis­ten ster­ben inner­halb des ers­ten Jah­res nach der Dia­gnose. Die beste Dia­gno­se­mo­da­li­tät – die Com­pu­ter­to­mo­gra­phie – wird beim Scree­ning auf­grund der hohen Strah­len­be­las­tung nicht ein­ge­setzt. Ähn­lich ver­hält es sich mit der Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­phie, die nur bei ganz spe­zi­el­len Risi­ko­po­pu­la­tio­nen in der Früh­erken­nung des Pan­kre­as­kar­zi­noms zum Ein­satz kommt. Grund­sätz­lich haben Pati­en­tin­nen mit BRCA-Muta­tio­nen bezie­hungs­weise mit Brust­krebs oder ande­ren weib­li­chen Tumor­er­kran­kun­gen auch ein erhöh­tes Risiko für die Ent­wick­lung eines Pan­kre­as­kar­zi­noms. Gemäß dem Tumor­re­gis­ter von Tirol liegt die alters­stan­dar­di­sierte Inzi­denz für Män­ner bei 9,8/100.000 Ein­woh­ner und für Frauen bei 7,0/100.000. Zu den wesent­li­chen Risi­ko­fak­to­ren gehö­ren Alko­hol- und Niko­tin­ab­usus. „Schmer­zen sind das Kar­di­nal­sym­ptom des Pan­kre­as­kar­zi­noms. Sie strah­len typi­scher­weise in den Rücken aus, weil sich die­ses Kar­zi­nom vor­wie­gend peri­neu­ral aus­brei­tet“, erklärt Zol­ler. Andere Sym­ptome wie Gewichts­ver­lust sind hin­ge­gen eher unspezifisch.

Ent­wi­ckeln Pati­en­ten im höhe­ren Alter einen Ikte­rus oder schmerz­lo­sen Ikte­rus, sollte das Vor­lie­gen eines Pan­kre­as­kar­zi­noms unbe­dingt abge­klärt wer­den. Ebenso ver­hält es sich bei Pati­en­ten im ers­ten Jahr nach der Dia­gnose einer chro­ni­schen Pan­krea­ti­tis, da hier eine Ver­bin­dung zum Pan­kre­as­kar­zi­nom dis­ku­tiert wird. Eine hilf­rei­che dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­ti­sche Frage bei Vor­lie­gen eines Ikte­rus ist laut Wur­zer die fol­gende: „Haben Sie Schmer­zen, Übel­keit, Erbre­chen in Rich­tung einer Kolik?“. Wird die Frage bejaht, han­delt es sich um die typi­schen Anzei­chen für die Cho­le­docho­li­thi­asis; ande­ren­falls sei das bedroh­li­chere Sze­na­rio des Pan­kre­as­kopf­kar­zi­noms wahr­schein­li­cher. Ist das Kar­zi­nom inope­ra­bel, bleibt beson­ders in fort­ge­schrit­te­nen Sta­dien nur die pal­lia­tive Che­mo­the­ra­pie mit ent­spre­chen­der Schmerz­the­ra­pie und beim Pan­kre­as­kopf­Kar­zi­nom mit Stent-Implan­ta­tion in den Gal­len­gang. Pan­kre­as­kar­zi­nome im Cor­pus oder in der Cauda ver­ur­sa­chen noch viel spä­ter als das Pan­kreas-Kopf­kar­zi­nom Sym­ptome. Frühe Dia­gno­sen sind in der Regel Zufalls­be­funde. „Obwohl die ope­ra­tive Resek­tion nach wie vor die beste Behand­lungs­mög­lich­keit ist, wer­den auch in der Che­mo­the­ra­pie durch stän­dige Ver­bes­se­run­gen zumin­dest kleine Fort­schritte erzielt“, fügt Zol­ler abschlie­ßend hinzu.


Cho­lang­i­tis

Zwei sel­tene, aber sehr schwere Erkran­kun­gen der Gal­len­wege sind mit einem erheb­li­chen Lei­dens­druck für die Betrof­fe­nen asso­zi­iert: die pri­mär biliäre Cho­lang­i­tis (PBC) und die pri­mär skle­ro­sie­rende Cho­lang­i­tis (PSC). Sie kom­men beide mit einer Prä­va­lenz von unge­fähr 1:100.000 vor.

Die pri­mär biliäre Cho­lang­i­tis, eine Auto­im­mun­erkran­kung der Gal­len­wege, betrifft in 90 bis 95 Pro­zent der Fälle Frauen und prä­sen­tiert sich jah­re­lang mit Müdig­keit und Ikte­rus. Wäh­rend es zur Behand­lung bis­her nur die Urso­de­oxy­chol­säure gab, gibt es nun the­ra­peu­ti­sche Inno­va­tio­nen. So haben große Regis­ter­stu­dien gezeigt, dass Beza­fib­rat, das zur Behand­lung von Tri­gly­ce­rid­stoff­wech­sel­stö­run­gen ein­ge­setzt wird, sehr gut bei Pati­en­ten wir­ken kann, die nicht auf die Urso­de­oxy­chol­säure ansprechen.

Dem­ge­gen­über ist die meist junge Män­ner betref­fende, pri­mär skle­ro­sie­rende Cho­lang­i­tis nach wie vor schwer zu behan­deln. Für Pati­en­ten mit Kom­pli­ka­tio­nen han­delt es sich bei der Leber­trans­plan­ta­tion um die ein­zige The­ra­pie­mög­lich­keit, die Urso­de­oxy­chol­säure wird zwar auch ein­ge­setzt, aller­dings mit frag­li­cher Wirksamkeit.

Die pri­mär skle­ro­sie­rende Cho­lang­i­tis tritt gehäuft bei Per­so­nen mit chro­nisch ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kun­gen, ins­be­son­dere Coli­tis ulce­rosa, auf. Bei die­ser Risi­ko­gruppe soll­ten regel­mä­ßig die Alka­li­sche Phos­phat­ase und das Bili­ru­bin gemes­sen wer­den, um schwer­wie­gende Kom­pli­ka­tio­nen wie das cho­lang­io­zel­lu­läre Kar­zi­nom (CCC) recht­zei­tig zu erkennen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2020