Borreliose: Sorgfalt bei Diagnose

25.02.2020 | Medizin

Wenn Borrelien Rückenmark, Herz oder Gelenke befallen, kann sich die Diagnose als schwierig erweisen. Besonders bei Beschwerden des Gelenkapparates wird selten an eine Lyme-Arthritis gedacht. Bei einem Zeckenstich ist die rasche Entfernung der Zecke entscheidend, da das Infektionsrisiko in den ersten Stunden gering ist.

 

Nach dem zuerst der Verdacht auf eine Autoimmunreaktion bestand, dauerte es fast zehn Jahre, bis bei einem jungen Patienten die Diagnose „Lyme-Borreliose“ gestellt wurde, verdeutlicht Univ. Prof. Hannes Stockinger vom Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie an der MedUni Wien, welche Herausforderung die Diagnose einer Lyme-Borreliose sein kann.

Grundsätzlich führen die meisten Infektionen mit B. burgdorferi nicht zu Krankheitssymptomen. Die Häufigkeit einer Lyme-Borreliose liegt Stockinger zufolge nur bei etwa zwei Prozent; dennoch sei bei der richtigen Diagnosestellung größte Sorgfalt geboten. Denn: „Nur bei der richtigen Diagnose und Therapie sind die Heilungschancen entsprechend hoch. Je früher man mit der zwei- bis dreiwöchigen Antibiotika-Therapie beginnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine vollständige Genesung.“

Falls es zur Borreliose kommt, können die Haut (Erythema migrans, Borrelien-Lymphozytom, Acrodermatitis chronica atrophicans), das Nervengewebe (Neuroborreliose), Gelenke (Lyme-Arthritis) oder Herz (Lyme-Karditis) betroffen sein. Die Inkubationszeit nach einem Zeckenstich kann je nach klinischer Symptomatik der Erstmanifestation stark variieren: Das Erythema migrans als typische Hautmanifestation einer Borrelien-Infektion kann drei bis 30 Tage nach einem Zeckenbiss auftreten. Späte Hautmanifestationen (Acrodermatitis chronica atrophicans), Lyme-Arthritis und die späte Neuroborreliose können sich auch nach Monaten und Jahren entwickeln.

Univ. Prof. Stefan Winkler von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin an der MedUni Wien wiederum sagt, dass es „frühestens“ zwei bis drei Tagen nach einem Zeckenstich zur Manifestation eines Erythema migrans kommt. „Je nach Körperregion breitet sich dieser randbetonte und scharf begrenzte Kreis zentrifugal aus, wobei es auch Sonderformen gibt, die etwas livider, heller oder ohne Abblassung in der Kreismitte auftreten“, so Winkler. Von einem Erythema migrans, das für die klinische Diagnose herangezogen wird, spricht man erst ab einem Durchmesser von fünf Zentimetern. Zwar fungiere es als Indikator für eine Ausbreitung von Borrelien im Körper, werde aber aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsformen auch „missinterpretiert oder übersehen“, fügt Stockinger hinzu. „Vor allem wenn die Borrelien beispielsweise Rückenmark, Herz oder Gelenke befallen, ist eine korrekte Diagnose oftmals schwierig. Gerade bei Beschwerden des Gelenkapparates wird selten an eine Lyme-Arthritis gedacht“, gibt Stockinger zu bedenken. Oft bleiben Vektoren unentdeckt, denn „auch wenn die serologische Untersuchung einen Hinweis auf eine Erkrankung gibt, kann nur mit Hilfe der Verlaufskontrolle, bei Titer und Antikörperspiegel eruiert werden, eine Infektion diagnostiziert oder ausgeschlossen werden.“ Gleichzeitig ortet Winkler das Problem der „Überdiagnostizierung aufgrund eines Blutbefundes bei fehlender oder unpassender Klinik.“ Deswegen sei es von ganz besonderer Wichtigkeit, dass Klinik und Befunde übereinstimmten – und eine genaue Anamnese erfolgen müsse. „Nur so lässt sich verhindern, dass beschwerdefreie Patienten aufgrund einer falschen Diagnose fälschlicherweise eine Antibiotikatherapie erhalten“, betont der Experte.

Wird das Frühstadium der Lyme-Borreliose mit Antibiotika behandelt – Doxycyclin und Amoxicillin sind Therapie der Wahl – können schwere Krankheitsverläufe und Spätmanifestationen weitgehend verhindert werden. „Anders als in den USA, wo nach einem Zeckenstich oft präventiv Doxycyclin verordnet wird, gibt es in Österreich keine Indikation für eine Antibiotika-Prophylaxe“, weiß Winkler. Präventiv sollte der Körper nach einem Aufenthalt im Freien nach Zecken abgesucht werden. Die schnellstmögliche Entfernung derselben mit möglichst wenig Manipulation sei von großer Bedeutung, da „das Infektionsrisiko in den ersten Stunden des Zeckenstichs gering ist“, so Stockinger. (red) ◉

 


Die Fakten

In Österreich sind rund 30 Prozent aller Zecken mit Borrelien infiziert; etwa ein Prozent der Menschen erkrankt nach einem Zeckenstich an Borreliose. Die Verteilung der mit Borrelien infizierten Zecken ist unterschiedlich: Während es in Vorarlberg beispielsweise 33,9 Prozent sind, sind es im Vergleich dazu in Niederösterreich nur 20 Prozent.

Borrelien-Antikörper
• IgM: in frühen Stadien einer Zecken-Borreliose; über viele Jahre im Blut nachweisbar.
• IgG: kommt erst in späteren Stadien vor; ebenso über viele Jahre nachweisbar.
• Borrelia burgdorferi Antikörper-Immunoblot: Bestätigungsverfahren für serologische Laborergebnisse.

Häufigste Methoden für die AK-Detektion

• Suchtests für Borrelien-Antikörper: Indirekter Hämagglutinationstest, indirekter Immunfluoreszenztest sowie ELISA.
• Bestätigungstest für Borrelien-Antikörper: Borrelia burgdorferi AK-Immunoblot-Test.

Stadien der Zecken-Borreliose
• Stadium 1 (Frühstadium): Innerhalb von Tagen bis einige Wochen nach dem Zeckenstich kommt es zu „Erythema migrans“. Unspezifische Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl sowie Lymphknotenschwellungen möglich.
• Stadium 2: Innerhalb von Wochen bis Monaten „Lymphozytärer Meningoradikulitis Bannwarth“-Syndrom mit Meningitis, Facialisparese oder auch Myokarditis und/oder Arthritis.
• Stadium 3: Monate bis Jahre nach der Infektion ohne Therapie:  Hautatrophien, Enzephalomyelitis („Neuroborreliose“), Polyneuropathie sowie chronische Gelenksentzündungen.

Bei der Behandlung der Borreliose kommen im Stadium 1 Doxycyclin beziehungsweise Amoxicillin zum Einsatz; im Stadium 2 Ceftriaxon.

Da Borrelien ebenso wie der Erreger der Syphilis (Treponema pallidum) Spirochäten (schrauben- bzw. spiralförmige Bakterien) sind, kann es bei Antikörpertests zu Kreuzreaktionen kommen: Borrelien Antikörper-Tests können auch im Rahmen einer Syphilis positiv ausfallen. Aus diesem Grund sind auf der einen Seite Bestätigungstests (wie zum Beispiel der Immunoblot) wichtig. Auf der anderen Seite sollten bei einer Zecken-Borreliose die Syphilis-Labortests (TPHA-Test, VRDL-Test) negativ ausfallen. Ganz generell ist die Diagnose einer Zecken-Borreliose – besonders bei einer akuten Infektion – schwierig, denn auch negative Labortest-Ergebnisse schließen eine Borreliose nicht mit Sicherheit aus. Darüber hinaus ist ein positiver Borrelien-Antikörper-Nachweis meist nicht für eine akute Infektion beweisend.

Deswegen müssen immer auch folgende grundsätzliche Untersuchungen für die Abklärung von suspekten Beschwerden berücksichtigt werden:
• Anamnese (Zeckenstich in einem Endemiegebiet),
• erkrankungstypische Symptome (Erythema migrans, Gelenksentzündungen etc.),
• weiterführende Labor-Ergebnisse (Bakterienkultur, PCR etc.).


 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2020