Asthma: Nicht immer ein­deu­tig diagnostiziert

25.09.2020 | Medizin


Ent­ge­gen frü­he­ren Emp­feh­lun­gen sind bei mil­dem Asthma nicht nur kurz wirk­same Beta 2‑Agonisten indi­ziert, son­dern es soll­ten ebenso wie auch beim fort­ge­schrit­te­nen Asthma gleich Kor­ti­kos­te­ro­ide und ein lang­wirk­sa­mer Beta 2‑Agonist zum Ein­satz kom­men. Noch immer erhal­ten die Betrof­fe­nen fälsch­li­cher­weise die Dia­gnose „COPD“.
Laura Scher­ber

In Öster­reich lei­den rund fünf Pro­zent der Erwach­se­nen und zehn Pro­zent der Kin­der an Asthma. Nicht immer jedoch wird Asthma ein­deu­tig und kor­rekt dia­gnos­ti­ziert. „Als Pul­mo­lo­gen sehen wir immer wie­der, dass es Asth­ma­ti­ker gibt, die die Dia­gnose COPD erhal­ten“, berich­tet Univ. Prof. Peter Schenk von der Abtei­lung für Pul­mo­lo­gie am Lan­des­kli­ni­kum Hoch­egg. Dabei handle es sich um Men­schen, die rela­tiv wenig geraucht haben, All­er­gien oder Zei­chen für eine All­er­gie wie einen erhöh­ten Immun­glo­bu­lin-E-Spie­gel zei­gen und eine Eosi­no­phi­lie auf­wei­sen. Sind außer­dem Sym­ptome wie eine rever­si­ble Bron­cho­ko­nstrik­tion vor­han­den, ist die Dia­gnose Asthma wahr­schein­li­cher. Atem­not, anfalls­ar­ti­ger Hus­ten, Gie­men, Pfei­fen, das Aus­hus­ten von Sekret und ein Enge­ge­fühl im Brust­korb sind die klas­si­schen Sym­ptome. Typisch ist aber auch, dass Asth­ma­ti­ker in der Nacht auf­grund der enge­ren Bron­chien, bedingt durch ein nächt­li­ches Absin­ken der Cor­ti­sol-Spie­gel, auf­wa­chen und Atem­not ver­spü­ren. Die Aus­lö­ser sind viel­fäl­tig: Grä­ser, Pol­len, kalte Luft, der Kon­takt mit Haus­tie­ren, Pas­siv­rauch, che­mi­sche Düfte oder wie beim Exer­cise-indu­ced-Asthma starke Belas­tung. Um die geeig­nete The­ra­pie aus­zu­wäh­len, ist es wich­tig, andere Erkran­kun­gen mit­hilfe des Lun­gen­rönt­gens aus­zu­schlie­ßen. Die häu­figs­ten Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen umfas­sen die Vocal Cord Dys­func­tion, Hyper­ven­ti­la­ti­ons­syn­drome, Zys­ti­sche Fibrose, Fremd­kör­per­aspi­ra­tion, COPD, Links­herz­in­suf­fi­zi­enz, Medi­ka­men­ten-indu­zier­ter Hus­ten, Lun­gen­em­bo­lie und Atem­wegs­ob­struk­tio­nen. Besteht der Ver­dacht auf all­er­gi­sches Asthma, kann neben dem Prick­test der bron­chiale Pro­vo­ka­ti­ons­test Auf­schluss geben.

„Beim all­er­gi­schen Asthma bron­chiale, das sich übli­cher­weise in der Kind­heit oder Jugend mani­fes­tiert, lei­den die Pati­en­ten unter all­er­gi­schen Sym­pto­men wie bei einer Rhi­ni­tis oder Kon­junk­ti­vi­tis“, erklärt Priv. Doz. Ivan Tancev­ski von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin II der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck. Sehr häu­fig sei eine Kau­sa­li­tät mit einem bestimm­ten All­er­gen zu fin­den. All­er­gi­sches Asthma tritt fami­liär gehäuft auf und wird je nach Betei­li­gung der eosi­no­phi­len Gra­nu­lo­zy­ten auch als ato­pi­sches eosi­no­phi­les Asthma bezeich­net. Beim schwe­ren Asthma emp­fiehlt sich dar­über hin­aus die Unter­schei­dung in Th2-gewich­te­tes und non-Th2-gewich­te­tes Asthma. „Das Th2-gewich­tete Asthma ist durch eine Eosi­no­phi­lie im Blut, eine erhöhte Stick­oxid-Aus­schei­dung im Atem und einen Anteil von mehr als zwei Pro­zent Eosi­no­phi­len im Spu­tum gekenn­zeich­net“, fügt Schenk hinzu. Unter­ar­ten des Th2-gewich­te­ten Asth­mas beinhal­ten das all­er­gi­sche Asthma, das eosi­no­phile Asthma, das Aspi­rin-asso­zi­ierte Asthma und das Exer­cise-indu­ced-Asthma. Sub­for­men des non-Th2-gewich­te­ten Asth­mas umfas­sen das Late Onset Asthma, das Adi­po­si­tas­as­so­zi­ierte Asthma, das Tabak­rauch-asso­zi­ierte Asthma sowie das neu­tro­phile Asthma.

Mil­des Asthma: neue Therapieempfehlungen

Im Ver­gleich zu den GINA-Leit­li­nien aus dem Jahr 2018 haben sich Schenk zufolge durch neue Stu­di­en­erkennt­nisse aus die­sem Jahr einige Neue­run­gen erge­ben. Wäh­rend bis­her nur kurz­wirk­same Beta 2‑Agonisten bei mil­dem Asthma indi­ziert waren, sol­len nun wie beim fort­ge­schrit­te­nen Asthma bereits inha­la­tive Kor­ti­kos­te­ro­ide und ein lang­wirk­sa­mer Beta 2‑Agonist ein­ge­setzt wer­den. „Wenn nur Bron­cho­di­la­ta­to­ren genom­men wer­den, braucht der Pati­ent immer häu­fi­ger den Not­fall­spray, da die Bron­cho­di­la­ta­to­ren nur die Bron­chien erwei­tern, nicht aber die eosi­no­phile Ent­zün­dung, die hin­ter dem Asthma steht, beein­flus­sen“, erklärt Schenk. Dies führe zu einer zuneh­men­den Stei­ge­rung der Ent­zün­dung und zu Exazer­ba­tio­nen, wes­halb auch schon bei mil­den For­men des Asth­mas ein inha­la­tive Kor­ti­kos­te­roid in Kom­bi­na­tion mit einem lang­wirk­sa­men Beta 2‑Agonisten (zum Bei­spiel For­mo­te­rol) emp­foh­len werde. Ab GINA-Stufe 3 sollte zusätz­lich der Leu­ko­trien-Rezep­tor-Ant­ago­nist Mon­te­ku­last ver­ord­net wer­den; ab GINA-Stufe 4 der inha­la­tive lang­wirk­same Mus­ka­rin-Ant­ago­nist Tio­tro­pium. Liegt schwe­res all­er­gi­sches Asthma mit einem erhöh­ten IgE-Spie­gel vor (GINA-Stufe 5), wird der Anti­kör­per Oma­li­zu­mab ein­ge­setzt, den der Betrof­fene selbst sub­ku­tan inji­zie­ren kann. 

Für die The­ra­pie des schwe­ren eosi­no­phi­len Asth­mas ste­hen mit Mepo­li­zu­mab, Res­li­zu­mab, Ben­ra­li­zu­mab und Dupilumab vier ver­schie­dene Bio­lo­gika zur Ver­fü­gung – zwei davon bereits als Auto­in­jek­tor-Pen (Mepo­li­zu­mab und Ben­ra­li­zu­mab). Diese wir­ken an Inter­leu­kin 5, am Inter­leu­kin 5‑Rezeptor oder am Inter­leu­kin 5 bezie­hungs­weise IL 13-Rezep­tor. „Diese Sub­stan­zen gel­ten als sicher, weil sie kaum Neben­wir­kun­gen und kei­nen Gewöh­nungs­ef­fekt haben“, so Schenk. Damit könnte die sonst übli­che sys­te­mi­sche Kor­ti­son-The­ra­pie und somit auch die Exazer­ba­ti­ons­rate hoch­si­gni­fi­kant redu­ziert und die Lun­gen­funk­tion deut­lich ver­bes­sert wer­den. Eine Kon­trolle die­ser The­ra­pien erfolgt in der Regel nach vier Monaten.

Die The­ra­pie mit Anti­kör­pern ist ab GINA-Stufe 5 bei Asthma bron­chiale zuge­las­sen – vor­aus­ge­setzt, dass die Betrof­fe­nen in ihrem All­tag, im Schlaf­ver­hal­ten und hin­sicht­lich ihrer Lun­gen­funk­tion stark beein­träch­tigt sind. „Für das schwere All­er­gi­ker-Asthma gibt es die Zulas­sung der Anti­kör­per-The­ra­pie nur für die Ganz­jah­res-All­er­gene Haus­staub­mil­ben, Tier­haare und Küchen­scha­ben“, erklärt Tancev­ski. Sai­so­nale All­er­gene wie Grä­ser und Pol­len seien hin­ge­gen aus­ge­schlos­sen; diese seien jedoch mit inha­la­ti­vem Kor­ti­son „gut“ behan­del­bar. Eine wei­tere Option ist Schenk zufolge die Hypo­sen­si­bi­li­sie­rung: Hier gibt es zusätz­lich zur klas­si­schen sub­ku­ta­nen The­ra­pie bereits eine gleich­wer­tige sub­lin­guale Hoch­do­sis­the­ra­pie für die Pollen‑, Grä­ser- und Haus­staub­mil­ben-All­er­gien. Par­al­lel dazu sollte eine effi­zi­ente Asth­ma­the­ra­pie inklu­sive inha­la­ti­vem Kor­ti­kos­te­roid erfolgen. 

Bei dem in der Regel nach dem 35. Lebens­jahr ein­set­zen­den Late-Onset-Asthma „ist die The­ra­pie mit inha­la­ti­vem Kor­ti­son nicht so wirk­sam“, so Tancew­ski. Meist han­delt es sich hier um schwere Ver­laufs­for­men, bei denen die Betrof­fe­nen neben einer hohen Anzahl von eosi­no­phi­len Gra­nu­lo­zy­ten häu­fig Nasen­po­ly­pen auf­wei­sen – auch trotz mehr­ma­li­ger ope­ra­ti­ver Ent­fer­nung. Zur Anwen­dung kommt hier vor­wie­gend Kor­ti­son in Tablet­ten­form oder intra­ve­nös sowie Anti-Inter­leu­kin 5- und Anti-Inter­leu­kin 4‑Antikörper. „Den Erfolg einer Anti­kör­per-The­ra­pie und jeder Asthma-The­ra­pie misst man daran, wie häu­fig ein Pati­ent plötz­li­che Exazer­ba­tio­nen mit Atem­not und Hus­ten hat und des­we­gen einen Arzt auf­su­chen muss“, so Tancev­ski. Mit­hilfe eines Anti-Inter­leu­kin 5‑Antikörpers las­sen sich die Exazer­ba­ti­ons­ra­ten um 30 bis 40 Pro­zent redu­zie­ren, wodurch sich auch die Lebens­qua­li­tät deut­lich verbessert. 

Gute Schu­lung wichtig

„Man sollte grund­sätz­lich unter­schei­den, ob es ein schwe­res Asthma oder ein schwer behan­del­ba­res Asthma ist. Letz­te­res bedeu­tet, dass die Com­pli­ance bezie­hungs­weise The­ra­pie­ad­hä­renz nicht gut ist und die Pati­en­ten ihre Inha­la­to­ren nicht rich­tig anwen­den“, fügt Schenk hinzu. Daher sei es wich­tig, Asth­ma­ti­ker gut zu schu­len: Sie müs­sen wis­sen, wel­che Sub­stan­zen bei ihnen einen Asthma-Anfall aus­lö­sen und was sie dage­gen tun kön­nen. Neben einem Not­fall­plan (Kor­ti­son oral) hilft die eigene Über­wa­chung der Lun­gen­funk­tion mit­tels regel­mä­ßi­ger Peak-Flow-Mes­sun­gen. „Auf­grund der guten Asth­ma­kon­trolle, der guten Medi­ka­tion und der Schu­lun­gen ist die Zahl der not­wen­di­gen sta­tio­nä­ren Auf­nah­men dras­tisch zurück­ge­gan­gen“, resü­miert der Experte. Ein Asthma-Anfall sei „kaum noch“ Grund für eine sta­tio­näre Behand­lung. „Den­noch gibt es noch immer viele Betrof­fene, die nach einem ver­al­te­ten The­ra­pie­schema behan­delt wer­den“, kri­ti­siert Tancev­ski. „Die früh­zei­tige The­ra­pie mit einem inha­la­ti­ven Kor­ti­son und einem lang­wirk­sa­men Beta 2‑Mimetikum ist heute State of the Art und hat bei rich­ti­ger Dosie­rung kaum Neben­wir­kun­gen“, betont der Experte, der auch bedau­ert, dass „lei­der die Com­pli­ance von vie­len Asth­ma­ti­kern sehr schlecht ist. Sie hören mit der The­ra­pie auf, sobald es ihnen bes­ser geht.“ 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2020