Standpunkt Thomas Szekeres: Pflicht zur Verantwortung

25.02.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Stefan Seelig

Während der jüngsten medialen Aufregung rund um das neuartige Coronavirus ist es fast untergegangen, dass Ärztinnen und Ärzten die jährliche Grippewelle viel mehr zu schaffen gemacht hat. Das zeigt auch, wie sehr sich Österreich an die jedes Jahr geballt auftretenden Grippe-Erkrankungen gewöhnt hat – eine Krankheit, die wohlgemerkt jährlich für über tausend Todesfälle verantwortlich ist. Auch die Rate der grippegeimpften Personen bleibt hierzulande weiter auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Schulen mussten geschlossen werden wie zuvor schon wegen der zunehmenden Masernfälle. Diese Bedrohungen durch Infektionskrankheiten unterstreicht, wie wichtig es ist, durch einen aufrechten Impfstatus Verantwortung für sich, aber auch für seine Umgebung und nahestehende Menschen zu übernehmen. Um die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu schützen, muss es auch möglich sein, bestimmte Impfungen verpflichtend vorzuschreiben oder sie an den Erhalt von Sozialleistungen zu knüpfen. Dass der neue Gesundheitsministr hier positive Signale sendet, stimmt zuversichtlich, denn eine sofortige Impfpflicht ist notwendig, um die Durchimpfungsraten zu steigern. Zuerst ist bei den Menschen anzusetzen, die täglich mit vielen anderen Menschen zu tun haben – angefangen bei den Gesundheits- und Sozialberufen über Lehrpersonal bis hin zu Angestellten im öffentlichen Verkehr. Danach sollte auch bei Kindern, Jugendlichen und deren Eltern nachgezogen werden. Ein vorgeschriebener (Masern-)Impfschutz für Kinder und Personal in öffentlichen Gesundheits- und Bildungseinrichtungen ist nicht nur ab 1. März bei unseren Nachbarn in Deutschland Realität, sondern auch in vielen anderen Ländern. Die internationalen Entwicklungen bestärken die Österreichische Ärztekammer in der Entscheidung, sich zu einer Impfpflicht für alle im Gratisimpfkonzept verankerten Impfungen zu bekennen. Wir werden aber auch weiterhin an die ethische Verantwortung jedes Einzelnen appellieren, nicht Eigeninteressen über das Gemeinwohl zu stellen und wir werden weiterhin engerte und motivierte Aufklärungsarbeit für unsere Patientinnen und Patienten leisten. Klar ist aber auch, dass diese Beratungstätigkeit entsprechend honoriert werden muss. Auch dafür werden wir uns einsetzen.

ao. Univ. Prof. Thomas Szekeres
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2020