Standpunkt Johannes Steinhart: Entscheidungen und Ernte

10.10.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


© Gregor Zeitler

Die kommenden Monate werden wohl entscheidend im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie sein. Traditionell ist der Herbst die Jahreszeit, in der bei der Ernte sichtbar wird, was man im Frühling und Sommer geleistet hat. Das lässt sich auch gut auf die aktuelle Situation umlegen. Dank der hervorragenden Leistung und Einsatzbereitschaft der Ärzteschaft in den vergangenen Monaten ist der Herbst trotz der jüngsten Entwicklungen Anfang September nicht so düster, wie er angesichts der Herausforderungen einer globalen Pandemie sein könnte.

Obwohl die Wertschätzung für die Leistung von bestimmten Seiten leider erst mühsam eingefordert werden muss, zeigen Ärzte immer wieder aufs Neue, dass sie gerne Verantwortung für ihre Patienten und die Versorgungslage hierzulande übernehmen wollen. Dass niedergelassene Ärzte auf freiwilliger Basis COVID-19-Tests durchführen möchten, um die angespannte Lage bei den Testungen zu verbessern, ist eine bemerkenswerte Sache. Dass man auf die unterschiedlichen Voraussetzungen in Stadt und Land sowie die baulichen Gegebenheiten der Praxen Rücksicht nehmen muss, ist dabei selbstverständlich. Denn der Grundsatz gilt weiterhin, dass Ordinationen vor Infektionen geschützt werden müssen, damit Ärzte und Patienten nicht in Gefahr gebracht werden. Auch die Sperrung von Praxen muss verhindert werden, um die Versorgungslage nicht zu verschlechtern. Das wird in diesem Herbst wie schon im Frühjahr entscheidend sein.

Die Situation könnte natürlich noch deutlich besser sein. Dass das Erfolgsmodell der telefonischen Krankschreibung nicht fortgeführt wurde, wie es die Ärzteschaft gefordert hat, versteht außerhalb gewisser Kreise in der Gesundheitskasse niemand. Politisch gesehen ist der Herbst auch die Zeit der Entscheidungen – nicht alle sind gut, doch weiß man das oft erst viel später. Das Risiko einer schlechten Entscheidung ließe sich aber stets minimieren, wenn man auf Menschen mit Expertise vertrauen würde. Insofern ist nur erneut zu raten: Wer ein starkes und resilientes Gesundheitssystem will, der muss darin investieren. Wer bei der Aussaat spart und Verbesserungen im Betrieb verweigert, der darf sich zur Erntezeit nicht über einen mühsam eingebrachten und geringen Ertrag wundern.

Dr. Johannes Steinhart
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2020