Standpunkt Harald Mayer: Zwischen den Stühlen

10.02.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Die ärztliche Leitung einer Abteilung ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie verlangt neben dem medizinischen Wissen viel Organisation, Struktur und Engagement. Nicht zu vergessen ist die Ausbildung der Ärzte, die qualitätsvoll durchgeführt werden muss. Das ist wesentlich, gerade auch angesichts der hohen Zahlen der Medizinabsolventen, die nicht in Österreich tätig sind.

Es sind viele Aufgaben, die Primarärzte erfüllen. Die Kriterien bei der Auswahl sind immer dieselben: Es müssen die besten Ärzte sein. Das heißt: medizinisches Können auf Topniveau, wissenschaftliche Tätigkeit, viele Publikationen und Personalführung. Soweit, so gut. Aber: Die Zeiten haben sich geändert, und damit auch das Berufsbild der Primarärzte. Die Verwaltung kostet viel Zeit. Wirtschaftlichkeit und ökonomische Vorgaben sind Schlagworte, die aufgrund der geringen finanziellen und personellen Ressourcen vermehrt dazugekommen sind. Das alles geht zulasten der ärztlichen Tätigkeit. Ein Blick auf die Ergebnisse der Spitalsärztebefragung der ÖÄK zeigt: Primarärzte verbringen lediglich die Hälfte ihrer Zeit mit einer ärztlichen Tätigkeit – der Rest der Zeit fließt in Administration und Bürokratie, ein kleiner Teil wird für Forschung und Lehre verwendet. Wenig überraschend arbeiten Primarärzte auch am meisten, nämlich im Durchschnitt 51 Stunden pro Woche.

Es ist ein Spagat zwischen Medizin und Management. Einige Primarärzte sind unzufrieden mit dem Ausmaß an administrativen und bürokratischen Aufgaben, sie vermissen die medizinische Kerntätigkeit. Das geht teilweise so weit, dass sie von der Position als Primar zurücktreten, um wieder den Patientenkontakt zu haben.

Sollten die Auswahlkriterien für Primarärzte nicht besser an die heutigen Realitäten angepasst werden? In Zeiten der Personalknappheit ist es umso wichtiger, dass Top­Mediziner die Patienten versorgen. Es ist eine Ressourcenverschwendung, wenn diese Fähigkeiten aufgrund von Verwaltungs­ und Managementaufgaben nicht vollständig genutzt werden können. Wir dürfen keine guten Ärzte an die Bürokratie verlieren. Das geht zulasten des Gesundheitssystems.

Nicht jeder Arzt ist automatisch ein guter Manager. Nicht jeder ist dafür geschaffen, zu organisieren, verwalten und planen. Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, bei der Auswahl der Primarärzte auch vermehrt auf Managerfähigkeiten zu achten.

Dr. Harald Mayer
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2020