BKAÄ: Spitäler: Rote Ampel bei Personal

25.11.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die finanzielle und personelle Absicherung der Spitäler ist nicht nur wichtig, um krisensicher zu werden, sondern auch, um die ärztliche Ausbildung nachhaltig zu sichern, betont ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer.
Sophie Niedenzu

Zeit und Qualität bedingen einander. Wo Zeit ist, kann die Qualität erhöht werden. Wo Qualität das Ziel ist, wird Zeit gebraucht. Harald Mayer, Vizepräsident und Kurienobmann der angestellten Ärzte der Österreichischen Ärztekammer, wird nicht müde zu betonen, dass dies nicht nur die Patientenbetreuung betrifft, sondern Zeit auch entscheidend für die Ausbildung sei. Umfragen zufolge bemerken Ärzte in ihrer Ausbildung, dass die Zeit des Stammpersonals zu knapp bemessen ist, sich adäquat dem Ärztenachwuchs zu widmen. Dazu kommt, dass 87 Prozent der Ärzte in Ausbildung diese auch im Ausland machen würden, sofern dort eine bessere Qualität zu erwarten sei. Die Qualität bestimmt also die Wahl der Ausbildungsstelle. Dass nach wie vor ein nicht unerheblicher Teil der Medizinabsolventen im Ausland ärztlich tätig ist, sei ein Alarmsignal, sagt Turnusärztevertreter Daniel von Langen: „Offensichtlich gibt es ein Image-Problem in Österreich. Und das ist schade, denn dort, wo Ausbildung ernst genommen wird, ist die Qualität hierzulande durchaus besser“, sagt er. Mittlerweile ist ein Arzt in Österreich durchschnittlich knapp 48 Jahre alt – vor zwanzig Jahren betrug das Durchschnittsalter 44 Jahre. „Die Ärzte werden älter, die Jungen gehen und wir haben in den Spitälern eine hohe Arbeitsbelastung, weil für weniger Personen mehr Arbeit anfällt“, fasst Mayer zusammen: „Ich vermisse hier das klare Bekenntnis der Politik, den Nachwuchs in der Medizin zu sichern. Würde es Ampeln dafür geben, stünden sowohl die Personalsituation in den Spitälern als auch die Absicherung des Nachwuchses auf tiefrot.“ Es sei „bereits seit vorgestern“ an der Zeit, für die Ressourcen zu sorgen, denn das Personal sei zu knapp bemessen. Krankenstände und Urlaube seien teilweise zu wenig einkalkuliert. Sein Appell an die Politik: „Die Spitäler benötigen das Geld für das Personal. Es ist notwendig, in das Gesundheitssystem zu investieren, das außerdem finanziell unabhängig von der Wirtschaftslage sein sollte.“

Qualität gefährdet

Zeit ist das eine – doch nun sei zudem die Qualität bedroht, warnt der ÖÄK-Vizepräsident. Denn anstatt notwendige und sinnvolle Reformen in der Ärzte-Ausbildungsordnung durchzuführen, könnte es eine Änderung geben. Bislang war die Österreichische Ärztekammer, dem Gesundheitsministerium weisungsgebunden, für die Vergabe von Ausbildungsstellen zuständig. Diese erfolgt nach definierten Kriterien, in Abstimmung mit Bundesfachgruppen und medizinischen Fachgesellschaften, beispielsweise Betreuungsschlüssel, Ausbildungskonzepte und Leistungszahlen. Nun wird überlegt, diese Kompetenz auf die Bundesländer zu übertragen. Damit würden zukünftig die Bezirksverwaltungsbehörden darüber entscheiden, wo und in welcher Form Ärzte ausgebildet werden. „Die Ausbildung muss in den Händen der Ärzte bleiben“, betont Mayer. Ein „Fleckerlteppich“ durch drohende unterschiedliche, intransparente Entscheidungen in den einzelnen Bundesländern sei „fatal für den Ärztenachwuchs“: „Ein bundesweites, einheitliches und von der Länderpolitik unabhängiges System, das die ärztliche Ausbildung kontrolliert, willkürlich zu zerstören, ist fatal für die Qualität“, kritisiert er. Im Gegenteil: Man müsste altbewährte Strukturen stützen und die tatsächlichen Probleme im Gesundheitssystem angehen.

Weitreichende Konsequenzen

Das hieße auch, den Personalmangel zu bekämpfen. Für Mayer zählt dazu nicht nur Ausbildungs-Oberärzte einzustellen, sondern generell mehr Dienstposten für Ärzte und Pfleger zu haben und flächendeckend Mitarbeiter anzustellen, die das medizinische Personal entlasten. Gerade in Zeiten der Pandemie sei es umso wichtiger, Spitalsärzte und das Pflegepersonal zu unterstützen, wo das möglich ist: „Ärzte müssen von nicht-ärztlicher Tätigkeit entlastet werden. Aufgaben, die nicht im Kern mit der Patientenbetreuung zu tun haben, sollten delegierbar sein – etwa mit Hilfe von Dokumentationsassistenten rund um die Uhr“, sagt Mayer. Es müsse sichergestellt werden, dass das Personal klug und effizient eingesetzt werde: „Das Coronavirus hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie vulnerabel Spitäler sind.“ Es müsse Ziel sein, diese krisenfest zu machen: „Das heißt: finanziell und personell abgesichert, genügend Zeit für eine qualitativ hochwertige Ausbildung. Denn hier steht die Zukunft des Gesundheitssystems auf dem Spiel – und das hat Konsequenzen weit über SARS-CoV-2 hinaus“, warnt Mayer.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2020