Regierungsprogramm: Mut zur Investition

25.01.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


In ihrer Analyse des Regierungsprogrammes sieht die Österreichische Ärztekammer neben viel Positivem auch einige Bereiche, die kritisch hinterfragt werden müssen.

Sophie Niedenzu

Angesichts des „Defizits“ sei er erfreut über die Erwähnung von Präventionsprogrammen im Regierungs-
programm, sagte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres, im Rahmen einer Pressekonferenz. Immerhin würden OECD Daten zeigen, dass die Österreicher sich zu wenig bewegen, zu viel Alkohol trinken und zu viel rauchen. „Das verkürzt die Phase der Gesundheit. Wir wissen, dass nur durch rechtzeitige Vorsorge der Gesundheitszustand lange gut gehalten werden kann“. Finanzielle und sachliche Anreizsysteme für gesundheitsfördernde Maßnahmen und Teilnahme an Präventionsprogrammen seien daher aus medizinischer Sicht ebenso wünschenswert wie die im Regierungsprogramm verankerte „Evidenzbasierte Modernisierung der Vorsorgeuntersuchungen“, denn: „Jeder Euro, der in die Prävention fließt, erspart ein Vielfaches an Folgekosten“, betonte Szekeres. Er lobte in diesem Zusammenhang auch die Aufwertung der Schulärzte.

Ärzte maximal einbinden

Erstaunt sei er jedoch, dass das angesichts der involvierten Milliardensummen große Thema Sozial-
versicherung mit nur anderthalb Sätzen im Regierungsprogramm gestreift wird. Zudem müsse die Ärzteschaft stark in die Regierungsvorhaben eingebunden werden. So fehle bei der Zielsetzung der „verbesserten Abstimmung der medizinischen Versorgung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung und damit eine Stärkung der Bundeszielsteuerung“ die Einbindung der Ärzteschaft: „Zur Einbeziehung ärztlicher Expertise in der Versorgungsplanung gibt es einfach keine vernünftige Alternative – der Slogan „Ohne Ärzte geht es nicht“ ist nach wie vor aktuell“, erinnerte Szekeres. Auch die geplante Aufwertung von diplomierten Gesundheits- und Pflegefachkräften und die „Stärkung“ neuer Gesundheits- und Sozialberufe sollten nicht zu einer Erosion ärztlicher Kompetenzen führen. „Dass Diagnose und Therapie bei Ärztinnen und Ärzten bleiben, die die optimale Ausbildung für diese Tätigkeiten haben, ist eine Frage der Patientensicherheit“, sagte er.

A propos Patientensicherheit: Auch die verkürzte Arbeitszeit in Spitälern diene dem Schutz der Patienten und der Ärzte. Daher stößt die im Regierungsprogramm geplante befristete Verlängerung des Opt-outs auf Unverständnis bei der ÖÄK: „Eine Verlängerung des Opt-out über Juni 2021 hinaus ist weder verhandelbar, noch wird sie funktionieren, um die Personallücken in den Spitälern zu schließen“, sagte Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie angestellte Ärzte. Er erinnerte an eine ÖÄK-Umfrage, in der junge Ärzte mehrheitlich eine Wunscharbeitszeit von 38 Stunden angaben. Zudem betonte er, dass eine Spitals-
entlastung nur möglich sei, wenn die Patientenversorgung außerhalb der Spitäler gesichert sei und verwies auf die Wichtigkeit des im Regierungsprogramm geplanten Ausbaus der wohnortnahen Versorgung. Auch die Leiterin des ÖÄK-Referates für Primärversorgung und ärztliche Zusammenarbeitsformen, Naghme Kamaleyan-Schmied, zeigte sich erfreut: „Als Hausärztin hoffe ich aus tiefstem Herzen, dass der Ausbau der flächen-
deckenden wohnortnahen Versorgung wirklich nachhaltig finanziell abgesichert wird, wie es im Regierungsprogramm steht“, sagte sie. 

Finanzierung offen

Sorge bereitet dem ÖÄK-Präsidenten allerdings, dass die genannten Maßnahmen nicht budgetiert sein könnten. Denn entscheidend für die kommenden Jahre sei nun einmal die Frage der Finanzierung: „Ich vermisse ein klares Bekenntnis der Regierung, in diesen zentralen Bereich unseres sozialen Gefüges zu investieren“, kritisierte Szekeres. Er betonte in dem Zusammenhang, dass die Ausgaben „nicht explodiert“, sondern im Gegenteil, kaum über die Inflation gestiegen seien. Neue medizinische Möglichkeiten und die Demografie würden es aber notwendig machen, mittelfristig mehr Geld für die Gesundheit einzuplanen und auch auszugeben. Die Herausforderungen in der Gesundheit und Pflege könnten nur gemeinsam gemeistert werden, sagte Szekeres: „Wir vertrauen hier auf die pragmatische Lösungsorientierung und Pakttreue des neuen Gesundheitsministers.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.1.2020