Österreichischer Impftag: Fakten nennen, Mythen vermeiden

10.02.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

Impfungen zu verzögern oder zu vermeiden gehören laut WHO zu den globalen Gesundheitsbedrohungen. Ärzte sehen sich in ihrer Impfkommunikation mit Patienten mit vielen Herausforderungen konfrontiert.

Eine Impfpflicht, wie sie die Österreichische Ärztekammer für alle im Gratisimpfkonzept verankerten Impfungen fordert, ist es zwar nicht geworden. Jedoch beschäftigen sich zwei Punkte im Regierungsprogramm als Reaktion auf die niedrigen Durchimpfungsquoten mit dem Thema Impfungen: Zum einen ist von einer „Forcierung von Impfungen, insbesondere auch für Mitarbeiter im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich“, zum anderen von einer „Etablierung von finanziellen und sachlichen Anreizsystemen für gesundheitsfördernde Maßnahmen und Teilnahme an Präventionsprogrammen, wie beispielsweise Impfungen“ die Rede. Der Oberste Sanitätsrat befürwortet einstimmig einen verpflichtenden Nachweis vor Aufnahme einer Beschäftigung in Spitälern bzw. im Gesundheitswesen sowie ein verpflichtendes ärztliches Impfgespräch für Eltern, die ihre Kinder etwa vor Schulbesuch nicht impfen lassen wollen – dies sei allerdings auch entsprechend zu honorieren, betont Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferats.

Die niedrige Durchimpfungsraten als Folge der großen Impfskepsis waren auch Thema beim Österreichischen Impftag. „In der Kommunikation rund um das Thema Impfen sollten alle Gesundheitsberufe ihre Kräfte bündeln und vereint agieren, denn die richtige Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg, um die Durchimpfungsraten zu erhöhen“, zeigte sich die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr, in ihrer Keynote überzeugt. Im Mittelpunkt des Lunch-Workshops, dessen Vorsitz sie innehatte, standen Tipps und Tricks für die Impfkommunikation. Es sei bekannt, dass Menschen viele Informationen generieren, aber: „Das Ausmaß an Informationen führt auch zu Verunsicherungen und der Beratungsaufwand steigt dadurch an“, sagte sie.

Arzt ist wichtigste Informationsquelle

Impfbedenken sind ein zentrales Thema, das auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgegriffen hat. Sie führt auf der Liste der globalen Gesundheitsbedrohungen neben Ebola, Antibiotikaresistenzen und Luftverschmutzung auch das Verzögern und Vermeiden von Impfungen an. Ein möglicher Einstieg für Ärzte für ein Impfgespräch sei etwa, die Impfung als Faktum zu präsentieren: „Damit vermitteln Sie dem Patienten Sicherheit“, sagte Agnes M. Mühlgassner, Chefredakteurin der Österreichischen Ärztezeitung. Sie präsentierte in ihrer Keynote mehrere wissenschaftliche Studienergebnisse zur Impfkommunikation. Es sei wichtig, dass sich Ärzte empathisch und glaubwürdig zeigten und bei geäußerten Bedenken der Patienten auf diese eingingen, jedoch nicht allzu detailliert, sondern „möglichst kurz und knackig“. Wichtig sei, die Krankheitsrisiken zu erklären, wenn Patienten nicht geimpft seien. „Es geht hier nicht um Verängstigungen, sondern um mögliche Auswirkungen“, präzisierte Mühlgassner. Wichtig sei, die Effektivität von Impfungen hervorzuheben, eine starke persönliche Empfehlung zu geben, sich impfen zu lassen und den Dialog offen zu halten. Zudem gebe es Untersuchungen, die gezeigt hätten, dass emotionale Aussagen wie etwa, dass die eigenen Kinder geimpft seien, stärker wirkten als bloße medizinische Daten. Man dürfe auch eines nicht vergessen: Oft sei der Allgemeinmediziner oder der niedergelassene Kinderarzt die einzig medizinisch gebildete Person, mit denen Menschen zu tun hätten: „Der Arzt ist die wichtigste Informationsquelle beim Thema impfen“, betonte Mühlgassner abschließend.

Richtig mit Impfskepsis umgehen

Schmitzberger berichtete anschließend aus seinen praktischen Erfahrungen als Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde. Die Angst vor Impfungen sei keine Zeiterscheinung, sondern immer schon vorhanden gewesen, seit es Impfungen gibt. Wichtig sei, als Arzt zuordnen zu können, ob der Patient ein Impfgegner, Impfskeptiker oder Impfverzögerer sei. Impfgegner seien nicht davon zu überzeugen, wie effektiv Impfungen sind. Als Arzt sei man hier chancenlos, daher empfahl er: „Vergeuden Sie bitte nicht Ihre Zeit und Energie, sondern bleiben Sie realistisch.

Der Kreis der Impfgegner mit etwa zwei Prozent ist allerdings recht klein. Wesentlich größer ist die Gruppe der Impfskeptiker, die zwischen 20 und 30 Prozent ausmacht. Diese seien aber, so Schmitzberger, argumentativ erreichbar: So würden beispielsweise bildliche Argument helfen, falsche Meinungen zu entkräften. Bei Patienten, die überzeugt seien, durch die Impfung erst recht zu erkranken, sei etwa folgenden Vergleich möglich: Telefonieren mit einem kleinen Teil eines Handys, das in viele Einzelteile zerstört wurde, funktioniert nicht. Ebenso kann ein winziger Bestandteil des Influenzaimpfstoffes mit Sicherheit keine Influenza auslösen. Eine weitere wichtige Botschaft sei laut dem Kinderarzt, Eltern auf ihre ethische Verantwortung und auf das Recht der Kinder, geimpft zu werden, hinzuweisen.

Gerade bei Impfverzögerer sei es hilfreich, notwendige Impfungen bei jedem Arztbesuch zu erwähnen. Eltern würden viele Ausreden finden, um Impfungen hinauszuzögern. „Als Ärzte müssen wir hier irrelevante Dinge entkräften. Ein leichtes Ekzem oder eine milde Rhinitis sind keine Kontraindikationen“, betonte Schmitzberger. Das Kind müsse natürlich untersucht werden und – falls notwendig – behandelt werden, aber „Falsche Kontraindikationen sind kein Grund, das Kind nicht zu impfen.“

Fake News als Herausforderung

Für griffige und nachvollziehbare Argumente bei Impfgesprächen verwies Schmitzberger beispielsweise auf die Webseite des Robert Koch-Instituts (www.rki.de). Dort können Faktenblätter und Informationsmaterial heruntergeladen werden. Zudem böte der jährlich vom Gesundheitsministerium veröffentlichte österreichische Impfplan, der 2020 über 170 Seiten umfasst, viel Hintergrundinformation und Literaturangaben für Ärzte. Während eines Impfgesprächs sei auch die Wortwahl essentiell: „Wir sind als Ärzte keine sogenannten ‚Impfbefürworter‘, sondern Impfexperten. Als Experten behandeln wir State-of-the-Art – und Impfen ist State-of-the-Art“, sagte Schmitzberger.

Eine weitere Herausforderung für Ärzte seien Fake News, die auch vor dem Gesundheitsbereich nicht Halt machen. So führten diese in Japan etwa dazu, dass die HPV-Durchimpfungsrate von 70 auf ein Prozent gesunken sei. „Bereits die bloße Nennung von Impfmythen ist bereits gefährlich“, warnte Schmitzberger. Eine Untersuchung hätte gezeigt, dass vorgestellte Impfmythen, die wiederlegt wurden, dennoch eine Impfskepsis provoziert hatte. „Wenn Patienten die Mythen erwähnen, dann sollten wir diese entkräften. Keinesfalls aber sollten wir sie von uns aus ansprechen“, sagte Schmitzberger abschließend. (sn) ◉


Umgang mit Impfgegnern/Impfskeptikern/Impf(ver)zögerer
• Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit und Energie, bleiben Sie realistisch
• Seien Sie selbstbewusst, Sie sind Impf-Experte
• Verweisen Sie auf die ethische Verantwortung
• Impfen ist keine Glaubensfrage
• Holen Sie sich Argumentationshilfen
• Nutzen Sie jede Gelegenheit für Impfungen
• Seien Sie hartnäckig, honest but tricky
• Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: fake news
• Vermeiden Sie das Wiederholen von Fehlinformationen
• Kinder haben das Recht auf Impfungen


 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2020