Impfen: Der Stich zum Erfolg

25.06.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

Impflücken, die in den vergangenen Wochen entstanden sind, sollten geschlossen und die Influenza-Durchimpfungsraten erhöht werden, um Überschneidungen von Influenza und einer möglichen COVID-19-Welle im Herbst zu verhindern. 
Sophie Niedenzu

Es ist nur ein kleiner Pieks für den einzelnen, aber ein großes Sicherheitsplus für alle: Durch das Impfen werden Krankheiten vermieden, andere geschützt und das Gesundheitssystem entlastet. „Wichtig ist, dass jetzt Impflücken, die durch Verunsicherung der Bevölkerung in der Pandemiezeit entstanden sind, rasch geschlossen werden“, sagt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer. Im Speziellen beträfe das die MMR-Impfung, aber auch Auffrischungsimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Polio, Pertussis, sowie die Pneumokokkenimpfung bei Senioren und die HPV-Impfung. Es gelte, durch Impfungen Vermeidbares zu vermeiden. Und wer Vorsorge betreibt, der entlastet die Spitäler, etwa durch eine Influenza-Impfung. Daher hat die Österreichische Ärztekammer die Aufnahme der Influenza-Impfung in das Gratis-Kinder-Impfprogramm eingefordert. „Das ist wichtig, weil Kinder im Falle der Influenza nachgewiesenermaßen Vektoren und intensive Verbreiter sind“, erklärt Schmitzberger. Es sei wichtig, zusätzliche Belastungen des Gesundheitssystems, die nicht notwendig sind, zu vermeiden. „Die von der Regierung versprochenen Aufnahme ins Gratis-Kinder-Impfprogramm muss rasch umgesetzt werden, um die drohende Gefahr einer Überschneidung von Influenza und einer potenziellen weiteren COVID-19-Welle im Herbst zu verhindern“, betont er.

Derzeit liegt die Durchimpfungsrate gegen Influenza bei acht Prozent, für eine Herdenimmunisierung wären 40 bis 50 Prozent notwendig. Neben einer Bewusstseinskampagne hatten die Gesundheitsreferenten der Länder den Vorschlag gebracht, dass auch Sanitäter oder Apotheker impfen dürften. Die Österreichische Ärztekammer spricht sich klar dagegen aus. Am Beginn einer Impfung stünde die ärztliche Aufklärung und Information über die Impfung und die Erkrankung, gegen die geimpft wird. In einer Anamnese und klinischen Untersuchung werde nicht nur der Impfstatus des Patienten, sondern auch ein allfälliger Allergiestatus erhoben und die Impftauglichkeit festgestellt. „Wir sind außerdem ausgebildet, bei Impfreaktionen vom Kreislaufkollaps bis hin zu sehr seltenen Nebenreaktionen fachlich richtig und unverzüglich zu reagieren. Ich frage mich, wie das in einer Apotheke funktionieren soll“, kritisiert Schmitzberger. Die Patientensicherheit in einer Ordination mit Ärzten, die auch im Notfallmanagement geschult sind, könne in Apotheken nie erreicht werden.

Eingeschränkte Impfbefugnis

Während politisch über eine Öffnung der Impftätigkeit für Apotheken diskutiert wird, bleibt eines oft unangesprochen: Nicht einmal alle Ärzte haben das Recht zu impfen. Aufgrund der Pandemie seien diese gesetzlichen Einschränkungen der Impfbefugnis zwar aufgehoben, aber eben nicht dauerhaft, wie Schmitzberger betont: „Gerade im Hinblick auf die Diskussion, wer impfen kann, ist es vordergründig, dass zunächst einmal das Ärztegesetz rasch geändert wird, damit alle zur freien Berufsausübung berechtigten Ärzte impfen dürfen“, sagt er und bezieht sich damit auf eine Forderung, die in den Gremien der ÖÄK bereits vor längerer Zeit beschlossen wurde. Werden alle ärztlichen Verabreichungsschienen genutzt, so wirkt sich das positiv auf die Durchimpfungsraten aus. Ein Beispiel, eine Impfung großflächig und erfolgreich in der Bevölkerung zu etablieren, sei die positive Erfahrung mit der HPV-Impfung: „Eine – auch kostenlose – Impfung wird erst dann besser angenommen, wenn sie über alle ärztlichen Verabreichungsschienen, vom Amtsarzt, Betriebsarzt, Schularzt und vor allem den niedergelassenen Ärzten, angeboten wird“, betont er. Das sei dann auch zu bedenken, sollte eines Tages ein sicherer und wirksamer Corona-Impfstoff zugelassen werden.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2020