Digitalisierte Medizin: Medizin 4.0

25.11.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Personelle Ressourcen schonend einsetzen bei gleichzeitigem maximalen Nutzen für Patienten: Die Digitalisierung bietet viele Chancen – wenn sie sinnvoll eingesetzt wird.
Sophie Niedenzu

Digitalisierung ist ein sehr vielschichtiges Wort. In der Medizin steht es beispielsweise für Telemonitoring, Teleradiologie, Telekonsultation ebenso wie für elektronische Krankmeldung, digitale Patientenakte oder eine digitalisierte Gesundheitshotline. Die digitalisierte Medizin soll einerseits die Arbeit der Ärzte erleichtern, andererseits auch Hilfsmittel für Patienten sein, die sich dadurch etwa Wege in die Spitäler sparen können. „Oberstes Ziel ist es, die ärztliche Ressource klug einzusetzen und Patienten zu unterstützen“, betont Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte (BKAÄ). Die Bundeskurie hat daher ein Bündel an Beschlüssen zur digitalisierten Medizin erarbeitet (siehe Infobox). Wichtig sei, dass der Arzt weiterhin Ansprechperson bleibt und die Situation beherrscht. Rechtlich ist Telemedizin möglich, es fehlen aber noch Regelungen bezüglich der Haftung bei Verwendung von digitalen Technologien durch Ärzte bei Patientenbehandlung. Der Zugriff auf einen Datenpool könnte beispielsweise helfen, Gesundheitsdaten abzugleichen und Risikofaktoren schneller zu erkennen.

Wie Patienten beispielsweise von Telemonitoring profitieren, zeigt das Projekt DiabCare in Tirol. Patienten messen täglich ihre Werte von Blutzucker und Blutdruck und schicken diese über eine eigene Handy-App zur Kontrolle an das Spital. Erreicht der Blutzuckerwert eine Vorwarnstufe, informiert das Spital einen Arzt, beispielsweise den Allgemeinmediziner, und eine Diätologin, die den betroffenen Patienten kontaktieren und die Diabeteseinstellung verbessern. Damit müssten Patienten nicht mehr die Diabetes-Ambulanz aufsuchen und könnten telemedizinisch betreut werden. Ein weiterer Vorteil: In der aktuellen Situation sinkt damit das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, unter anderem bei Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes.

Wichtig sei, dass es nicht zu einem Mehr an Bürokratie kommt und die Anwendungen für Patienten von Vorteil sind: „Es ist sinnvoll, uns Ärzte in die digitale Entwicklung einzubinden, um unsere Expertise einfließen zu lassen. Es kann nicht das Ziel sein, uns die Zeit zu stehlen, weil wir mit technisch Unausgegorenem kämpfen müssen“, sagt Mayer. Er weist einmal mehr darauf hin, dass die elektronische Gesundheitsakte in vielen Spitälern oft nicht funktioniert. ELGA selbst hat keine einheitliche Nutzeroberfläche, sondern stellt Daten zur Verfügung und eine IT-Infrastruktur zum sicheren Austausch bereit, die von klinikinternen EDV-Systemen verarbeitet wird: „Unsere Spitäler müssen entsprechend technisch gerüstet sein“, sagt Mayer. Zudem benötigen komplexe EDV-Systeme auch eine Einschulungszeit – bei einem entsprechenden Personalstand an sich kein Problem, betont Mayer abschließend.

 


BKAÄ-Beschlüsse zur digitalisierten Medizin

  • Die BKAÄ fordert für alle Bereiche der digitalen Medizin klare Rechtsgrundlagen.
  • ELGA soll schnell und unkompliziert funktionieren und dadurch den Benutzerinnen und Benutzern durch eine maximale Usability eine Arbeitserleichterung sein. Die KISSysteme sollen eine umfassende und schnelle Suchfunktion besitzen. Die Ausnützung der maximalen Möglichkeiten soll angestrebt werden. Darüber hinaus wird auf die Vollständigkeit der Daten Wert gelegt.
  • Die BKAÄ fordert die flächendeckende Einführung von modernen und effektiven EDV-Systemen – wie etwa im Bereich der digitalen Fieberkurve – sowie die dafür notwendige technische und personelle Ausstattung, mit abschließender Validierung durch die Ärztinnen und Ärzte.
  • Die BKAÄ fordert den Vorstand der ÖÄK auf, sich intensiver mit dem Thema Digital Healthcare auseinanderzusetzen und gegebenenfalls entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen beziehungsweise neue Strukturen zu schaffen.
  • Die BKAÄ fordert den flächendeckenden Ausbau von Systemen wie 1450 sowie die Zurverfügungstellung der notwendigen (personellen und technischen) Ressourcen. Des Weiteren muss die Transparenz (Entscheidungsfindung, Einhalten der Empfehlungen) erhöht werden; auch eine Verknüpfung der erhobenen Daten mit ELGA wird gefordert.
  • Health Apps müssen europaweit nach einheitlichen Kriterien für Medizinprodukte zertifiziert sein, um die Qualität im Gesundheitswesen zu gewährleisten.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2020