COVID-19 in der Ärzteschaft: Plötzlich selbst Patient

10.06.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Spitäler müssen rasch auf Infektionen reagieren, um eine Ausbreitung möglichst einzudämmen und handlungsfähig zu bleiben. Zwei an COVID-19 erkrankte Spitalsärzte schildern ihre Erfahrung.

Sophie Niedenzu

Er habe plötzlich nichts mehr schmecken und riechen können. „Ich habe mich sofort testen lassen und wenig überraschend drei Tage später das positive Resultat erhalten“, erzählt ein Assistenzarzt (Name der Redaktion bekannt). Neben dem Geschmacks- und Geruchsverlust am Anfang und einer Störung dieser Sinnesorgane im weiteren Verlauf habe er lediglich ein leichtes Brennen in den oberen Atemwegen und ein Druckgefühl in der Brust verspürt. Die genaue Infektionskette sei nicht rekonstruierbar gewesen. „Glücklicherweise war ich bei Symptombeginn seit vier Tagen nicht mehr im Spital und hatte, soweit das beurteilbar ist, niemanden angesteckt“, erzählt er. Vor der Wiedereingliederung in den Spitalsbetrieb musste er 48 Stunden symptomfrei sein und einen negativen PCR-Test vorweisen. „Nach den zwei Wochen Quarantäne hatte ich beim Sport noch deutliche Leistungseinschränkungen, die sich jetzt, nach etwa sechs Wochen weitgehend zurückgebildet haben“, sagt er.

Eine Lehre aus der Pandemie sei für ihn, die internationale Zusammenarbeit zu forcieren: „Wir benötigen ein effizientes System zur Meldung und Eindämmung von neuauftretenden Infektionen wie SARS-CoV-2, bevor sie sich zu Pandemien auswachsen können.“ Der Assistenzarzt habe die Zeit des Shutdowns als „chaotisch“ wahrgenommen, Patienten mit Schlaganfall oder anderen akuten Krankheitsbildern hätten sich nicht ins Spital getraut. „Am Anfang kam es mir vor, als ob von ganz oben bis ganz unten eine große Verunsicherung über Art und Umfang der zu treffenden Maßnahmen geherrscht hat“, erzählt er. Schlussendlich seien neben den Hygienemaßnahmen alle nicht akut lebensbedrohlichen und nicht onkologischen Termine abgesagt worden, zudem seien auch bei ihm im Spital zwei zeitlich abwechselnd arbeitende Teams innerhalb der einzelnen Bereiche gebildet worden. Sein Resümee: „Nachdem die Fallzahlen klinikintern niedrig geblieben sind, scheinen die Maßnahmen funktioniert zu haben.“

Kein Fieber, kein Husten

Diese Erfahrung hat auch Bernd Hermann gemacht, der als Unfallchirurg am Klinikum Schärding tätig ist: Neben ihm sei nur ein weiterer Arzt erkrankt. Patientenschleusen zum Screening auf COVID-19 Erkrankte seien eingerichtet, zudem sei auch in seinem Spital der Dienstplan umstrukturiert worden, um bei Infektionsfällen handlungsfähig zu bleiben. Hermann führt neben der Arbeit im Spital gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin eine allgemeinmedizinische Praxis. Beide sind Ende März an COVID-19 erkrankt. Hermann war in der ersten Woche extrem müde, im weiteren Verlauf bekam er starke Halsschmerzen und litt unter Geschmacksverlust. In der zweiten Woche geriet er bei leichter körperlicher Anstrengung, wie etwa Stiegen steigen, außer Atem. Er bekam weder Fieber, noch hatte er Husten. Sämtliche Kontakte, die er innerhalb von 48 Stunden vor dem Auftreten der ersten Symptome hatte, wurden erfasst. „Nachdem ich einen Samstags- und einen Sonntagsdienst hatte, waren die Kontakte gut dokumentiert. Das Contact Tracing ist wichtig, die daraufhin getroffenen Maßnahmen sind jedoch sehr unterschiedlich ausgefallen: Kollegen, mit denen ich eng zusammengearbeitet hatte, wurden nicht behördlich abgesondert, andere wiederum schon“, erzählt er. Wie auch im Fall des Assistenzarztes sei die Infektionskette bei Hermann und seiner Lebensgefährtin nicht nachvollziehbar. Feststeht jedenfalls, dass im gemeinsamen familiären und freundschaftlichen Umfeld niemand an COVID-19 erkrankt sei.

Offizielle Daten, wie viele Ärzte in Österreich an COVID-19 erkrankt sind, gibt es nicht – weder von der AGES, noch vom Gesundheitsministerium. Letzteres bestätigt auf Nachfrage, keine Angaben zur Berufsausübung Betroffener zu erheben. Bekannt ist hingegen, dass wochenlang versucht wurde, genügend Schutzausrüstung für medizinisches Personal zu erhalten. Es kam immer wieder zu Lieferengpässen, zudem wurde die mangelhafte Qualität kritisiert.

„Bei uns wurde Ende März den Mitarbeitern aufgetragen, Mund-Nasen-Schutzmasken nur in wenigen festgelegten Bereichen zu tragen, um Ressourcen zu schonen“, erzählt Hermann. Mittlerweile seien einfache MNS-Masken für alle ausreichend vorhanden, allerdings gebe es weder Schutzbrillen oder Visiere noch Schutzanzüge zur allgemeinen Verwendung in den Ambulanzen. Hermanns Resümee: „Wir hätten für unsere Arbeit, egal ob im Spital oder in der Ordination, frühzeitig Nachschub an qualitativer Schutzausrüstung benötigt, denn auch ein gut bestücktes Vorratslager ist bei einer Pandemie wie dieser bald leer.“

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2020