BKNÄ: Kritischer Blick auf Globalisierung

25.03.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK

In Zeiten der Krise zeigt sich die große Abhängigkeit von ausländischen Produktionsstätten besonders stark. Hier muss dringend gegengesteuert werden, fordert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Sasha Bunda

Die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und Medizinprodukten stand in den vergangenen Wochen derart intensiv im Fokus wie lange nicht mehr – und das aus durchaus unterschiedlichen Gründen. Eine Entwicklung auf dem Gebiet der Medikamentenversorgung findet Zuspruch in der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte: Es sind dies die zwei neuen Verordnungen, die am 1. April 2020 in Kraft treten. Dann müssen Zulassungsinhaber von Medikamenten melden, wenn bei Lieferungen Einschränkungen zu erwarten sind. Und: Über Medikamente auf dieser Liste wird ein Exportverbot verhängt. „Wir freuen uns sehr über die neuen Verordnungen. Zum einen ist es ein Schritt dahin, dass Ärzte endlich besser und aktueller über den Lieferstatus von Medikamenten informiert werden. Unser Ziel muss es sein, dass ein Arzt täglich aktuell und automatisch sieht, was lieferbar ist – anstatt alle paar Wochen ein Update zu erhalten. Zum zweiten, weil damit endlich ein Aus für die Parallelexporte von Medikamenten kommt“, sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann. „Schließlich konnte man bislang nie sicher sein, ob im Inland dringend benötigte Medikamente nicht flugs über die Grenze gebracht und dort verkauft wurden“, so Steinhart.

Im Zuge der Corona-Situation hatten sich die entscheidenden Akteure im Gesundheitswesen bereits Anfang März geeinigt, schon vor dem 1. April Parallelexporte einzustellen, damit für Österreich vorgesehene Medikamente auch im Land bleiben. „Da gehören diese Medikamente natürlich auch hin“, sagt Stein- hart: „Die Versorgung Österreichs mit Arzneimitteln muss immer oberste Priorität haben.“ Generell habe die Corona-Ausbreitung in dieser Hinsicht einige wichtige und lehrreiche Aspekte deutlich zu Tage treten lassen, analysiert der ÖÄK-Vizepräsident. „Es ist Zeit, der grenzenlosen Globalisierung wieder deutlich kritischer gegenüberzutreten. In Krisenzeiten wird deutlich, wie groß unsere Abhängigkeit von ausländischen Produktionsstätten ist. Die Produktion von patentfreien Medikamenten und grundlegender Medizinprodukte muss dringend wieder nach Europa geholt werden“, fordert Steinhart: „Abgesehen davon, dass künftig deutlich früher reagiert, besser kommuniziert, sowie ein rechtzeitiger, zentraler Einkauf und Verteilung stattfinden muss – es darf nicht mehr vorkommen, dass Ärztinnen und Ärzte sich um die Schutzbekleidung, die sie dringend für ihre Arbeit benötigen, Gedanken machen oder sorgen müssen.“

So wichtig sind Hausapotheken

Ebenfalls um Medikamentenversorgung, aber auf anderer Ebene geht es beim Thema Hausapotheken. Dass Kassenstellen mit Hausapotheke wesentlich besser nachbesetzt werden können, war nun auch Inhalt der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage. Für Oberösterreich wurde etwa festgehalten, dass Kassenstellen für Allgemeinmedizin mit der Möglichkeit einer Hausapothekenbewilligung in der Regel schon bei der ersten Ausschreibung vergeben werden können. Kassenstellen ohne Hausapothekenbewilligung werden dagegen bis zu zehn- mal vergeblich ausgeschrieben. In Tirol konnten in den letzten drei Jahren sämtliche Hausarztstellen in Einarztgemeinden mit Hausapotheken nahtlos wiederbesetzt werden. Das steht im krassen Gegensatz zu den kürzlich ausgeschriebenen 20 Kassenstellen in Tirol, für die es null Bewerbungen gab. „Das zeigt uns, wie wichtig unser Einsatz für eine Liberalisierung des in die Jahre gekommenen Apothekengesetzes ist“, sagt Steinhart: „Hausapotheken sind auch laut Apothekergesetz die richtige Lösung für den ländlichen Raum und nicht zuletzt auch „zur Sicherung der ärztlichen Versorgung“ prädestiniert, wie es im Gesetzestext heißt. In diesem Sinne werden wir uns auch in Zukunft für den Fall der Kilometergrenze und für mehr Hausapotheken einsetzen. Diesbezüglich werden uns Ideen und Motivation nie ausgehen.“

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2020