BKNÄ: Interview Johannes Steinhart „Völlig durchschaubar“

25.03.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die zuletzt öffentlich gemachten Gedankenspiele von ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer findet Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann niedergelassene Ärzte, sehr durchschaubar. Nur die Unverblümtheit hat ihn überrascht.

Sascha Bunda


ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer hat nach seinem angekündigten „Konsolidierungspfad bei Ärztehonoraren“ nun eine neue Idee an die Medien gebracht: Durch Partnerschaften mit Spitalsambulanzen soll die ÖGK zusätzliche Ambulanzärzte finanzieren, die dann aus Spitälern eine Art riesige Primärversorgungseinheit machen sollen. Dort sollen dann auch Vorsorge- und Mutter-Kind- Pass-Untersuchungen stattfinden. Was ist davon zu halten?

Zunächst einmal möchte ich dem ÖGK-Generaldirektor gratulieren, dass er in Zeiten der Corona-Krise, in denen die Ärzteschaft ihr Bestes gibt, um die medizinische Versorgung in diesem Land aufrecht zu erhalten, Zeit findet, um sich in Gedankenspielereien zu ergehen, wie er den niedergelassenen Bereich vollständig erodieren kann. Die Absicht dahinter hat mich maximal durch ihre unverblümte Durchschaubarkeit überrascht. Mit allen Mitteln wird nun nach Wegen gesucht, Investitionen zu vermeiden und das prognostizierte Milliardendefizit anderen umzuhängen. Generell wird ein Weg weiterverfolgt, der bereits vor Jahren begonnen hat und nun durch die neue ÖGK-Führung in völlig neuer Intensität forciert wird. Die alte Regierung hat den Menschen in Österreich die sogenannte „Patientenmilliarde“ nach Zusammenlegung der Krankenkassen versprochen. Nun müssen wir erkennen, dass ein Milliardendefizit bei der ÖGK droht, für deren Sanierung offensichtlich die Ärzteschaft sowie die Patientinnen und Patienten herangezogen werden sollen.

Statt in den niedergelassenen Bereich möchte die ÖGK nun in zusätzliche Spitalsärzte investieren.

Wie diese Partnerschaft finanziert werden soll, ist aber ebenso unklar wie das Ausmaß der geplanten Investitionen. Die gesamte Wortmeldung wirkt einfach völlig undurchdacht. Zudem machen solche Ideen alle unsere Bestrebungen der vergangenen Jahrzehnte zunichte, die Patienten zur bestmöglichen und gleichzeitig ökonomischsten Behandlungsmöglichkeit zu lotsen. All diese Jahre haben wir unsere Patienten aufgeklärt und auf sie eingewirkt, nicht mit Bagatellfällen in den teuersten Punkt unserer Gesundheitsversorgung – das sind eben die Spitäler – zu gehen, sondern zum niedergelassenen Arzt. Abgesehen davon, dass Spitalsambulanzen im Krankenanstaltenrecht festgeschriebene Aufgaben haben, ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht völlig kontraproduktiv, dass es in den Ambulanzen einen extrem hohen Anteil von Patienten gibt, die nur deshalb ein Spital aufsuchen müssen, weil die Angebote im niedergelassenen Bereich fehlen. Vor allem aber müssen wir dafür Sorge tragen, dass gerade die älteren und weniger mobilen Menschen, von denen es künftig mehr als bisher geben wird, wohnortnahe betreut werden können.

Wie kann das gelingen?

Das wird sich ohne Investitionen in das Gesundheitssystem einfach nicht machen lassen. Ich weiß, dass die Attraktivierung des niedergelassenen Bereichs harte Arbeit, Wille und persönlichen Einsatz fordert, schließlich arbeiten wir auf Kammerseite rund um die Uhr daran.

Patientenanwalt Gerald Bachinger hat das Modell öffentlich sofort begrüßt.

Wenn es dem Patientenanwalt wirklich um die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten ginge, würde er sich für einen Ausbau der wohnortnahen Versorgung im niedergelassenen Bereich einsetzen, wie sie auch im Regierungsprogramm festgehalten ist. Wenn es Herrn Bachinger um mehr One-Stop-Shops im medizinischen Bereich ginge, würden wir uns sehr über seine Unterstützung bei unserem Einsatz für mehr Hausapotheken freuen. Ins Stammbuch sei ihm zudem geschrieben: Die Österreichische Ärztekammer vertritt keine Justament-Blockadehaltung. Wir erlauben uns nur angesichts unserer jahrelangen medizinischen Expertise, darauf aufmerksam zu machen, wenn unausgegorene Ideen ventiliert werden, die langfristig zum Schaden der Bevölkerung sind.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2020