BKNÄ: Impflücken jetzt schließen

15.07.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Der „Shutdown“ hat zu einigem vorsorgemedizinischem Nachholbedarf geführt. Dieser muss so schnell wie möglich aufgeholt werden.
Sascha Bunda

Eine Konsequenz aus dem Mitte März von der Bundesregierung ausgerufenen „Shutdown“ war, dass viele Vorsorgemaßnahmen, darunter auch Impfungen, verschoben wurden. „Die Impflücke, die schon aufgrund der verbreiteten Impfskepsis ohnehin größer ist, als es der Gesundheit zuträglich ist, vergrößerte sich weiter“, sagte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, im Rahmen einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Durch Verunsicherung der Bevölkerung sei es bei der Impfaktivität zu Einbrüchen um bis zu 90 Prozent gekommen, meinte Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferates: „Es gibt also viel zu tun. Es gilt, durch Impfungen Vermeidbares zu vermeiden. Wer Vorsorge betreibt, der entlastet auch die Spitäler“, so Schmitzberger. Nach dem Wiederhochfahren der Arztpraxen müsse der vorsorgemedizinische Nachholbedarf möglichst schnell ausgeglichen werden, sagte Steinhart. Der Zeitpunkt sei günstig.

Vermehrte Sensibilität

Das unterstrich auch Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien. „Arztpraxen können beim Einhalten entsprechender Sicherheitsvorkehrungen ohne erhöhtes Risiko aufgesucht werden. Die vermehrte Sensibilität für das Thema Impfen sollte aber auch auf breiter Basis konsequent genützt werden“, fordert Wiedermann-Schmidt, die auch Impfnotwendigkeit für das Gesundheitspersonal sieht. „Dass bei Spitalsärzten oder Pflegepersonen die Influenza-Durchimpfungsrate nicht über jener der Durchschnittsbevölkerung liegt, ist alarmierend“, so Wiedermann-Schmidt. Vor einer Impfpflicht sollte erst eine Reihe von Optimierungen umgesetzt werden. In erster Linie sollte der Zugang zu Impfstoffen und Impfungen für Patienten erleichtert werden. So sollten etwa Kinderärzte auch Eltern oder Großeltern impfen dürfen, wenn diese ihre Kinder oder Enkelkinder in die Arztpraxis begleiten, sagte Wiedermann-Schmidt.

„Impfen und Vorsorgeuntersuchungen sind wichtiger denn je“, sagte Schmitzberger: „Es ist großartig, dass rund 90 Prozent der Arztpraxen auch während des Shutdown geöffnet hatten – trotz hoher, auch finanzieller, Belastungen und potentieller gesundheitlicher Gefährdung. Jetzt ist es wichtig, wieder in einen geordneten Normbetrieb überzuleiten. „Wir niedergelassene Ärzte sind bemüht, sinnlose Doppelbesuche – zuerst Rezeptausstellung für den Impfstoff, dann Abholung in der Apotheke, dann Impftermin – zu vermeiden“, sagt der Leiter des ÖÄK-Impfreferates, „etwa durch das elektronische Rezept. „Die meisten Impfärzte haben übrigens die gängigen Impfstoffe vorrätig: also one stop only.“ Bei den neuen Plänen zum e-Impfpass sei es entscheidend, dass die Ärzteschaft von Beginn an eingebunden wird, so Schmitzberger.

Impfen: ärztliche Tätigkeit

Für ÖÄK-Vizepräsident Steinhart ergab sich eine Reihe von Forderungen: „Zunächst einmal sollten alle zur freien Berufsausübung berechtigten Ärzte impfen dürfen, ohne jede Fachbeschränkung. Die jetzige Aufhebung der Fachbeschränkung, dass Kinderärzte keine Erwachsenen impfen dürfen, ist nur vorübergehend durch eine Pandemieverordnung aufgehoben“, erinnerte Steinhart. „Und wir fordern, dass Patienten in Arztpraxen uneingeschränkt Impfstoffe beziehen können, weil das den Zugang erheblich vereinfacht.“

„Impfen ist aus gutem Grund ärztliche Tätigkeit, und soll das auch bleiben“, sagte Steinhart zu den jüngsten Vorstößen der Standesvertretung der Apotheker, dass ihre Mitglieder auch Impfungen durchführen dürfen: „Apotheker sind absolute Fachleute. Aber nur auf ihrem Gebiet.“ Ihnen fehle jede klinische Ausbildung und die Ausbildung, um die Impftauglichkeit fundiert festzustellen. Sie seien nicht geschult, akute Impfreaktionen zu behandeln. Auch die im Impfplan vorgeschriebene Impfaufklärung und Nachbeobachtung könnten Apotheken fachlich nicht leisten.

Neben vermehrter Impfungen am Arbeitsplatz fordere man staatlich finanzierte Aufklärungs- und Impfprogramme. Man werde weiterhin versuchen, die Bürger von der Sinnhaftigkeit von Schutzimpfungen zu überzeugen. „Aber dafür brauchen wir auch eine deutliche und konsequente Unterstützung durch die Politik“, so Steinhart abschließend.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2020