Auszubildende Ärzte: Was junge Ärzte wollen

10.11.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Mobil, anspruchsvoll, mit einem Blick auf die Angebote im Ausland: Die Zufriedenheit der jungen Ärzte mit der Ausbildung in Österreich ist durchwachsen.
Sophie Niedenzu

Was ist es, was eine gute Ausbildung ausmacht? Was würde helfen, die Ausbildung zu verbessern? Und wie sehr lockt das Ausland? Damit befasste sich eine von der Bundeskurie angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer beauftragte Online-Umfrage unter auszubildenden Ärzten in Österreich, die von IMAS International durchgeführt wurde. „Es ist uns wirklich wichtig zu wissen, wie es den jungen Ärzten derzeit geht. Denn eine gute Ausbildung ist eine notwendige Investition für die Zukunft“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer.

Wie wichtig eine qualifizierte Ausbildung ist, wird in dieser Umfrage bestätigt: 93 Prozent der 1.224 Ärzte in Ausbildung, die teilgenommen haben, geben an, dass die Qualität in der klinischen Ausbildung besonders wichtig ist. Zudem spielen die Work-Life-Balance sowie der Standort und die Erreichbarkeit bei der Wahl der Ausbildungsstelle eine wichtige Rolle. Das Gehalt, die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Tätigkeit sowie Prestige und Ansehen der Abteilung sind hingegen Faktoren, die als weniger wichtig gewertet werden. „Das bestätigt einmal mehr, dass neben der Qualität, die unbestritten auf Platz eins ist, die Arbeitsbedingungen in der Arztausbildung entscheidend sind“, sagt Daniel von Langen, Obmann der Bundessektion Turnusärzte der Österreichischen Ärztekammer. Das sei auch hinsichtlich der Abwanderung ein großes Thema. Der Mangel an Ärzten, besonders im deutschsprachigen Raum, verschärft den Wettbewerb.

Ein Blick in die Statistik zeigt: Während noch vor dreißig Jahren die Medizin-Absolventen auch in Österreich als Arzt zu arbeiten begonnen haben, ist das heute weniger der Fall: In der Altersklasse zwischen 27 und 42 Jahren sind weniger ärztlich tätig, als es Absolventen gegeben hat – die Drop-out Quote ist in den Jahren gestiegen. Das erklärt auch, warum die Ärzte hierzulande durchschnittlich älter sind als noch vor zwanzig Jahren. „Dass viele Medizin-Absolventen Österreich verlassen, zeigt, dass wir in der Arztausbildung ein ImageProblem haben“, sagt Mayer: „Die Spitäler müssen endlich erkennen, dass sie sich in einem Wettbewerb befinden.“ Laut einer OECD-Studie wurden in der Schweiz 34 Prozent der Ärzte im Ausland ausgebildet. In Deutschland sind es zwölf Prozent, in Österreich sechs Prozent (OECD-Schnitt: 18 Prozent). Rahmenbedingungen seien hier mit ausschlaggebend, betont von Langen: „Der Ärztenachwuchs ist so begehrt, dass er nicht warten muss, bis irgendwo eine Planstelle frei wird, sondern kann aus anderen Angeboten auswählen“, sagt er. Insgesamt 36 Prozent beantworteten die Frage, ob sie bereit wären, in ein anderes Land zu gehen, wenn sie den Eindruck hätten, dass die Ausbildung dort besser ist, mit einem Ja. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 51 Prozent, wäre grundsätzlich bereit, einzig private Faktoren würden diesen Weg verhindern – 12 Prozent geben an, nicht ins Ausland gehen zu wollen. „Die jungen Ärzte sind mobil: Wenn die Ausbildung nicht den Erwartungen entspricht, dann kehren sie Österreich den Rücken“, sagt von Langen.

Eldorado Schweiz?

Die aktuelle Umfrage zeigt, dass insbesondere die Schweiz hoch im Kurs ist: 39 Prozent der Ärzte in Ausbildung sind davon überzeugt, dass die Ausbildung in der Schweiz am besten sei, gefolgt von Deutschland mit 13 Prozent, Schlusslicht bildet Österreich mit fünf Prozent. Beim Image habe die Schweiz Österreich bereits abgehängt: „Das ist schade, denn dort, wo Ausbildung ernst genommen wird, ist die Qualität in Österreich durchaus besser“, sagt von Langen. Auch Sophie Eisschiel hat einen Teil ihrer Ausbildung in der Schweiz gemacht. Begonnen hat sie als KPJ-Studentin an der Klinik für Neurologie im Universitätsspital Zürich, auf Empfehlung von Studienkollegen. „Ich habe mich während des KPJ im Team sehr wohl und wertgeschätzt gefühlt und mir wurde dann am Ende des Praktikums die Stelle von der Klinik angeboten“, erzählt sie. Insgesamt war sie dann eineinhalb Jahre in Zürich als Assistenzärztin tätig. Es gebe viele Unterschiede zwischen dem Spitalsalltag in Österreich verglichen mit der Schweiz, unter anderem bezogen auf nichtärztliche Tätigkeiten und der Selbstständigkeit (siehe Interview). Seit ihrer Rückkehr nach Österreich arbeitet sie in der Abteilung für Neurochirurgie am Kepler Universitätsklinikum.

Ausbildung braucht Zeit

Grundsätzlich ist für die Befragten wichtig, in der Ausbildung viel Praxis zu erhalten (81 Prozent), persönlich betreut zu werden (62 Prozent) und einen fachspezifischen Input zu erhalten (55 Prozent). Ebenso wie in der Ausbildungsevaluierung ist die Zufriedenheit mit der aktuellen Ausbildung gespalten: 38 Prozent der Ärzte in Ausbildung sind zufrieden, 36 Prozent bewerten die Ausbildung mit der Note 3, ein Viertel ist mit der aktuellen Situation nicht zufrieden und vergibt Note 4 oder 5. „Befriedigend ist in diesem Fall ungenügend, um den Ärztenachwuchs in Österreich langfristig zu sichern“, sagt Mayer. Um die Ausbildungszeit besser zu gestalten und so die Qualität zu verbessern, wünschen sich 83 Prozent der Befragten weniger administrative Tätigkeit, 56 Prozent mehr Ausbildungsoberärzte und 45 Prozent mehr selbstständiges Durchführen von Untersuchungen und Operationen. Den Eindruck, dass das Stammpersonal nicht genügend Zeit hat, sich um die Ausbildung zu kümmern, haben 79 Prozent der Befragten. Damit sieht Mayer die Forderungen der ÖÄK einmal mehr bestätigt: „Ausbildung braucht Zeit, und diese Ressource muss von den Spitälern zur Verfügung gestellt werden. Das heißt konkret: mehr Ausbildungsoberärzte als eigene Dienstposten und mehr Dokumentationsassistenten als administrative Unterstützung.“

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2020