Arztausbildung: „Solide Basis notwendig“

25.06.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Bernhard Bacher, Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am LK Amstetten,
spricht über den Wert einer stabilen Personalsituation und der Ressource Zeit für die Arztausbildung.

Ihre Abteilung wurde von Ärzten in Facharztausbildung sehr gut bewertet. Was ist Ihr Erfolgsrezept? Erfolg in der Ausbildung ist vielschichtig und beginnt bei motivierten Ausbildungsverantwortlichen, der notwendigen Organisation, um Zeit für Ausbildung zur Verfügung zu stellen und mit einer nicht zu knapp bemessenen Personalsituation an der Abteilung. Wichtig ist ein gemeinsamer Teamgeist aller Oberärzte, jungen Kolleginnen und Kollegen ihre Erfahrungen mitzugeben. Assistenzärzte werden bei uns in allen Bereichen eingesetzt. So haben sie die Gelegenheit, ihre Fertigkeiten immer wieder zu trainieren und aufzufrischen. Gibt es Fertigkeiten, die noch etwas mehr Übung benötigen, wird versucht, in der Einteilung darauf Rücksicht zu nehmen. Es steht auch immer ein Oberarzt unterstützend zur Verfügung.

Wie hat sich die Situation aufgrund von COVID-19 auf die Arztausbildung ausgewirkt? Die Situation ist für alle im Gesundheitssystem Tätigen eine große Herausforderung. Einerseits gibt es natürlich persönliche Ängste in Bezug auf die eigene Gesundheit und der eigenen Familie, andererseits ist ein steigendes Leistungsangebot unter Einhaltung aller Schutzmaßnahmen eine große Belastung. Natürlich fehlen derzeit auch Fortbildungen und persönliche Gespräche und Kontakte sind deutlich reduziert. Somit kann Ausbildung in gewohnter Weise derzeit nicht stattfinden. Zur Bewältigung dieser Krise sind klare Regeln und Vorgaben einfach notwendig, um dies gemeinsam zu schaffen. Ich denke, auch für die Ausbildung ist ein klares Konzept und klare Regeln notwendig um eine gute, kontinuierliche Ausbildung gewährleisten zu können.

Welche Maßnahmen in der Arztausbildung wurden auf Ihrer Abteilung getroffen? Es gibt drei ausbildungsverantwortliche Oberärzte bei neun Assistenzärzten. Das ermöglicht eine sehr individuelle Betreuung. Wir haben gemeinsam ein Fortbildungsangebot auf der Abteilung geschaffen. Auch nehmen die meisten das Angebot wahr, an anderen Kliniken zu rotieren, um ihren Ausbildungshorizont zu erweitern. Entscheidend für all dies Angebot ist eine stabile Personalsituation. Das ist uns in den vergangenen vier Jahren gelungen.

Welche Herausforderungen gilt es zu meistern, um die Qualität in der Ausbildung zu gewährleisten? Eine große Herausforderung ist die qualitativ hochwertige Vermittlung aller Ausbildungsinhalte unter Einhaltung aller AZG-Vorgaben. Dies kann nur mit klarer Struktur und ausreichender Ressourcen gelingen. Die Möglichkeit, aus Modulen zu wählen, bietet auch Chancen, sich frühzeitiger zu spezialisieren. Für eine umfassende Ausbildung gibt es Module, welche entscheidende Grundlagen legen. Hierzu zählen sicher Intensivmedizin und Notfallmedizin. Somit ist die richtige Modulwahl nicht immer eine leichte Situation für den Auszubildenden und dies von der Abteilung so anzubieten ist im Alltag oft schwierig.

Gibt es Maßnahmen, die aus Ihrer Sicht getätigt werden müssten, damit die Arztausbildung an Qualität gewinnt? Ein klares Bekenntnis zu einer hochwertigen Ausbildung. Neben dem entsprechenden Personal ist Zeit ein wichtiger Faktor. Denn diese benötigt man, bis man selbstständig in der Lage ist, die Herausforderungen des Klinikalltags zu meistern. Und wir alle wünschen uns eine gute Behandlung von einem sehr erfahrenen Arzt. Das sollte in Personalberechnungstools ein fixer Bestandteil sein. Denn unabhängig von der Fachrichtung ist eine solide Basis notwendig. Der ehemalige Turnus war sicher etwas zu lang, aber mir erscheinen die neun Monate Basisausbildung zu kurz, um dies zu erreichen, bevor man in die Spezialisierung geht.

Wenn Sie an Ihre eigene Ärzteausbildung zurückdenken – worin bestehen die großen Unterschiede zu heute? Bei meiner Ausbildung bestand der Hauptteil aus learning by doing, was nicht immer leicht war. Aber ein großer Vorteil lag in einer unbegrenzten Zeitressource, da es noch kein AZG gab und da-mit oft auch 100 Stunden pro Woche möglich waren. Dies führte natürlich über die Jahre zu einer großen Erfahrung und dies gibt Sicherheit bei der Arbeit. Das AZG für Ärzte ist mit Sicherheit eine der größten Errungenschaften, aber gerade in den wenigen Jahren der Ausbildung sollte der Rahmen ein anderer sein, da dieser Lebensabschnitt ein kurzer ist. Danach ist ein Arbeiten in diesem Rahmen eine gute Voraussetzung, um Beruf und Privatleben gut verbinden zu können. (sni)
 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2020