Schulärzte: Verschenkte Monate

15.08.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Trotz einer Verordnung des Bundes, die im Dezember des Vorjahres erlassen wurde, gibt es für viele Schulärzte immer noch keinen offiziellen Impfauftrag. Dabei wäre eine klare Regelung nun bedeutsamer denn je.
Sascha Bunda

Acht Monate können eine lange Zeit sein. Damals, im Dezember 2019 spielte das neuartige Coronavirus noch keine Rolle im öffentlichen Leben Europas und Österreichs politische Geschicke wurden nach wochenlangen innenpolitischen Turbulenzen zum ersten Mal von einer sogenannten „Expertenregierung“ gelenkt. In diesem Dezember präsentierte die damalige Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl die lang erwartete Schulärzteverordnung, die eine explizite Rechtsgrundlage für die Durchführung von Impfungen durch Schulärzten versprach. „Mit dieser Verordnung schaffen wir eine Rechtsgrundlage für Impfungen durch Schulärztinnen und Schulärzte. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Durchimpfungsrate und können die schulbesuchenden Kinder und Jugendliche zukünftig besser vor Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Masern schützen“, meinte Zarfl damals. Langjährige Forderungen der Österreichischen Ärztekammer schienen damit endlich erfüllt.

Vieles ist seither geschehen – nur beim Thema der Impfungen durch Schulärzte nicht. „Es ist gar nichts passiert“, bringt es Sabine Badelt, Referentin im Schulärzte-Referat der Österreichischen Ärztekammer, auf den Punkt. „Der Bund hat durch die neue Verordnung ermöglicht, dass Schulärzte von den Ländern zur Impfdurchführung herangezogen werden können, die Durchführung obliegt aber den Ländern“, schildert Badelt. „Da fehlt derzeit vor allem in Wien – ausgenommen sind die Schulärzte der MA15 –, aber auch in Niederösterreich und dem Burgenland ein Impfauftrag. In Tirol, Salzburg und Oberösterreich impfen die Amtsärzte, in Kärnten, Steiermark impfen teilweise Amtsärzte, teilweise Schulärzte.“ Badelt ortet als Grund dafür unklare Kompetenzen: „Das hängt nun zwischen Gesundheitsministerium und Bildungsministerium fest“.

Entscheidender Faktor

Dabei wäre es höchst an der Zeit für eine klare Regelung – gerade mit dem Blick auf den bevorstehenden Herbst, in dem das Thema Impfen aufgrund der aktuellen Entwicklung so bedeutsam werden wird wie selten zuvor. Schließlich gilt es auch in den kommenden Monaten weiterhin, Ordinationen und Spitäler so gut wie möglich freizuspielen, um für eine eventuelle zweite Welle beziehungsweise weitere lokale Ausbrüche der COVID-19-Infektionen gerüstet zu sein. Wesentlicher Faktor sind dabei die Schüler: 1,13 Millionen Schüler gibt es den jüngsten Statistikzahlen zufolge in Österreich – das sind etwa 13 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs. „Für diese jungen Menschen tragen wir die Verantwortung“, sagt Badelt. „Schulärzte sind bei der Kommunikation und Aufklärung von Kindern und Jugendlichen entscheidend, zudem könnten sie rasch reagieren, wenn Impflücken auftreten sollten. Der niederschwellige Zugang zu Impfungen in der Schule wäre ein eminent wichtiger Hebel, um die Durchimpfungsrate deutlich und nachhaltig zu erhöhen. Davon profitiert dann wieder die gesamte Bevölkerung. Wir Schulärzte wollen impfen und wünschen uns seit langem einen offiziellen Impfauftrag. Schulärzte leisten einfach einen unschätzbaren Beitrag zur Gesundheitsförderung. Es wäre im Interesse aller, sie in ihren Kompetenzen zu stärken und nicht zu beschränken“, appelliert Sabine Badelt.

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2020