Vor­sor­ge­dia­log: Der Pati­ent entscheidet

25.09.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Damit der letzte Wille zählt, besteht neben einer Pati­en­ten­ver­fü­gung und einer Vor­sor­ge­voll­macht für Heim­be­woh­ner die Mög­lich­keit eines Vor­sor­ge­dia­logs. Er unter­stützt Ärzte in ihrer Arbeit, wenn sie in Kri­sen­si­tua­tio­nen rasch han­deln müs­sen.
Sophie Nie­denzu

Wol­len Sie reani­miert wer­den? Wol­len Sie mit dem Ziel der Lebens­ver­län­ge­rung in ein Kran­ken­haus ein­ge­lie­fert wer­den, wenn das Ster­ben abseh­bar ist? Und wel­chen Bedin­gun­gen wol­len Sie mit einer PEG-Sonde ernährt wer­den? Das alles sind Fra­gen, die über den Vor­sor­ge­dia­log (VSD) mit einem Betrof­fe­nen abge­klärt wer­den. Der VSD ist neben einer Pati­en­ten­ver­fü­gung und einer Vor­sor­ge­voll­macht eine wei­tere Mög­lich­keit, mit der Betrof­fene sicher­stel­len kön­nen, nach ihrem Wil­len behan­delt zu wer­den. Denn ange­sichts der stei­gen­den Lebens­er­war­tung betreuen Alten- und Pfle­ge­heime in Öster­reich ver­mehrt mul­ti­mor­bide, oft­mals auch an Demenz Erkrankte. Die Häu­fig­keit von Ster­be­fäl­len und aku­ten Ereig­nis­sen, auch im Bereich der häus­li­chen Pflege, nimmt zu. 

Der Vor­sor­ge­dia­log ist in bestimm­ten Hei­men mög­lich. Ein spe­zi­ell geschul­tes Pfle­ge­per­so­nal bespricht wenn gewünscht, gemein­sam mit einem behan­deln­den Arzt und Ange­hö­rige, mit dem Pfle­ge­be­dürf­ti­gen Ereig­nisse, die in der Zukunft ein­tre­ten kön­nen oder wer­den und wie mit einer ent­spre­chen­den Situa­tion umge­gan­gen wer­den soll. Der VSD kann von Ärz­ten und Pfle­gen­den der spe­zia­li­sier­ten Hos­piz- und Pal­lia­tiv­ver­sor­gung ange­wen­det wer­den. In Kran­ken­häu­sern wird er nicht ver­wen­det, aus­ge­nom­men sind hier die Palliativstationen. 

Pati­en­ten­wille bei Notarzteinsätzen

Grund­sätz­lich erfasst der Vor­sor­ge­dia­log den aktu­el­len Pati­en­ten­wil­len im Vor­aus, um für Kri­sen­si­tua­tio­nen gewapp­net zu sein. Den Pati­en­ten wird die Gele­gen­heit gege­ben, selbst zu bestim­men und Hand­lun­gen für einen spä­te­ren Zeit­punkt anzu­wei­sen oder abzu­leh­nen, falls sie nicht mehr ent­schei­dungs­fä­hig sind. Damit unter­stützt der VSD auch Ärzte, die in einer Kri­sen­si­tua­tion rasch han­deln müs­sen. „Gerade bei Not­arzt­ein­sät­zen ist es oft schwie­rig bis unmög­lich, den Wil­len des Ein­zel­nen zu ken­nen oder zeit­nahe zu erfah­ren“, sagt Michael Lang, Lei­ter des ÖÄK-Refe­rats Ger­ia­trie sowie ÖÄK-Ver­tre­ter im Bei­rat für Hos­piz­kul­tur und Pal­lia­tive Care in der Grund­ver­sor­gung. Not­ärzte müss­ten oft inva­sive Maß­nah­men set­zen, ohne dabei Infor­ma­tio­nen zur Grund­er­kran­kung und zum bis­he­ri­gen Krank­heits­ver­lauf oder zur Ein­stel­lung und zu den Vor­stel­lun­gen des Pati­en­ten zu haben. „Das ist nicht nur für Ärzte belas­tend, son­dern führt auch zu vom Pati­en­ten selbst unge­wünsch­ten, lebens­ver­län­gern­den Maß­nah­men“, sagt er. Glei­ches gelte auch für die Behand­lung durch einen Arzt, der zu einem unbe­kann­ten, bis­lang nicht von ihm betreu­ten Pati­en­ten geru­fen werde.

Sicher­heit für alle Beteiligten

Da sich die Ein­stel­lung der Men­schen immer wie­der ver­än­dern kann, wird der im VSD geäu­ßerte Wille regel­mä­ßig über­prüft. Der VSD ist eine lau­fend eva­lu­ierte Wil­lens­er­he­bung, die beim Ein­tritt in das Heim, mög­li­cher­weise schon im häus­li­chen Bereich, beginnt und mit dem Tod des Heim­be­woh­ners endet und Ver­trau­ens­per­so­nen, betreu­ende Ärzte und Ver­wandte ein­be­zieht. „Mit dem VSD kön­nen sinn­lose Not­arzt­ein­sätze redu­ziert wer­den, dem ein­tref­fen­den Not­arzt wird eine Ent­schei­dungs­hilfe zur Ver­fü­gung gestellt, zudem kön­nen nicht­in­di­zierte Trans­porte von Pati­en­ten und damit unnö­tige Belas­tun­gen ver­mie­den wer­den“, sagt Lang. Man handle im Sinne des Pati­en­ten, zudem wür­den dabei – als Neben­ef­fekt – Kos­ten ein­ge­spart wer­den: „Davon pro­fi­tie­ren alle Betei­lig­ten“, betont Lang. Denn der Vor­sor­ge­dia­log schaffe damit mehr Sicher­heit für alle: Neben dem betrof­fe­nen Heim­be­woh­ner für den Not­arzt oder jeden ande­ren behan­deln­den Arzt und die Pfle­ge­kraft. Damit habe die­ser Vor­ge­hens­weise immense medi­zi­ni­sche, soziale, gesund­heits­po­li­ti­sche und vor allem mensch­li­che Bedeu­tung: „Es muss alles getan wer­den, um ihn wei­ter vor­an­zu­trei­ben“, sagt Lang. Für Ärzte, die einen Vor­sor­ge­dia­log durch­füh­ren, hat die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer nun eine Hono­rar­emp­feh­lung beschlos­sen, die seit dem 18. Juni gilt: Pro ange­fan­ge­ner hal­ber Stunde erhal­ten Ärzte dafür 126 Euro. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2020