Ärztegesetznovelle: An die Kandare

15.07.2020 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Österreichische Ärztekammer kritisiert eine Novelle des ärztlichen Berufsrechts aufs Schärfste, in der seit Jahren bestehende Kompetenzen der Ärztekammer an das Gesundheitsministerium übertragen werden.

Es begann alles mit einem rechtlichen Formfehler. Dieser wurde vor vielen Jahrzehnten im Ärztegesetz gemacht und hat nun weitreichende Folgen: Bislang mussten sich Ärzte vor Aufnahme ihrer ärztlichen Tätigkeit bei der jeweiligen Landesärztekammer melden und sich in die Ärzteliste eintragen lassen, die von der Österreichischen Ärztekammer geführt wird. Laut einem VfGH­Erkenntnis benötige es jedoch die Zustimmung der Bundesländer zur Vollziehung der Ein­ bzw. Austragung aus der Ärzteliste durch die Österreichische Ärztekammer.

Anstatt diesen Formfehler im Gesetz zu reparieren, wurden nun weitreichende, über das Erkenntnis hinausgehende, Änderungen in einer Novelle des Ärztegesetzes festgehalten, die im Nationalrat beschlossen wurde. Die VfGH­Entscheidung hatte die grundlegende Zuständigkeit der Österreichischen Ärztekammer nicht in Frage gestellt, trotzdem werden Zuständigkeiten von der ÖÄK auf das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz übertragen. Konkret handelt es sich um Kompetenzen bei der Führung der Ärzteliste, etwa zur Erlassung der Ärzteliste­Verordnung. „Die Ärzteschaft soll offenbar an die Kandare genommen werden“, kritisiert Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Nachdem man in den bisherigen Verhandlungen gar nicht auf unsere Argumente eingegangen ist, will der Gesundheitsminister nun die Selbstverwaltung der Ärzteschaft ausdünnen.“ Denn das Führen der Ärzteliste sowie die Durchführung sämtlicher mit der Ärzteliste und der Berufsberechtigung im Zusammenhang stehende Verfahren werden vom eigenen in den übertragenen Wirkungsbereich der ÖÄK transferiert. Das bedeutet: Bislang wurde die Ärzteliste von der ÖÄK selbst verwaltet, in Zukunft ist die ÖÄK vom Bund beauftragt, die Ärzteliste nach den Wünschen des Gesundheitsministeriums zu führen. Während Entscheidungsbefugnisse an das Gesundheitsministerium übertragen werden, bleiben die Kosten für das Betreiben der Ärzteliste jedoch bei der Österreichischen Ärztekammer. „Die ärztliche Selbstverwaltung wurde beschnitten, uns wurden Kompetenzen weggenommen, gleichzeitig bleiben aber die Kosten auch in Zukunft bei der Ärztekammer“, kritisiert Szekeres. So soll beispielsweise laut Novelle die ÖÄK dafür sorgen, den öffentlichen Teil der Ärzteliste auf einer eigens einzurichtenden Website zugänglich zu machen – eine Maßnahme, die mit finanziellen Aufwendungen für die ÖÄK verbunden ist.

„Es ist einfach unverständlich, dass der Standesvertretung ohne Anlass Kompetenzen weggenommen werden, die sie jahrelang mit größtem Fachwissen und Verantwortungsbewusstsein sowie höchster Qualität ausgeübt hat“, sagt Johannes Steinhart, ÖÄK­Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Und Harald Mayer, ÖÄK­Vizepräsident und Kurienobmann der angestellten Ärzte, ergänzt: „Anstatt ein sehr gut funktionierendes System und die wichtige Arbeit der Österreichischen Ärztekammer zu zerstören, sollte das Gesundheitsministerium die Ressourcen lieber dort einsetzen, wo tatsächliche Probleme bestehen, die dringend zu lösen sind.“ Im Hinblick auf die Spitäler seien das die Qualität der Arztausbildung, die überlasteten Ambulanzen und das mangelnde Personal, sowohl in der Ärzteschaft als auch in der Pflege. „Anstatt die ärztliche Standesvertretung ohne Grund zu beschneiden, sollte man hier Nägel mit Köpfen machen und das Gesundheitssystem im Sinne einer hochwertigen Patientenversorgung verbessern“, sagt Mayer.

Die ÖÄK kritisiert daher diese Novelle aufs Schärfste: „Es ist nicht einzusehen, warum man davon absieht, das entsprechende Gesetz dauerhaft zu reparieren. Schließlich wurde es nur aufgrund eines Formfehlers, der vor Jahrzehnten geschehen ist, vom Verfassungsgerichtshof gekippt“, sagt Szekeres abschließend. (sni)

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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2020