Horizonte Hedy Lamarr: Schönheit und Erfindergeist

15.12.2019 | Service


Hedy Lamarr hat in ihrem Leben viele Rollen eingenommen: Sie war „das schönste Mädchen der Welt“ und eine berühmte Filmdiva – aber auch ein kluger Erfindergeist. Das Jüdische Museum in Wien erzählt aktuell in einer Ausstellung die Geschichte ihres Lebens.
Marion Wangler

Ich bin eine einfache, komplizierte Person“ – so beschrieb sich Hedy Lamarr in einer Talkshow einmal selbst. Von ihrer Produktionsfirma als „schönste Frau der Welt“ vermarktet, steckte hinter der Schauspielerin aber auch ein heller Verstand, der sich in vielen Ideen für Erfindungen zeigte. Hedy Lamarr war vieles: höhere Tochter, später (sechsmalige) Ehefrau, Mutter, Hollywood-Star, (unterschätzte) Erfinderin, Society-Lady, Ladendiebin, (verletzliche) Diva… Das Jüdische Museum in Wien erzählt aktuell in einer Ausstellung die Geschichte ihres Lebens. Als Hauptleihgeber konnte Lamarrs Sohn, Anthony Loder, gewonnen werden. Nicht zuletzt durch seinen Schatz an Erinnerungen, Fotos, Dokumenten und Magazinen ist es gelungen, die vielen Rollen zu zeigen, die  Lamarr im Laufe ihres Lebens eingenommen hat.

1914 geboren, wächst Hedwig Kiesler als Einzelkind und behütete Tochter einer gut situierten jüdischen Familie in Wien-Döbling auf. Ihr Vater ist Bankdirektor, die Mutter Pianistin. Ihre Kindheit verbringt Hedwig im großbürgerlichen Umfeld ihrer Eltern und Großeltern mit Ausflügen in die Umgebung von Wien, zum Baden ins Salzkammergut oder Schifahren. Als sie ihre Leidenschaft für die Schauspielerei entdeckt, verlässt sie die Schule und beschließt, sich ihrer Karriere zu widmen. 1931 wird sie schließlich von Max Reinhardt am von ihm geleiteten Theater in der Josefstadt für eine Rolle besetzt. Es ist Reinhardt persönlich, der Hedy einmal – so die Erzählungen – bei einer Probe vor Journalisten als das schönste Mädchen der Welt bezeichnet. Eine Aussage, die sie ihr Leben lang begleiten soll. Nach der Aufführung dieses Stücks geht Hedy nach Berlin, bekommt mehr und größere Rollen. Mit ihrer ersten Hauptrolle gelingt der jungen Schauspielerin der Durchbruch in Europa: Der tschechoslowakische Spielfilm „Ekstase“ (1933) von Regisseur Gustav Machatý wird durch eine nur wenige Sekunden dauernde Nacktszene und die Darstellung eines Orgasmus – beides gespielt von Hedy Kiesler – zum „Skandalfilm“. Kiesler wird damit nicht nur berühmt, sondern auch berüchtigt.

Im selben Jahr feiert die Schauspielerin ihre erste von sechs Hochzeiten – in der Karlskirche in Wien heiratet sie den um 13 Jahre älteren Rüstungsmogul Fritz Mandl, der im Krieg zu einem der reichsten Männer Österreichs geworden war. Mandl entpuppt sich allerdings als herrischer und notorisch eifersüchtiger Partner, weswegen Hedy wenige Jahre später aus ihrer Ehe flüchtet. 1937 reist sie über Paris nach London, wo sie im September den Luxusdampfer „Normandie“ nach New York besteigt. Ebenso auf dem Schiff: Hollywood-Filmproduzent und Studioboss Louis B. Mayer. Er ist es, dem Hedy Mandl-Kiesler nicht nur einen Vertrag mit Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) verdankt, sondern auch einen Künstlernamen: In New York angekommen, heißt sie Lamarr. Ihr erster Hollywood-Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Mit dem Filmdrama „Algiers“ an der Seite von Charles Boyer wird Hedy Lamarr 1938 über Nacht zum internationalen Star. In den Filmen, in denen sie für MGM in den folgenden Jahren spielt, wird sie allerdings meist wegen ihres guten Aussehens besetzt. Nachdem sie 1945 bei MGM aussteigt, durch ihre beiden Schwangerschaften Filmpausen einlegt und ihre eigene Produktionsfirma scheitert, will Lamarr ihre Karriere später wieder ankurbeln und bekommt die Rolle der Delilah in dem für Paramount geplanten Film „Samson und Delilah“ (1949). Das Bibeldrama avanciert zum bis dahin erfolgreichsten Film aller Zeiten und bricht sogar den Rekord von „Vom Winde verweht“ (1939).

Neben ihrer Karriere als Schauspielerin engagiert sich Lamarr intensiv im Kampf gegen Nazi-Deutschland; u.a. hilft sie wie andere Schauspieler dieser Zeit, Kriegsanleihen zu verkaufen. Aber auch ihren Erfindergeist will sie dafür nützen, den Kriegsverlauf zugunsten der Alliierten zu entscheiden: Gemeinsam mit Komponist George Antheil entwickelt sie eine Funkfernsteuerung für Torpedos, die durch wechselnde Frequenzen schwer anzupeilen ist. „Hedy ist sehr, sehr klug. Neben den meisten Schauspielerinnen in Hollywood, die wir kennen, ist Hedy eine intellektuelle Riesin“, soll Antheil einmal über sie gesagt haben.

Die Erfindung der beiden wird zwar patentiert, ist aber zu komplex, um von der US-Navy tatsächlich im Zweiten Weltkrieg eingesetzt zu werden. Das Patent läuft aus und die Technologie wird später von der Marine weiterentwickelt. Später sollten auf Basis dieser Technologie Bluetooth und die Mobilfunktechnologie entstehen.

Obwohl Antheil und Lamarr mit der Erfindung ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus waren, erhielten sie dafür niemals eine finanzielle Abgeltung. Erst drei Jahre vor Lamarrs Tod wurde ihr von der US-amerikanischen Electronic Frontier Foundation (EFF) ein Pionier-Award für ihre Erfindung verliehen.

Hochs und Tiefs kennzeichneten auch das private Leben von Lamarr: sie wurde sechsmal geschieden, hatte einen Adoptivsohn und zwei leibliche Kinder, wurde wegen Ladendiebstahls verhaftet und trat – als Beklagte und Klägerin – immer wieder vor Gericht auf. Der ununterbrochene Medikamentenkonsum, der natürliche Alterungsprozess und zahlreiche Schönheitsoperationen brachten die ehemalige Filmdiva mehr und mehr aus dem Gleichgewicht. Die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte Lamarr zurückgezogen in Florida, wo sie im Jahr 2000 verstarb.

„Films have a certain place 
in a certain time period. 
Technology is forever.“


Frequenzsprungverfahren

Das Frequenzsprungverfahren (Frequency Hopping Spread Spectrum, FHSS) ist ein Frequenzspreizverfahren für die drahtlose Datenübertragung – also ein Verfahren, bei dem ein schmalbandiges Signal in ein Signal mit einer größeren Bandbreite umgewandelt wird. Angewendet wurde diese Technik u.a. bei Bluetooth. Beim Frequenzsprungverfahren wird die Information nacheinander auf viele Kanäle verteilt. Sender und Empfänger wechseln ständig die Funkfrequenz; das heißt: auf jedem Frequenzkanal findet nur kurzzeitig eine Übertragung statt. Daher muss der Empfänger synchron mit dem Sender dieselben Kanäle anspringen. Der Frequenzwechsel ist pseudozufällig und hat die Funktion eines Kryptoschlüssels.

Lady Bluetooth. Hedy Lamarr
Bis 10. Mai 2020
Museum Judenplatz 
(Jüdisches Museum Wien)
Judenplatz 8, 1010 Wien
www.jmw.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2019